Kriminalstatistik Heidelberg

Der Abstand zum rauen Mannheim wird immer kleiner

Zwar gibt es weniger Einbrüche und Diebstähle, aber bei Raub und Körperverletzungen gibt erhebliche Zuwächse.

27.03.2019 UPDATE: 28.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Die sogenannte Häufigkeitszahl misst die Kriminalitätsbelastung eines Gebietes oder einer Kommune. Dazu wird die Gesamtzahl aller Delikte auf 100 000 Einwohner berechnet – und hier liegt Heidelberg landesweit auf Platz 3. Grafik: RNZ-Repro

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Der erste Blick auf die Heidelberger Kriminalitätsstatistik mag vernichtend ausfallen: In allen baden-württembergischen Großstädten geht die Gesamtzahl der Delikte zurück, nur hier nicht. Heidelberg, bis vor einigen Jahren eine relativ friedliche Stadt, gehört zu den Kommunen mit der höchsten Kriminalitätsbelastung. Der Abstand zum rauen Mannheim wird immer kleiner (siehe Grafik).

Aber das ist nur der erste Blick, denn Heidelberg hat seit 2015 ein Ankunftszentrum für Flüchtlinge, das sich massiv in der Statistik niederschlägt. Rechnet man die Delikte heraus, die nur Asylbewerber - zum Stichtag 17. Dezember 2018 waren es 1570 (2017: 2137) - begehen können (zum Beispiel Verstöße gegen Aufenthalts- und Meldeauflagen), ging 2018 die Kriminalität in Heidelberg im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Prozent zurück.

Hintergrund

Straftaten in Heidelberg 2018

Straftaten gesamt: 16.656 (+1,9%)

Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße: 14.504 (-1,6%)

Aufklärungsquote: 63,7% (+3,3%)

Zunahme nach Delikten:

Ausländerrechtliche

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Straftaten in Heidelberg 2018

Straftaten gesamt: 16.656 (+1,9%)

Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße: 14.504 (-1,6%)

Aufklärungsquote: 63,7% (+3,3%)

Zunahme nach Delikten:

Ausländerrechtliche Verstöße: +34,4% (2152 Fälle)
Vergewaltigung/sexuelle Nötigung: +34,5% (160)
Schwarzfahren: +30,2% (888)
Raub: +19,4% (86)
Betrug durch angebliche Polizeibeamte: +17,2% (401)
Schwere/Gefährliche Körperverletzung: +10,1% (403)
Wohnungseinbruch: +4,5% (116)

Rückgänge nach Delikten:

Autoaufbrüche: -51,9% (189 Fälle)
Taschendiebstahl: -35,8% (518)
Diebstähle insgesamt: -11,2% (5762)
Ladendiebstahl: -7,3% (1628)
Rauschgift: -5,3% (1096)

Delikte nach Stadtteilen:

Altstadt: 2225 (-417)
Bahnstadt: 350 (-116)
Bergheim 2480 (-97)
Boxberg: 207 (+40)
Emmertsgrund: 410 (+67)
Handschuhsheim: 857 (-163)
Kirchheim: 3450 (+622)
Neuenheim: 1212 (+207)
Pfaffengrund: 596 (+102)
Rohrbach: 1123 (+113)
Schlierbach: 142 (+55)
Südstadt: 232 (-166)
Weststadt: 1114 (-77)
Wieblingen: 595 (+/- 0)
Ziegelhausen: 306 (-3)
Stadtteil nicht zuordenbar: 1357 (-51).

Tatverdächtige:

Gesamt: 6278 (+261)
Ausländer: 2695 (-150, Anteil: 42,9%)
Asylbewerber: 1303 (+106, Anteil: 20,7%)

Nationalitäten der 6278 Tatverdächtigen (nur Delikte ohne ausländerrechtliche Verstöße):

Deutschland (3583)
Türkei (213)
Rumänien (163)
Tunesien (160)
Algerien (143)
Gambia (136)
Syrien (120)
Polen (101) hö

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Es gibt aber noch etwas mehr Licht: Die Straftaten, die in den letzten Jahren die Bevölkerung mit am meisten beunruhigten, Diebstähle, Autoaufbrüche und Wohnungseinbrüche, gehen deutlich zurück oder stagnieren - wie bei den Einbrüchen - auf niedrigem Niveau, wie der Leiter des Reviers Mitte, Uwe Schrötel, gegenüber der RNZ betonte: "Gerade bei den Einbrüchen hatten wir noch 2014 die dreifachen Fallzahlen." Insofern sieht er, alles in allem, "ein relativ gutes Ergebnis", zumal sich ja auch die Einwohnerzahl Heidelbergs erhöht hatte: "Wenn es mehr Menschen gibt, gibt es mehr Kriminalität."

