Hitler und Trump statt Hakenkreuz

Unbekannter bringt Plaketten unter Reichsadlern der Campbell Barracks an

Mysteriöse Kunstaktion in Heidelberg - Stadt will sie entfernen lassen

17.11.2019 UPDATE: 18.11.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 48 Sekunden
Schwieriges Erbe: die Reichsadler (nun mit Plaketten) und die Soldatenfiguren an den Campbell Barracks in der Südstadt. Foto: Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Eine mysteriöse Kunstaktion erinnert an das NS-Erbe der Campbell Barracks in der Südstadt. Am Freitag vor einer Woche brachte am helllichten Tag ein unbekannter Künstler zwei Plaketten an der Römerstraße an: Die eine zeigt Adolf Hitler, die andere US-Präsident Donald Trump, jeweils karikaturistisch verfremdet.

Hintergrund

> Die Campbell Barracks in der Südstadt wurden 1937 errichtet, weil im Zuge der Wehrmachtsaufrüstung die Grenadier-Kaserne (heute Patton Barracks) zu klein wurde. 1938, nach der Annexion Österreichs, erhielt sie den Namen "Großdeutschland-Kaserne". Nach dem Einmarsch der

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> Die Campbell Barracks in der Südstadt wurden 1937 errichtet, weil im Zuge der Wehrmachtsaufrüstung die Grenadier-Kaserne (heute Patton Barracks) zu klein wurde. 1938, nach der Annexion Österreichs, erhielt sie den Namen "Großdeutschland-Kaserne". Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Heidelberg an Ostern 1945 wurde sie beschlagnahmt. 1947 zog das Hauptquartier des US-Oberkommandos für Europa ein; seit 1967 war hier auch der Sitz der 1943 aufgestellten Siebten US-Armee, die gegen Weltkriegsende große Teile Süddeutschlands besetzt hatte – seitdem waren diese Armee und das US-Hauptquartier deckungsgleich. Auch die Nato verlagerte nach Ende des Kalten Krieges immer mehr Kommandobereiche hierher, schließlich wurde daraus ihr Hauptquartier für die Landstreitkräfte in Europa. Nachdem im Juni 2010 das US-Verteidigungsministerium bekannt gegeben hatte, die Armeestandorte in der Region aufzugeben, holte die Nato im März 2013 und die US Army ein halbes Jahr später ihre Fahnen in den Campbell Barracks ein. Benannt sind sie seit 1948 nach Staff Sergeant Charles L. Campbell, der am 28. März 1945 bei Kämpfen in Mannheim gefallen war. (hö)

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Damit setzt der Unbekannte ein Zeichen: Bei der friedlichen Umnutzung des Geländes – hier zieht nicht nur der neue Karlstorbahnhof ein, sondern auch ein neues Kreativwirtschaftszentrum samt neuem Park – kümmerte man sich bisher kaum um die sichtbaren Reste der NS-Geschichte, schließlich war der Gebäudekomplex in seinen ersten acht Jahren eine Wehrmachtskaserne.

Nach wie vor stehen an der Einfahrt zwei mächtige Sandstein-Reichsadler, die in ihren Krallen einen Eichenlaubkranz halten – und in der Mitte prangte bis 1945 das Hakenkreuz; die Amerikaner ersetzten es durch das Emblem ihrer Siebten Armee (und gleichzeitig des US-Landkommandos für Europa). Und als die weggingen, war der Eichenlaubkranz leer, nun fügte der Unbekannte seine eigenen Plaketten ein: Die eine, die mit dem Hitlerkonterfei, widmete er Georg Elser, der am 8. November 1939 versuchte, im Münchner Bürgerbräukeller Hitler mit einer Bombe zu töten. Und just zum 80. Jahrestag dieses Attentats brachte der Aktivist seine Plakette an.

Die Reichsadler an der Mauer an der Römerstraße zu den Campbell-Barracks halten keine Hakenkreuze mehr in ihren Krallen, sondern das Porträt von Adolf Hitler. Foto: Rothe

Aber wieso zeigt die dann Hitler und nicht Elser? Der Unbekannte, der die RNZ kontaktierte (aber seinen Namen nicht nennen wollte), erklärt: "Hitler ist der Ausdruck des Wahnsinns, des historischen Wahnsinns – und unter dem Reichsadler soll das provozieren. Außerdem wollte ich eine Brücke in die Gegenwart, also zu Trump, schlagen. Ich stelle mir die Frage: Wie geht eine Gesellschaft damit um, wenn etwas krass schiefläuft?"

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Er wolle ja nicht unbedingt Hitler und Trump gleichsetzen, sondern auf die deutsch-amerikanische Geschichte dieses Gebäudes verweisen – und natürlich auch ansonsten zum Nachdenken anregen. Die beiden Plaketten aus farbigem Beton befestigte er mit Kleber, zwei Schrauben dienen zur Absicherung. Als er vor elf Tagen in strömendem Regen an der viel befahrenen Römerstraße stand, gab es niemanden, der einschritt: "Wenn jemand in großer Selbstverständlichkeit an einer Mauer arbeitet, fragt niemand nach."

Das Porträt von Donald Trump. Foto: Rothe

Bei der Stadtverwaltung reagierte ein Sprecher zunächst eher positiv auf die subversive Aktion – übrigens die erste des Unbekannten –, denn die befördere die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Erbe dieses Areals – zu dem auch die vier Soldatenreliefs am Torportal gehören. Doch kurz darauf ruderte er nach Bedenken des Denkmalschutzes zurück: "Derartige Veränderungen, wie sie nun vorgenommen wurden, sind nicht zulässig und stellen eine Sachbeschädigung dar. Die Stadt wird sie daher entfernen." Er verweist auf den geplanten "Anderen Park", der mit seiner Konzeption als Begegnungsort bewusst mit der militärischen Vergangenheit des Geländes breche.

Wie man mit den beiden Adlern und den Soldatenfiguren in Zukunft umgehen will, steht aber noch nicht fest: "Wir sind auch offen dafür, den konkreten Umgang mit einzelnen Objekten im Dialog mit den künftigen Nutzern zu besprechen."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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