Würzner will als Amtsinhaber seinen Weg noch weiter gehen (plus Video)
Für den RNZ-Spaziergang hat sich Eckart Würzner heimatliche Gefilde ausgesucht. Der Neckarufertunnel sei auch in der Krise eine wichtige Investition.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. In sportlichem Tempo erklimmt Eckart Würzner den Hang am Kloster Stift Neuburg, am Rande Ziegelhausens. Mit seinem Dienstpedelec, wie es sich für den Amtsinhaber der "Umwelthauptstadt" gehört. Der Mann, der am 10. Oktober 61 Jahre alt wird, ist pünktlich und tritt jugendlich auf. Zur grauen Chino-Hose trägt er ein blaues Hemd und Sneaker.
Passend für einen Spaziergang, aber auch repräsentativ genug für alle offiziellen Termine an diesem Tag. Gerade eben war er beim öffentlichen Probefahren von Lastenrädern, davor beim Essen mit Vertretern der Bürgerstiftung.
Würzner kann sich anpassen. Der parteilose Amtsinhaber, der im November zur Wiederwahl antritt und von CDU, "Heidelbergern" und FDP unterstützt wird, hat über die letzten beiden Jahrzehnte ein breites Netzwerk in der Stadtgesellschaft aufgebaut.
Der Sportsmann, dessen Sohn Niklas bei den MLP Academics in der Basketball-Bundesliga spielt, und der sich sehr für die neue Großsporthalle an der Speyerer Straße eingesetzt hat, gibt sich auch als Kulturförderer – sei es für das Theater oder den "Heidelberger Frühling".
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In Pressemitteilungen legt er, der gefühlt die halbe Stadt duzt, Wert auf seinen Professorentitel. Im Wahlkampf steht hingegen häufig nur der Vorname im Programm: "Espresso mit Eckart".
Blitzschnell kann der promovierte Geograph und Honorarprofessor an der SRH-Hochschule umschalten: Als Würzner sieht, dass ihm sein Gegenüber am Klosterhof die Corona-Faust zur Begrüßung hinstreckt, zieht er die zum Händedruck gestreckten Finger ein und erwidert den Gruß.
Als Ort für den "Spaziergang mit Einkehr" hat sich der Amtsinhaber den Ziegelhäuser Philosophenweg ausgesucht und den Klosterhof. In der Nähe haben die Würzners in den frühen 90ern gebaut. "Wir haben uns nur den Rohbau stellen lassen und ansonsten alles selbst gemacht." Der OB liebt die Gegend. Der Stadtwald, beweidete Hänge, der in seinem natürlichen Lauf fließende Mausbach. Idylle pur, mit fantastischer Sicht ins Neckartal.

Zwei Mountainbikefahrer schießen aus dem Stadtwald heraus und legen auf dem Mausbachweg eine Vollbremsung hin. Würzner bleibt gelassen. "Genau das ist verboten", sagt der Amtsinhaber und deutet auf die tiefe Rille, die die Sportler auf einem schmalen Pfad ausgefahren haben. Aber er hat keine Lust, die Radfahrer zu ermahnen. "Wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen würden, wäre das alles überhaupt kein Problem", glaubt er. Der Stadtwald sei groß genug für alle.
Auf halber Höhe zum Köpfel hört Würzner von unten einen lauten Knall, es hört sich an wie ein Autounfall. Der Amtsinhaber unterbricht seine Antwort auf die Frage, warum er jetzt, wo die fetten Jahre vorbei sind, noch einmal kandidiert, und sprintet Richtung Abhang los. Unten, auf dem Stiftweg, hört man einen Mann fluchen. Doch durch die Blätter ist zu sehen, dass das Auto kurz darauf weiterfährt. Entwarnung. Nichts passiert. Der Spaziergang kann weitergehen und Würzner die Frage beantworten: "Ich habe Lust, diese Strukturen weiter auszubauen, die Arbeit weiterzuführen. Das ist alles kein Selbstläufer."
