Nur ein Neckarwiesen-Randalierer kommt aus Heidelberg (Update)
20 Wohnungsdurchsuchungen, 13 Beschuldigte und zwei Haftbefehle, aber die Polizeiarbeit ist noch nicht abgeschlossen.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Krawalle auf der Neckarwiese vom Pfingstwochenende waren für viele Heidelbergerinnen und Heidelberger ein einschneidendes Erlebnis. Die Stadt reagierte mit einem Aufenthaltsverbot in den Nächten auf Samstag und Sonntag, das zumindest noch dieses und nächstes Wochenende gilt. Die Polizei verstärkte ihre Präsenz und gründete die Ermittlungsgruppe "Neckarwiese". Und deren Aufklärungsarbeit steht jetzt kurz vor dem Abschluss. Am Freitag wurde eine erste Bilanz gezogen.
24 Verdächtige sind auf den unzähligen gesichteten Videos aus der Nacht zum Pfingstsonntag zu erkennen. Bei neun wird nach Auskunft eines Polizeisprechers noch geprüft, ob auch wirklich eine Straftat vorliegt – ob zum Beispiel Flaschen gezielt in die Richtung von Personen geworfen wurden. Die anderen 15 haben sich aber sicherlich etwas zuschulden kommen lassen. 13 von ihnen sind bereits identifiziert, nach zweien wird mit Fotos gefahndet.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall vor – also dass sie mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen wie Holzpfählen und Glasflaschen aus einer Menschenmenge heraus Gewalttaten begangen haben. Sollten die Verdächtigen wie Erwachsene behandelt werden, droht ihnen eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

Eine Polizistin brach sich bei dem Einsatz auf der Neckarwiese den Fuß, sie ist immer noch krankgeschrieben. Einer ihrer Kollegen wurde leicht verletzt, acht Streifenwagen wurden beschädigt. Die Zerstörungswut der Krawallmacher richtete sich aber auch gegen eine Toilettenanlage, mehrere Parkbänke und Tische, gegen zwei Schaustellerbuden und ein Corona-Testzelt. Den Gesamtschaden beziffert die Polizei auf rund 47.000 Euro.
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Die identifizierten Tatverdächtigen sind zwischen 17 und 22 Jahre alt, nur einer kommt aus Heidelberg, ein weiterer aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Alle anderen stammen aus dem Hohenlohekreis und dem Landkreis Karlsruhe. Gegen zwei dieser Beschuldigten wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehle erlassen. Ein 18-Jähriger, der unter anderem einen E-Roller in die Corona-Teststation geworfen haben soll, sitzt immer noch in Untersuchungshaft, gegen ihn wurde bereits Anklage beim Jugendschöffengericht erhoben. Der zweite Haftbefehl gegen einen 19-Jährigen, der Flaschen mit voller Wucht gegen einen Streifenwagen geworfen haben soll, wurde inzwischen wieder außer Vollzug gesetzt – er muss sich aber regelmäßig beim örtlichen Polizeirevier melden.
Bislang wurden 20 Wohnungen durchsucht, umfangreiches Beweismittel, darunter 21 Mobiltelefone, beschlagnahmt und rund 250 Videos mit einer Datenmenge von über einem Terabyte aus der Tatnacht ausgewertet. Gegen sämtliche Beschuldigte prüft die Stadt Heidelberg ein Aufenthaltsverbot für das Neckarvorland. Gegen einige Personen wurde das mehrmonatige Betretungsverbot schon verhängt. Zuwiderhandlungen werden beim ersten Mal mit 500 Euro Bußgeld, beim zweiten Mal mit 1000 Euro geahndet.
In der Ermittlungsgruppe Neckarwiese arbeiten 21 Beamte der Kriminal- und Schutzpolizei, darunter Spezialisten aus den Bereichen Kapitalverbrechen, Cybercrime und Multimediaforensik sowie Jugendkriminalität, die Geschehnisse auf. Dabei setzten sie auch Gesichtserkennungssoftware ein. "Jeder, der sich an solchen Handlungen beteiligt, muss wissen, dass wir mit all unseren Fähigkeiten die Täter ermitteln", so Polizeivizepräsident Siegfried Kollmar. Unterdessen ist unklar, wie es mit der Neckarwiese weitergeht. An den letzten Wochenenden war es am Ufer im Gegensatz zur Altstadt relativ ruhig. Die Stadt prüfe aber noch, ob das nächtliche Aufenthaltsverbot verlängert werden muss, so ein Stadtsprecher: "Gemeinsam mit der Polizei beobachtet und analysiert die Stadt die Situation weiter. Es wäre verfrüht, schon eine Bilanz zu ziehen."
