Heidelberg verfehlt Ziele auf dem Wohnungsmarkt klar
2020 entstanden nur 544 neue Appartements. Die Branche stößt an ihre Grenze, zumal immer mehr Menschen allein wohnen.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Jährlich sollten 800 neue Wohnungen in Heidelberg entstehen. Dieses vom Gemeinderat gesetzte Ziel verfehlt Heidelberg seit Jahren. Im Jahr 2020 kamen unter dem Strich gerade einmal 544 neue Appartements hinzu, 26,4 Prozent weniger als 2019. Besonders kurios: Exakt so viele Baugenehmigungen – 544 Stück – erteilte die Stadt auch im gesamten letzten Jahr.
Das alles geht aus dem aktuellen Bautätigkeitsbericht vor, den Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck und Gabriela Bloem, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, an diesem Donnerstag vorstellten. Bis 2035 werde Heidelberg um 25.000 Einwohner wachsen, prognostiziert Odszuck: "Und unsere Aufgabe ist es, diese Nachfrage zu bedienen." Besonders habe die Stadt dabei die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen im Blick, die sich aus eigener finanzieller Kraft eine Wohnung in Heidelberg nicht leisten könnten. Die wichtigsten Fragen und Antworten des Bautätigkeitsberichts im Überblick.
Woran liegt es, dass Heidelberg seine Ziele im Wohnungsbau verfehlt? Es habe nicht nur etwas mit den erteilten Baugenehmigungen zu tun, so Odszuck. 544-mal gab die Stadtverwaltung 2020 grünes Licht für Neubauten, 1600 bereits genehmigte Wohnungen warten allerdings noch auf ihre Fertigstellung. Zum Teil seien die Projekte schlicht noch nicht fertig geplant, dies sei zum Beispiel auch auf dem Hospital-Gelände in Rohrbach der Fall, wo einige Architektenwettbewerbe noch nicht beendet wurden, erklärt der Baubürgermeister: "Hinzu kommt, dass die Branche an ihre Grenze kommt." Lieferengpässe beim Baumaterial wie zum Beispiel beim Holz, aber auch der Fachkräftemangel tun ihr Übriges.
Wie steht Heidelberg im Vergleich da? Gar nicht so schlecht. In den Jahren von 2010 bis 2020 wuchs der Wohnungsbestand um 7,2 Prozent. Im Vergleich zu den anderen Stadtkreisen in Baden-Württemberg steht nur Heilbronn mit 7,8 Prozent besser da. Mannheim konnte hingegen nur eine Steigerungsrate von 3,9 Prozent verzeichnen.
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In welchem Stadtteil entstehen die meisten Wohnungen? Immer noch in der Bahnstadt. Mehr als jedes zweite Appartement wurde dort gebaut – genauer gesagt sind es 51 Prozent. Doch die Südstadt mit dem Mark-Twain-Village und den Campbell Barracks holt gewaltig auf. Rund 500 Wohnungen sind auf den Konversionsflächen bereits genehmigt – 1624 werden in den nächsten Jahren in diesem Gebiet neu auf dem Markt erwartet. Aktuell kam auch Kirchheim eine große Bedeutung hinzu: 21 Prozent der Neubauwohnungen entstanden in diesem Stadtteil, allein 86 von 110 im "Höllenstein".
Wie viele Menschen kommen in einer Wohnung unter? Die sogenannte Belegungsdichte nimmt in den letzten 20 Jahren ab. Teilten sich vor zwei Jahrzehnten noch im Durchschnitt 2,2 Personen eine Wohnung, so sank diese Zahl im letzten Jahr auf 1,9. "Am Anfang wurden auch in der Bahnstadt relativ viele kleinere Appartements errichtet", so Odszuck: "Inzwischen gibt es aber einen Strategiewechsel." 55 Prozent der genehmigten Neubauwohnungen hätten inzwischen drei Zimmer und mehr. Gerade für die Klientel, die in Heidelberg nur selten eine Bleibe findet, sei das eine gute Nachricht: Familien, die bereits ein Kind haben und ein zweites erwarten. Die durchschnittliche Wohnungsgröße im Neubau beträgt 71,8 Quadratmeter.
Wie sieht es mit gefördertem Wohnraum aus? In Heidelberg gibt es inzwischen mehr als 78.000 Wohnungen, davon werden 5639 oder 7,2 Prozent gefördert. Seit vier Jahren gibt es in diesem Bereich eine Steigerung. Für Odszuck ist diese Zahl aber wenig aussagekräftig. Schließlich werden in der Gesamtzahl aller Wohnungen auch Einfamilienhäuser erfasst. "Wenn man nur den Mietwohnungsmarkt betrachtet, liegt der Förderanteil bei rund 15 Prozent", betont der Baubürgermeister.
Wo gibt es noch Wachstumspotenzial? Außer in der Südstadt vor allem in Patrick-Henry-Village (PHV). "Die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren wird von keinem Gebiet so abhängen wie von PHV", so Bloem. Als mögliche Reserve sieht Odszuck nur noch den Wohnsportpark Kirchheim – das Gelände zwischen den Patton Barracks und Kirchheim: "Wir haben die Entwicklung dieses Areals mit Absicht etwas zurückgestellt." Denn es wäre problematisch, wenn die gesamte Entwicklung Heidelbergs in den nächsten Jahren einzig von PHV abhängen würde. "Noch mehr Flächen zu entwickeln, wäre für Heidelberg nicht verträglich", glaubt Odszuck. Derzeit gelte in der Kommunalpolitik der Grundkonsens, keine weiteren landwirtschaftlichen Flächen zu bebauen.
Kann die Stadt gegensteuern? Die städtische Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) besitzt bereits heute 9,4 Prozent aller Heidelberger Wohnungen und ist der größte Vermieter. Doch abgesehen von der Umwandlung der ehemaligen US-Flächen seien der Verwaltung häufig die Hände gebunden, gibt Odszuck zu: "Man muss sich auch die Frage stellen, ob nicht bald die Grenzen des Wachstums erreicht sind."