Mit "diesen Strukturen" meint Würzner auch die Entlastung des Mittelstandes, der kleinen und mittleren Unternehmen. Er fordert eine "Ermöglichungskultur" und nennt als Beispiel die vereinfachte Genehmigung der Außenbewirtschaftung von Gaststätten im Zuge der Corona-Krise. Doch auch was die Energiekrise angehe, sei Heidelberg gut aufgestellt. Würzner verweist auf das schon gut ausgebaute Fernwärmenetz – "zu 50 Prozent umgestellt auf Grün". "Wir haben nicht nur geredet, sondern gehandelt." Und Würzner verweist auch auf den sozialen Wohnungsbau. Darauf, dass auf dem Hospital-Gelände 50 Prozent geförderter Wohnraum entstehen soll, dass in der Bahnstadt ein System der städtischen Wohnungsförderung umgesetzt wurde, als Bundes- und Landesmechanismen versagten.
Hintergrund
Eckart Würzner
> Alter: 60 Jahre
> Parteizugehörigkeit: parteilos (unterstützt von CDU, FDP, Freien Wählern und der Wählerinitiative "Die Heidelberger")
> Beruf: Oberbürgermeister
> Wohnort:
Eckart Würzner
> Alter: 60 Jahre
> Parteizugehörigkeit: parteilos (unterstützt von CDU, FDP, Freien Wählern und der Wählerinitiative "Die Heidelberger")
> Beruf: Oberbürgermeister
> Wohnort: Ziegelhausen
> Aufgewachsen in: Goslar
> In Heidelberg seit: 1982
> Familienstand: verheiratet, vier Kinder, fünf Enkelkinder
> Ausbildung: Diplomstudium Geografie mit den Nebenfächern Geologie und Rechtswissenschaft in Heidelberg und Mannheim, Promotion
> Bisherige Ämter: Oberbürgermeister (seit 2006), Umweltbürgermeister (2001 bis 2006), Erster Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetags (seit 2021), Vorsitzender des Klimaschutz-Netzwerks "Energy Cities"
Nach wenigen Windungen mündet der Wanderweg auf den Ziegelhäuser Philosophenweg, weiter geht es Richtung Kanzlerblick. Würzners Joggingstrecke liegt etwas weiter oben. "Hier unten gibt es morgens zu viele Hunde." Mit Blick auf das Neckartal kommt Würzner immer mehr in Plauderlaune. Heute hat er keine Agenda, sondern lässt sich entspannt auf das Gespräch ein.
Die Stadt sei für ihn wie eine zweite Familie. "Ich fühle mich verantwortlich." Auf die Frage, ob seine erste Familie nicht eifersüchtig sei, gibt er zu: "Ja, das ist so." Aber seine "tolle Frau Janine" trage die erneute Kandidatur mit. Trotz der vielen Arbeitstage, die häufig von 8 bis 22 Uhr dauern.
Würzner betont gerne, dass er ein Familienmensch sei. Während er seine Dissertation an der Uni Heidelberg schrieb, habe er sich viel um den Nachwuchs gekümmert. Später als Abteilungsleiter im Umweltamt, ab 2001 als Umweltbürgermeister und seit 2006 als Oberbürgermeister habe ihm das Arbeitspensum schon etwas ausgemacht."Die Kinder so selten zu sehen, tut weh." Daher sei ihm der alljährliche zweiwöchige Familienurlaub mit den vier erwachsenen Kindern – sie sind zwischen 27 und 40 Jahre alt – und fünf Enkeln so wichtig.
Oberbürgermeister zu sein, sei ein Beruf wie Pfarrer oder Arzt. "Man ist immer im Dienst. Es kann aber erfüllend sein." Das größte Kompliment sei für ihn, dass die Leute keine Scheu hätten, ihn anzusprechen. Natürlich könne er nicht immer alle Probleme lösen. "Doch wenn man das erklärt, ist das für die meisten okay."
Nicht alles lief seit seinem Amtsantritt glatt. Bürgerentscheide stoppten seine Pläne zur Stadthallenerweiterung und zum Bau des Ankunftszentrums für Flüchtlinge in den Wolfsgärten. Auch die Verlagerung des Straßenbahn-Betriebshofes auf den Ochsenkopf scheiterte. "Das sind doch Ausnahmen", sagt der OB zu diesen Niederlagen. "Fast 95 Prozent unserer Entscheidungen im Gemeinderat fällen wir einstimmig."
Und andere Vorhaben wie die Theatersanierung hätten hervorragend funktioniert. Solche Investitionen seien wichtig. Für die Kultur, für die Menschen, für die Wirtschaft. "Allein im Theater arbeiten 300 Menschen."
