Werden die Doppelverdiener bestraft?
In Teilzeit arbeitende Mutter beklagt sich über die höheren Elternbeiträge ab September

In der Kita sollen die Kinder gut aufgehoben sein. Heidelberg bietet das für einkommensschwache Familien kostenlos an. Symbolfoto: dpa
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Heidelberg ist stets unbändig stolz auf seine Kinderfreundlichkeit, das umfassende Betreuungsangebot in Kitas, die niedrigen Elternbeiträge. Und von September an sollen Familien mit geringem Einkommen noch mehr entlastet oder von Gebühren ganz freigestellt werden. Finanziert wird das auch dadurch, dass Familien mit einem Bruttoeinkommen ab 82.000 Euro - also sogenannte "Besserverdienende" - künftig mehr bezahlen müssen.
Das kann diese hart treffen: Virginia Hennes, Mutter von zwei Kindern im Alter von eineinhalb und dreieinhalb Jahren, ärgert sich: "Wir müssen auf einen Schlag für beide Kinder zusammen Mehrkosten von knapp 200 Euro monatlich entrichten", sagt sie.
Damit müssen Hennes und ihr Mann über tausend Euro Betreuungskosten im Monat bezahlen. Die Erhöhung sei finanziell kaum zu stemmen, erklärt Hennes: "Das zwingt uns, zu überlegen, ob sich eine Berufstätigkeit der Mutter finanziell überhaupt noch lohnt."
Bei der Beitragsbemessung solle eine Rolle spielen, ob beide Eltern berufstätig seien, findet die Heidelbergerin. "Eine finanzielle Entlastung für Geringverdiener, bei denen ein Elternteil zuhause bleibt, zulasten derer, die besser verdienen, weil beide Elternteile arbeiten, ist sehr unfair."
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Die Heidelberger Reform sei eine Bestrafung der Bemühungen einer gut verdienenden Frau, einer anspruchsvollen Erwerbstätigkeit nachzugehen, von der auch der Staat steuerlich profitiere, schreibt die junge Mutter dem Gemeinderat ins Stammbuch. "Der Staat sollte die Berufstätigkeit junger Mütter, auch in Teilzeit, fördern - und das unabhängig von ihrem Gehalt."
"Warum gehe ich arbeiten und opfere dafür wertvolle Zeit mit meinen Kindern?", fragt Hennes und gibt gleich die Antwort: "Nicht, um Kinderbetreuung zu finanzieren, sondern um meinen Kindern ein gutes Leben zu bieten. Kinder sind teuer und die Lebenshaltungskosten in Heidelberg sind es auch."
Die immensen Erhöhungen der Elternbeiträge für Doppelverdiener führten nun aber dazu, dass die Familien die Mehrbeträge durch die Berufstätigkeit gar nicht zur Verfügung hätten. "Warum bestraft die Stadt Heidelberg durch eine ungerechte Beitragsverteilung jene berufstätigen Mütter, die auf eine Kinderbetreuung angewiesen sind?", fragt Virginia Hennes.
Die Stadt verteidigt das neue sechsstufige Entgeltsystem für Kindertageseinrichtungen, für das alle Eltern neu eingestuft werden. "Die Neuregelung hat unter anderem den Effekt, dass für Kinder aus einkommensschwachen Familien vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt bis zu zehn Stunden täglich eine kostenfreie Betreuung in Krippen, Kindergärten und der Tagespflege möglich ist", sagt eine Sprecherin auf RNZ-Anfrage.
Mehr als die Hälfte der Heidelberger Eltern profitiere finanziell von der Neuregelung. Familien mit höheren Einkommen zahlten dagegen etwas mehr als vorher. Das Kinder- und Jugendamt führe derzeit aber mit Eltern viele individuelle Gespräche zur Neueingruppierung.
"Dabei hat sich gezeigt, dass in Einzelfällen Eltern fälschlicherweise das Bruttoeinkommen auf dem Gehaltszettel statt des steuerbereinigten Brutto - das deutlich niedriger als 82.000 Euro ist - als Wert für die Einstufung heranziehen und dadurch eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung fürchten", erläuterte die Sprecherin. Das Kinder- und Jugendamt kläre dies in individuellen Gesprächen mit den Eltern.



