150 Jugendliche tanzten am Ochsenkopf
Die Open-Air-Party war am Wochenende der Höhepunkt des Programms, das die Jugendlichen selbst auf die Beine gestellt hatten.

Von Selina Gargiullo
Heidelberg. Lauter Bass tönt durch die Boxen von der Ochsenkopfwiese in Bergheim-West. Die 15-jährige "DJ Epic" eröffnet am Samstagabend die Rave für Jugendliche – eine Party unter freiem Himmel zu elektronischer Musik. 150 Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren sind hier zusammengekommen. Unter geschmückten Bäumen und Neonlichtern tanzen sie bis tief in die Nacht.
Was erstmal klingt wie eine illegale und spontane Aktion, ist so ziemlich das Gegenteil: Der Rave war einer der Höhepunkte von "Re-Set", dem zweitägigen Kulturfestival von Jugendlichen für Jugendliche, das am Wochenende zum ersten Mal an mehreren Orten in Heidelberg stattfand.
Organisiert hat es die Plattform "Youth Think Tank" (YTT), die damit jungen Menschen die Möglichkeit gegeben hat, ihre eigenen Ideen für Jugendkultur in Heidelberg umzusetzen. "Sie bringen ihre Vielfalt von Bedürfnissen und Biografien mit und wissen am besten, was sie brauchen", sagt Jasper Schmidt, Projektleiter vom Verein "Mosaik Deutschland".
Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Angebote – vom Kleidertausch über ein Fußballturnier bis hin zu einem Queer Escape Room. Dabei stand das gesamte Konzept unter einem Aspekt: Antidiskriminierung.
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Das zeigt sich auch bei der Open-Air-Party am Samstag: "Damit wir den Jugendlichen einen sicheren Ort zum Feiern geben können, haben wir Regeln eingeführt und es gibt eine Rückzugecke, falls sich jemand nicht wohlfühlen sollte", betont Sofia Leser, eine der Mitwirkenden. Am Eingang klärt sie über die "Awareness-Regeln" auf: "Nein heißt Nein, schenkt einander Respekt und keine Toleranz für Diskriminierung jeglicher Art."
Um 22 Uhr füllt sich die Grünfläche langsam und die Ersten trauen sich auf die Tanzfläche. "Die meisten unserer Freunde sind im Urlaub – aber viele assoziieren die Party auch mit dem Feierbad und wollen deshalb heute nicht kommen", erzählt Besucherin Sine Gülland. Das Feierbad entstand letzten Sommer im Auftrag von "Heidelberg Marketing", um Jugendlichen einen Ort zum Feiern zu bieten.
Allerdings sei es für viele Jugendliche mit den vielen Regeln zu stressig gewesen und auch die Atmosphäre und Musik hätten nicht immer den Geschmack der Jugend getroffen. "Das ist hier anders – hier läuft Techno und die Sicherheitskontrollen finden mehr im Hintergrund statt", sagt Mia Thürmer. Bis Mitternacht wird laut gefeiert. Wer dann noch da ist, bekommt Kopfhörer, um weiter zur Musik tanzen zu können. Denn auch auf die Anwohner wollten die Organisatoren Rücksicht nehmen.
Rücksicht, Akzeptanz und Nachhaltigkeit ziehen sich als Leitlinien durch das gesamte Festivalprogramm. Das zeigt sich schon bei der Eröffnung am Samstagmittag am Skatepark mit einem Kleidertausch. Nicht mehr getragene Kleidung wird gegen neue Lieblingsteile eingetauscht. Zur Eröffnung schaut sogar Heidelbergs Sozialbürgermeisterin Stefanie Janssen vorbei, wird selbst fündig – und nimmt einen roten Ledermantel mit nach Hause.

Später laden Jasmin und Katharina bei Baklava und türkischem Tee zum Podcast "Çay mit Y" auf der Neckarwiese ein. Auch hier gibt es Startschwierigkeiten, doch schnell sammeln sich etwa 20 Gäste auf dem Perser-Teppich und erzählen von persönlichen Erfahrungen, was sie bewegt und ermutigt. "Es war richtig spannend, mit ihnen ins Gespräch gekommen und die unterschiedlichen Lebensrealitäten kennenzulernen", sagt Jasmin später.
Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr und ist drei Stunden später noch immer voll im Gange. "Es gab viel Resonanz auf unserer Arbeit. Viele Gäste haben gefragt, wann wir sowas das nächste Mal machen", erzählt Katharina. In den zwei Monaten zuvor haben die beiden ein journalistisches Training für die Produktion eines Podcasts erhalten. Im Laufe der Woche wird er auf der Musikplattform "Spotify" erscheinen.
Die Idee für den YTT ist bereits 2019 entstanden – 25 Jugendliche sind seitdem Teil davon. Bei der Organisation des Festivals bekamen sie zudem Unterstützung von Expertinnen und Experten. "Wir haben sie über Prozesse der Stadtpolitik beraten oder erklärt, wie eine Förderung abläuft", berichtet Evein Obulor, Antidiskriminierungsbeauftragte vom städtischen Amt für Chancengleichheit.
Denn das Ziel sei, ihnen aufzuzeigen, dass sie selbst etwas bewirken können und einen Rahmen zu schaffen, den sie in Zukunft eigenständig weiterführen sollen. "Besonders freut mich, dass bereits während der Planung ganz unterschiedliche Jugendliche zusammengearbeitet haben und diese so in ihrer Vielfalt sichtbar wurden."
Der Gemeinderat hat nun einer Finanzierung für die Weiterführung des Festivals zugestimmt – und die Organisatoren sind nach vielen positiven Rückmeldungen zu dem Wochenende auch motiviert, weiterzumachen: "Es ist schön zu sehen, was man alles auf die Beine stellen kann, wenn man sich zusammentut", zog Jasper Schmidt am Montag Bilanz.