Eines hat Würzner in seiner Amtszeit gelernt. Wirkte er anfangs noch ein bisschen steif, so hat er nach und nach an Selbstbewusstsein gewonnen, das ihm Lockerheit gibt – und den Mut, auf kritische Fragen schnell zu antworten. Er wisse noch nicht, was er mache, wenn er nicht wiedergewählt werde. Er glaube aber, dass er einige Möglichkeiten habe.
Über von Ziegen abgegrasten Weiden geht es zurück zum Kloster, während Würzner durch die Themen mäandert. Da ist etwa sein wiederentdecktes Wahlkampfthema von 2006: der Neckarufertunnel, den er gerne bauen würde. Die B 37 solle in der Kernaltstadt unter der Erde verschwinden.
Ist die Zeit für solche Megaprojekte angesichts weltweiter Krisen, explodierender Baukosten und klammer Staatskassen nicht vorbei? Nein, meint Würzner: "Wir müssen das umsetzen. Es kann doch nicht sein, dass das Herzstück Heidelbergs, das Neckarufer wegen dieser Bundesstraße nicht genutzt werden kann." Nicht nur große Metropolen wie Düsseldorf, auch die Nachbargemeinden Schriesheim und Neckargemünd hätten es vorgemacht, wie sehr alle Bewohner von einem Tunnel profitierten.
Es handelt sich für ihn um "zentrale Infrastruktur". Der Schaden sei viel größer, wenn jetzt nicht investiert werde. "Das, was unsere Mütter und Väter gebaut haben, nehmen wir heute als selbstverständlich hin. Wir fahren mit dem Zug durch den Königstuhltunnel und mit dem Auto oder Bus durch den Schlossberg. Wir müssen auch heute solche zukunftsträchtigen Investitionen tätigen."
Würde man über Heidelberg eine Käseglocke stülpen, so Würzner, wäre die Stadt viel unattraktiver für junge Leute und Firmen. "Wir reden immer darüber, wer Geld braucht, aber nicht darüber, wo es herkommen soll, wenn wir keine jungen Menschen anlocken."
Zurück auf dem Stiftweg wird Würzner noch einmal persönlich. Er müsse etwas zeigen, sagt er zu Redakteur und Fotograf und öffnet ein Gartentor, das zu einem leer stehenden Bewirtschaftungshaus des Klosterhofs führt. Vor einem Fenster im Souterrain bleibt er stehen. Dort unten betrieben die Würzners mit ein paar Freunden jahrelang eine private Krabbelgruppe für ihre Kinder.
Hintergrund
Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.
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Die Eltern betreuten ihren Nachwuchs im Wechsel. Es war Hilfe zur Selbsthilfe, es gab nicht genügend Kitaplätze. An der Wand hängen noch Kinderbilder. "Das war toll. Die Kinder sind praktisch auf dem Bauernhof groß geworden", schwärmt Würzner.
Geschafft. Im Klosterhof nimmt der Amtsinhaber vor einer Sandsteinmauer Platz und lässt sich ein erfrischendes Radler aus der Klosterbrauerei schmecken. Die anderen Gäste haben nur kurz aufgeschaut, als der OB das Gelände betrat, und lassen ihn in Ruhe.
Und so plaudert das Stadtoberhaupt wenig später über europäische Modellstädte, über die Fernwärmeförderung Dänemarks, die auch in Deutschland machbar wäre, und darüber, dass ein Oberbürgermeister viel mehr sei, als nur Verwaltungsleiter, sondern auch noch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke und der Sparkasse – und der Hauptverantwortliche für Müll und Trinkwasser.
Zwischendurch erzählt er immer wieder Persönliches: Dass er mit seiner Familie bislang nur zwei Mal in den Urlaub geflogen ist und ansonsten lieber das Auto nehme. Er berichtet auch von seinem studentischen Nebenjob als Nachtwächter im Neuenheimer Feld. Mit Ronny, dem Schäferhund. Er musste Geld verdienen, wollte nie abhängig sein. "Deshalb bin ich auch nie in eine Partei eingetreten."
Doch plötzlich muss Würzner das Gespräch beenden. Er hat seinen Termin schon überzogen. Schnell beantwortet er noch die Frage, wie viel Prozent seiner Zeit schon jetzt für Wahlkampftermine draufgehen: 20. "Vor der Wahl werde ich aber noch meinen ganzen Resturlaub nehmen." Dann setzt er seinen Fahrradhelm auf, verabschiedet sich und rauscht auf dem Pedelec den Hang hinunter.