Kein Public Viewing bei der EM in Heidelberg
Public Viewing mit Tausenden Menschen wird es in Heidelberg bei dieser EM nicht geben. Die große Euphorie fehlte schon vor Corona. Ordnungsdienst kontrolliert Gaststätten.

Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Tausende Fans, dicht gedrängt, kollektives Jubeln – das wird es während der am Freitag startenden Fußball-Europameisterschaft in Heidelberg nicht geben. Die Pandemie und die geltenden Auflagen lassen große Public-Viewing-Veranstaltungen in diesem Jahr nicht zu. Doch ganz ohne gemeinsames "Rudelgucken" müssen die Heidelbergerinnen und Heidelberger nicht auskommen. Zwar verzichten einige Veranstalter diesmal auf Großleinwände, viele Locations, Gaststätten und Kneipen zeigen aber auch in den kommenden Wochen Fußball satt.
Bis zu 7000 Fans fieberten bei den vergangenen Fußballturnieren im Heidelbeach/Heidelgarden mit. In diesem Jahr wird es in der Tiergartenstraße jedoch ruhiger zugehen, erklärt Betreiber Axel Kappey. Der Heidelgarden, wo sonst eine große Leinwand stand, wird erst einmal geschlossen bleiben. "Wir hätten unheimlich gerne etwas gemacht, gerade jetzt, nach dieser langen Zeit des Lockdowns. Aber vom Aufwand her rechnet sich das nicht", sagt Kappey. Stattdessen will er im kleineren Heidelbeach größere Fernseher aufstellen, wo 250 Menschen coronagerecht Live-Fußball schauen können. Mehr sei diesmal nicht möglich, so Kappey. Denn obwohl 750 Menschen – so viele Besucher sind derzeit unter freiem Himmel erlaubt – allemal in den Heidelgarden passen würden, sei die Umsetzung der Corona-Auflagen kaum machbar.
Und selbst wenn derzeit keine Ansteckungsgefahr bestünde, hätte es laut Kappey bei ihm kein Public Viewing im großen Stil gegeben. Das Interesse am "Rudelgucken" mit Tausenden Menschen habe in den letzten Jahren nachgelassen, sagt der Betreiber. Mittlerweile könne man in fast jeder Bar und jedem Restaurant Fußball schauen, zudem gingen die Leute inzwischen eher in kleineren Gruppen aus – es gebe mehrere Faktoren, die große Public-Viewing-Events kaum noch rentabel machten. Ganz ausschließen will er jedoch nicht, dass auch in diesem Jahr noch mehr Menschen im Heidelgarden jubeln können. Sollte die deutsche Mannschaft weit kommen und sich ein Sponsor für den Aufbau der Leinwand finden, wäre ein Public Viewing im größeren Stil eventuell denkbar, sagt Kappey.
Neben dem Heidelgarden war auch der Marstall in der Altstadt bei Fußball-Großereignissen ein beliebter Anlaufpunkt. Die große LED-Leinwand im Innenhof wird aber auch dort nicht aufgebaut. Auf der grünen Wiese und rundherum fanden normalerweise bis zu 3000 Menschen Platz. In diesem Jahr werden allerdings nur bis zu 50 Menschen gleichzeitig Fußball schauen können – und zwar im angrenzenden Marstall-Café, wie eine Sprecherin des Studierendenwerkes auf Anfrage erklärt.
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Auch im Essighaus in der Plöck können maximal 50 Menschen die Spiele verfolgen. Statt einer Leinwand wird diesmal ein Fernseher aufgestellt. Erst einmal wolle man nur die Spiele der deutschen Mannschaft zeigen, sagt Inhaber Karsten Springer. "Wir müssen sehen, wie sich das Ganze entwickelt." Die Fußball-Europameisterschaft stehe derzeit nicht im Vordergrund, in erster Linie gehe es um das wirtschaftliche Überleben, sagt Springer. Erst vor zwei Wochen öffnete das Essighaus wieder, noch immer fehlt es an Personal. Von der Übertragung der Fußballspiele erwartet sich Springer keine großen Zugewinne. Denn seit der Weltmeisterschaft 2014 und dem Titelgewinn der deutschen Mannschaft sei die Nachfrage nach dem gemeinsamen Fußballschauen gesunken.
Zumindest ein Hauch von Public Viewing könnte dagegen in der Bergheimer Straße im "Firebowl" aufkommen. Im überdachten Biergarten baut Geschäftsführer Ponnuthurai Srikunes zwei Leinwände auf. Bis zu 120 Menschen sollen dort gleichzeitig jubeln – oder trauern – können. Den "Rudelgucken"-Blues kennt man hier nicht, wie Srikunes sagt. In seinem Laden sei meist mehr los, wenn Fußball laufe. Er will daher jedes der 51 EM-Spiele zeigen – und empfiehlt, vorab zu reservieren. Da die großen Public-Viewing-Events dieses Jahr ausfallen, vermutet er: "Es könnte voll werden."
Was gilt für das Public Viewing?
Public Viewing ist nach aktueller Corona-Verordnung des Landes sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel möglich. Theoretisch könnten solche Veranstaltungen auch auf öffentlichen Plätzen oder in kulturellen Einrichtungen stattfinden – in Heidelberg draußen aufgrund der niedrigen Inzidenz für bis zu 750 Personen. Bisher wurde in der Stadt laut SWR aber kein Public Viewing beantragt respektive angemeldet.
Auch im Innen- (mit Getesteten-, Geimpften- und Genesenennachweis) und Außenbereich von Gastronomiebetrieben ist Public Viewing laut Stadt möglich. Dabei müssen natürlich die Abstands- und Hygieneregeln und die Höchstbesucherzahl pro Quadratmeter eingehalten werden. Zudem müssen sich Betriebe an die derzeit geltende Sperrzeit von 1 Uhr halten. Auf öffentlichem Grund ist draußen aber schon um 23 Uhr Schluss. Nur Kneipen, die einen eigenen Biergarten haben, dürfen auch dort bis 1 Uhr öffnen (wenn keine Anwohnerinteressen im Wege stehen). Um Menschenansammlungen vor Fußball übertragenden Bars zu vermeiden, werde der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) die Gaststätten kontrollieren, bei unzulässigen Ansammlungen einschreiten und gegebenenfalls Platzverweise erteilen, so ein Stadtsprecher.