Info: Die Ermittler bitten um Hilfe bei der Identifizierung von zwei weiteren Verdächtigen. Die Fotos sind auf dem Fahndungsportal der Polizei veröffentlicht: https://kurzelinks.de/eull. Zeugen, die die Männer kennen, sollen sich unter der Telefonnummer 0621/174-4444 melden.
Update: Freitag, 2. Juli 2021, 20.13 Uhr
Bilanz der Ermittler - Suchaufruf mit Fahndungsfotos
Heidelberg. (pol/mün) Fast sechs Wochen nach Ausschreitungen auf der Heidelberger Neckarwiese legt die Polizei eine erste große Bilanz ihrer Ermittlungsarbeit vor. Und geht mit Fotos an die Öffentlichkeit, um mit Hinweisen aus der Bevölkerung zwei Tatverdächtige ausfindig zu machen.
> Was geschah in der Nacht zu Pfingstsonntag: Etwa 1000 Menschen feierten auf der Neckarwiese. Als Polizisten nach 1 Uhr wegen Ruhestörung einschritten, weigerten sich etwa 70 Personen zu gehen und randalierten. Etwa 300 weitere Besucher sollen sich mit ihnen solidarisiert haben.
> Die Polizeibilanz dieser Nacht: Eine verletzte Polizeibeamtin und ein verletzter Polizeibeamter, acht beschädigte Dienstfahrzeuge, erhebliche Beschädigungen an einer Toilettenanlage, an Parkbänken, an Tischen, an einem Verkaufsstand von Schaustellern sowie an einem mobilen Corona-Testzelt mit einem Gesamtschaden von etwa 47.000 Euro.
> Die Reaktion der Polizei: Es wird die Ermittlungsgruppe "Neckarwiese" gegründet. Mit 21 Beamten der Kriminal- und Schutzpolizei, darunter Spezialisten aus den Bereichen Kapitalverbrechen, Cybercrime und Multimediaforensik sowie Jugendkriminalität, arbeitet sie seither an der Aufklärung der Geschehnisse. Bei den Ermittlungen wurde auch eine spezielle Software zur Gesichtserkennung und besonders befähigte Polizisten zur Wiedererkennung von Personen, sogenannte Super-Recognizer, eingesetzt.
> Wohnungsdurchsuchungen: Bei den Ermittlungen wurden bislang über 20 Wohnungen durchsucht, umfangreiches Beweismittel, darunter 21 Mobiltelefone, beschlagnahmt.
> Fotos und Videos als Beweismittel: 250 übermittelte Videoaufzeichnungen in einer Datenmenge von über einem Terabyte wurden ausgewertet. Außerdem gingen knapp 50 Hinweise ein, denen die Ermittler nachgehen.
> Die Ermittlungsergebnisse: Zwischenzeitlich konnten 13 Beschuldigte im Alter zwischen 17 und 22 Jahren ermittelt werden. Sie stammen aus dem Landkreis Karlsruhe, aus Mannheim, Heidelberg, dem Rhein-Neckar- und dem Hohenlohekreis. Gegen sie hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg Ermittlungsverfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs eingeleitet.
> Die Reaktion der Stadt Heidelberg: Gegen sämtliche Beschuldigte werden seitens der Stadt Heidelberg Aufenthaltsverbote für Bereiche des Stadtgebiets bzw. für das Neckarvorland geprüft und wurden teilweise bereits erlassen. Für die Neckarwiese wurden zeitweise Aufenthaltsverbote verhängt. Derzeit wird über eine Verschärfung der Nutzungsordnung der Neckarwiese diskutiert.
> Haftbefehle erlassen: Gegen zwei der 13 Beschuldigten wurden Haftbefehle erlassen. Einer der beiden Haftbefehle, der sich gegen einen 18-Jährigen aus dem Landkreis Karlsruhe richtet, wurde in Vollzug gesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat zwischenzeitlich die Anklage beim Jugendschöffengericht erhoben. Gegen einen weiteren 19-Jährigen aus dem Landkreis Karlsruhe wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
> Wie es weiter geht: Die Ermittlungen der Ermittlungsgruppe "Neckarwiese" dauern an. Insbesondere wird bei neun weiteren Personen geprüft, ob auch gegen sie ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht.
> Die Suche nach zwei weiteren Tatverdächtigen: Die Polizei bittet um Mithilfe bei der Fahndung und Identifizierung von zwei weiteren männlichen Tatverdächtigen. Ihre Fotos sind auf dem Fahndungsportal der Polizei Baden-Württemberg veröffentlicht. Zeugen können sich beim Kriminaldauerdienst unter der Rufnummer 0621/174-4444 melden.