Dekan Alexander Czech verlässt Heidelberg
"In der Kirche finden Menschen Lebenshilfe", sagt der katholische Geistlicher, der nach 14 Jahren nach Freiburg wechselt, um Seelsorger zu begleiten.

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der katholische Dekan Alexander Czech (55) verlässt Heidelberg. Er wird in Freiburg die Leitung der Stelle "Seelsorger für Seelsorgende" für das gesamte Erzbistum übernehmen und auch als Priester in Freiburg-Ost mitarbeiten. Mit der RNZ sprach Czech über den Wert des Glaubens, die neue Form von Kirche und die ganz besondere Heidelberger Gesellschaft.
Herr Czech, seit Sie vor vier Jahren Dekan in Heidelberg wurden, hat sich eine Menge getan auf der Welt: Corona, Krieg in der Ukraine und in Israel, im Vatikan wurde ein Kardinal zu einer Haftstrafe verurteilt wegen Veruntreuung, Amtsmissbrauchs und Bestechung. Was macht das alles mit Ihnen? Sprechen Sie inzwischen anders mit den Gläubigen?
Der Grund dessen, was ich verkündige, ist das Vertrauen in Jesus. Und die Erfahrung: Wenn ich eine Beziehung zu ihm aufbaue, ändert sich mein Alltag, und ich erfahre Hilfe, die nicht von dieser Welt ist. Die Herausforderung der Corona-Pandemie, was Einsamkeit, Existenznöte oder auch das Vernetzt-sein-Können betrifft, war mit unheimlichen Ängsten verbunden.
Und die Kriege?
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Sie verunsichern uns zutiefst. Menschen, die sich auf Jesus Christus ausrichten können, haben aber einen Grund, der sie trägt. Sie bekommen für jeden Tag die Kraft, die sie brauchen.
Verstehen Sie, dass viele Menschen nichts mehr mit der Kirche anfangen können? Nur die Hälfte der Deutschen gehört noch einer christlichen Kirche an. Eine Forsa-Umfrage ergab kürzlich einen riesigen Vertrauensverlust. Nur acht Prozent der deutschen Bevölkerung haben angeblich noch großes Vertrauen in die katholische Kirche.
Ich kann es nachvollziehen, wenn ich die Skandale und Schwierigkeiten der Kirche sehe. Das leidige Thema Missbrauch, das jetzt aufgearbeitet wird, hat viel Vertrauen zerstört. Aber Kirche ist nicht Missbrauch, ist nicht Skandal. Es ist ein Raum, in dem Menschen Lebenshilfe finden können, die es nirgends sonst gibt.
Was müssen Kirchen anders machen, um Menschen anzuziehen?
Wir stellen uns in der Heidelberger Stadtkirche schon anders auf, wie wir Glaube, Leben und Gottesdienst feiern und das Engagement der Kirchenmitglieder integrieren können. Damit stoßen wir auf gute Resonanz, zum Beispiel, wenn ich an "Ni-Ko" denke. Das ist das geistliche Zentrum der katholischen Stadtkirche in der Bonifatius-Kirche, ein Ort, an dem die Menschen Erfahrungen mit Gott machen können.
Was heißt das konkret?
Der Gottesdienst, der sonntags um 18.30 Uhr stattfindet – künftig acht Mal im Jahr –, beginnt in der Lounge, in der man in Beziehung kommen kann mit dem Ni-Ko-Team. Wir singen Lobpreis-Lieder, die die Herzen öffnen können, eine Band ist dabei, wir geben Inspirationen, stehen schließlich auch vor dem Altar und machen die intensive Erfahrung der Eucharistie. Der Gottesdienst schließt mit Einzelsegen und einem Ausklang in der Lounge. Da kommen 80 bis 90 Leute.
Auch junge Leute?
Es kommen viele junge Leute und Menschen, die sich nach anderen Gottesdienst-Formen sehnen. Wir bieten auch einen Tag der Kontemplation für 20 Personen im Bonifatius-Haus an, mit Meditation, Seelsorge und dem Sakrament der Versöhnung.
Was bedeutet dieses Sakrament?
In der Volksfrömmigkeit ist das die Beichte. Jeder hat seine Last, hat Dinge, die nicht gut verlaufen sind. Hier können die Menschen eine Befreiungserfahrung machen.
Wie weit ist der Zukunftsprozess Kirchenentwicklung 2030 in Heidelberg gediehen?
