Opfer der Polizei oder Angriff auf Beamte: Was geschah am Heidelberger Bismarckplatz?

Ein Heidelberger ging am Montag bei "Rot" über den Bismarckplatz und fand sich verhaftet im Polizeirevier wieder.

02.08.2016 UPDATE: 03.08.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Alexander B. wurde von Polizisten in der Fahrtgasse festgenommen, weil er angeblich weggelaufen war. F: privat

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Aus einer kleinen Ordnungswidrigkeit wurde ein Riesending: Alexander B. überquerte am Montagnachmittag die Sofienstraße zwischen Bismarckplatz und Hauptstraße bei "Rot". Jetzt wird gegen ihn wegen Körperverletzung, Widerstand und Beleidigung von Polizeibeamten ermittelt. Was geschah wirklich am Montag? Stolperte ein Polizist über seine eigenen Füße oder wurde er von einem "Flüchtenden" angegriffen? Polizei und Betroffene erzählen der Rhein-Neckar-Zeitung zwei unterschiedliche Geschichten.

Aus der Sicht des 58-jährigen Heidelbergers klingt das so: Er war mit seiner Frau in der Stadt unterwegs, wollte zur Versicherung und zur Bank und dort die 13.000 Euro einbezahlen, die sie für den Verkauf eines Wohnmobils bekommen hatten. Am Fußgängerüberweg trennte man sich für die verschiedenen Besorgungen, am Anatomiegarten wollte man sich später treffen, wie immer. Er sei bei Rot über die Ampel gelaufen und joggend in die Fahrtgasse eingebogen. Die Hauptstraße sei ihm zu belebt gewesen. "Ich bin Herzpatient. Ich jogge jeden Tag 30 Minuten, damit mein Herz munter bleibt", erklärt Alexander B.. An der Ampel habe er nur einen Pfiff gehört, seine Frau Doloris hörte ein "hey hey" - offenbar von zwei Polizisten, die neben ihnen standen, die sie aber nicht bemerkt hatten, wie sie sagten.

In der Fahrtgasse habe ihm dann ein Polizist von hinten ein Bein gestellt und ihn zu Boden gerissen. "Ich bin auf den Bauch gefallen, und dann war er schon auf mir drauf. Er sagte, ich hätte ihn beleidigt, und fragte, warum ich ihn angegriffen hätte", so Alexander B. Nach seiner Version sagte der Polizist: "Erst sind Sie über die rote Ampel gerannt, das hätte ein Verwarnungsgeld von fünf Euro gekostet, aber jetzt beleidigen Sie mich. Das wird teuer." Dann hätten sich ein Polizist und eine Polizistin auf ihn gesetzt und ihm Handschellen angelegt. Außerdem hätten sie seinen Geldbeutel aus der Hosentasche gezogen und durchsucht. Inzwischen seien mehrere Polizisten und zwei Polizeiautos vor Ort gewesen. "Ich bin Herzpatient, ich habe 2012 eine neue Mitralklappe eingesetzt bekommen und kaum Luft gekriegt", sagt er.

Für Ehefrau Doloris stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Sie war in der Fahrtgasse dazugekommen, sah die Handschellen und das Blut an den Armen ihres Mannes und fragte den Polizisten, warum er ihrem Ehemann "so weh tue". Die Antwort sei gewesen: "Er hat mich angegriffen". "Das stimmt doch nicht, Sie sind am Eingang der Annagasse doch über Ihre eigenen Füße gestolpert, das haben alle Passanten gesehen und einige auch gefilmt," sei ihre Antwort gewesen. Darauf hat der Polizist laut Doloris B. erwidert: "Jetzt gehe ich zum Arzt und lass mich krankschreiben, und dann verklage ich Sie auf Schadenersatz." Und die Polizistin habe noch gesagt: "Ihnen glaubt doch keiner, Sie haben keine Zeugen."

Auf dem Revier wurde der 58-Jährige erkennungsdienstlich behandelt mit Fotos und Fingerabdrücken. 2500 Euro von seinem Bargeld wurden gleich einbehalten, weil er derzeit keinen festen Wohnsitz in Deutschland vorweisen kann: Er hatte sich in Heidelberg schon vor vier Wochen abgemeldet, weil er wie alljährlich für ein paar Monate nach Namibia gehen wollte. Dort hatte er 25 Jahre lang gelebt, von dort stammt auch seine Frau. "Ohne Wohnsitz gibt es für die Staatsanwaltschaft nur zwei Möglichkeiten: Haft oder Kaution", erklärte Polizeisprecher Norbert Schätzle auf RNZ-Anfrage.

In seinen Unterlagen stellte sich der Fall vom Montag allerdings ganz anders dar. Die Polizisten hätten am Bismarckplatz "Halt, Polizei, stehen bleiben" gerufen, als der Mann die Straße bei roter Ampel überquert habe. Daraufhin sei der Mann weggerannt. Die Polizisten hätten ihn offensichtlich anhalten und kontrollieren wollen. Der 58-Jährige habe laut Bericht den Polizisten getreten, geschlagen und "dummer Penner" genannt. "Dann fixieren sie ihn natürlich. Ich glaube nicht, dass die Kollegen das erfinden", so der Polizeisprecher.

Alexander B. hofft, dass sich Zeugen finden, die seine Version bestätigen. Denn ihm droht eine Anklage. "Ich schwöre bei Gott, ich habe den Polizisten nicht angegriffen oder beleidigt", sagte er, als er am Dienstag mit seiner Frau in die Redaktion der Rhein-Neckar-Zeitung kam.

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