Und doch bereitet ihm vor allem eines Sorge, die "Rohheitsdelikte", also wenn Gewalt im Spiel ist: "Gerade bei Raub und der gefährlichen Körperverletzung haben wir erhebliche Zuwächse seit 2014, teilweise sogar eine Verdoppelung. Das ist für uns ein brennendes Thema." Darunter zählen auch deutlich mehr Tätlichkeiten gegen Polizisten, wogegen die kürzlich vorgestellten Bodycams Abhilfe schaffen sollen.

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Schrötel erwähnt aber auch ein neues Instrumentarium, das man seit einem halben Jahr gegen Mehrfach-Gewalttäter einsetzt: Wer das zweite Mal Gewalt angewendet hat, kann mit einem Aufenthaltsverbot von drei Monaten für die Altstadt belegt werden - bei Verstoß muss man 500 Euro Strafe zahlen. Noch gab es nicht richtig viele solcher Aufenthaltsverbote, aber Schrötel weiß: "Das spricht sich in der Szene herum."

Ein weiterer Brennpunkt war lange die Neckarwiese mit dem Drogenhandel. "Wir haben hier aufgeräumt", sagt Polizeipräsident Thomas Köber - und meint damit auch die deutlich höhere Polizeipräsenz. Nach wie vor sind hier Asylbewerber, vor allem Gambier, unter den Tatverdächtigen weit überrepräsentiert. Das gilt auch für andere Delikte wie Ladendiebstahl und Schwarzfahren, "typische Armutskriminalität", sagt Köber.

Er erklärt dieses Verhalten auch mit der geringen Bleibeperspektive vieler Flüchtlinge, die in Heidelberg wohnen: Wer weiß, dass er wohl nicht mehr lange bleiben darf, der hält sich weniger streng an Recht und Gesetz - zumal ihm vielleicht, wie im Fall der vielen alleinreisenden Männer, die disziplinierende Hand des Familienverbandes fehlt.

Und außerdem: Ein Großteil, der in Heidelberg begangenen Straftaten ist importiert: Fast die Hälfte aller Tatverdächtigen, egal ob Deutscher oder Ausländer (inklusive Flüchtlinge), wohnt nicht in der Stadt.

Tatsächlich hat in den letzten Jahren auch unter Deutschen ein gewisser Normenwandel gegriffen: Die Neigung, (weiche) Drogen zu konsumieren, ist spürbar gewachsen und wird immer stärker gesellschaftlich anerkannt. Und Gewalt, zumal unter Alkoholeinfluss, nimmt deutlich zu.

Auch wenn es vielleicht der öffentlichen Wahrnehmung widersprechen mag: Vergewaltigungen sind eher rückläufig, während die der Nötigungen, vor allem wegen einer geänderten Gesetzeslage ("Nein heißt nein") eher ansteigen. Allerdings sind hier Asylbewerber mit einem Anteil von einem Viertel an den Tatverdächtigen (25 von insgesamt 99) relativ stark vertreten. Aber: "Die große Angst, dass Frauen auf offener Straße hinterrücks sexuell attackiert werden, ist unbegründet", sagt Köber.

Die große Frage beim vorgestellten Kriminalitätszahlenwerk ist, ob sich die vor einem Jahr mit dem Land vereinbarte Sicherheitspartnerschaft ausgewirkt hat. Die Ergebnisse wird zwar erst am morgigen Freitag Innenminister Thomas Strobl bei einem Vorort-Termin in der Altstadt vorstellen, aber es gibt einige Hinweise, dass sie sich schon jetzt positiv ausgewirkt hat:

Das sieht man, so paradox es klingen mag, an mehr Delikten: Mehr Polizisten auf der Straße decken auch mehr Straftaten, vor allem bei den Drogen, auf. Revierleiter Schrötel meint: "Die Sicherheitspartnerschaft ermöglicht uns, uns um die Themen zu kümmern, zu denen wir nicht gekommen sind." Und dieses "Kerngeschäft" (Schrötel) sind auch mehr Kontrollen an Kriminalitätsschwerpunkten, gerade auf dem Bahnhofsvorplatz. Da die Polizei diesen zu Bergheim zählt, sorgte er dafür, dass der Stadtteil - neben Kirchheim mit dem Ankunftszentrum - noch vor der Altstadt zu dem mit den meisten Delikten geworden ist.

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