In Heidelberg und Eppelheim sind wir ja schon Stadtkirche. Wir haben vor 12, 13 Jahren vorweggenommen, was in der ganzen Erzdiözese umgesetzt wird. Jetzt müssen wir nur weiterplanen, wie wir die Pfarrei in die Zukunft führen können. "Ni-Ko" gehört dazu. Wir brauchen aber auch ein anderes Leitungsmodell, einen leitenden Pfarrer und verschiedene Gremien, in der die Laien Entscheidungsrecht haben. Wir testen gerade das Modell, ob es funktioniert.
Wie viele katholische Priester gibt es noch in der Stadt?
Das sind Johannes Brandt und ich, Vikar Daniel Johann und Kooperator Chinedu Nweke zu 50 Prozent. Für zwölf Einzelgemeinden. Eine Gemeinde – ein Pfarrer, das können wir schon lange nicht mehr aufrechterhalten. Laien feiern jetzt Gottesdienste und werden dazu ausgebildet und beauftragt. Auch die Gottesdienstangebote sind unterschiedlich, zum Beispiel in St. Bonifatius in der Weststadt, wo Interessierte neu andocken können, oder der Familienschwerpunkt in St. Johannes in Rohrbach.
Werden Sie einen Nachfolger haben? Mit Ihrem Weggang fehlen ein Dekan, ein Priester und ein leitender Pfarrer.
Ab 2026 gibt es keine Dekane mehr. Wir werden im Erzbistum Freiburg noch 36 große statt 324 kleinere Pfarreien haben. Die Aufgaben der bisherigen 27 Dekanate werden neu strukturiert und anders zugewiesen. An meiner Stelle in Heidelberg wird möglicherweise ein Interims-Dekan bestellt. Auch meine Position als Priester soll aufgefüllt werden. Aber es gibt keine Garantie, dafür müsste auch ein Priester verfügbar sein.
Priester kann man ja bis zum Lebensende sein.
So lange, wie man gesund ist. Pensionierte Priester stellen sich auch immer je nach ihren Kräften für Aufgaben in der Kirche zur Verfügung.
Was wird Ihnen von Heidelberg in Erinnerung bleiben?
Heidelberg ist eine besondere Stadt mit besonderen Menschen und besonderen Möglichkeiten. Ich habe die Lebensqualität genießen dürfen und dass die Angebote der Kirche wahrgenommen werden. Ich habe auch den Anspruch aller an die Qualität geschätzt. Nach 14 Jahren nehme ich einen großen Schatz an besonderen Erfahrungen mit.
Warum gehen Sie weg?
Wenn die Dekanate in zwei Jahren aufgelöst werden, wäre ich 16 Jahre lang hier gewesen. Es war eine wichtige Zeit für mich, aber es ist gut, zu wechseln und neue Inspirationen zu ermöglichen.
Schauen wir in Ihre Zukunft. Sie werden in Freiburg wieder Priester sein, hauptsächlich aber Seelsorger der Seelsorgenden. Was ist das?
Wenn sich Kirche und Gemeinden fundamental verändern, wird es eine neue Form von Kirche geben. Die alten hauptamtlichen Berufsgruppen kommen in starke Verunsicherung, weil sich ihre Rolle ändert. Das führt zu existenziellen Krisen und betrifft auch schon engagierte Laien. Darauf hat der Erzbischof reagiert und acht Stellen geschaffen als Seelsorger für die Seelsorgenden, um die Kollegen zu begleiten und damit Ressourcen zu heben, die sie haben, und das Fundament zu stärken. Es ist eine absolut sinnvolle Aufgabe für mich. Ich leite für die Erzdiözese den ganzen Bereich und bin selbst Ansprechpartner für den Bereich Freiburg-Breisgau-Hochschwarzwald. Seelsorger für die Seelsorgenden werden dringend gebraucht. Da schöpfe ich aus meiner Erfahrung als leitender Pfarrer und Dekan, das ganze Spektrum bekomme ich schon all die Jahre mit.
Da hilft wohl Ihre zweijährige Ausbildung in Change-Management an der Führungsakademie des Landes Baden-Württemberg vor einigen Jahren.
Diese Ausbildung hat auch meine Persönlichkeit geprägt, und sie hat mir schon geholfen im Transformationsprozess in Heidelberg. In Heidelberg habe ich viel mit Menschen zu tun, die es gewohnt sind, Projekte anzupacken. Diese besondere Gesellschaft hier hat mir viele Erfahrungen ermöglicht.
Info: Die Verabschiedung von Dekan Czech wird am Sonntag, 7. Januar, um 16 Uhr mit einem Gottesdienst in der Jesuitenkirche gefeiert.



