Anil Ananthaswamy beschäftigt sich mit KI
Ihn fasziniert die Schönheit der Zahlen. Seine Artikel erscheinen überwiegend in englischsprachigen Fachzeitschriften.

Von Julia Lauer
Heidelberg. Künstliche Intelligenz, die selbst Künstliche Intelligenz erschafft. Vergleichbare Arbeitsweisen von Software und dem menschlichen Gehirn. Oder auch das Funktionieren von künstlichen neuronalen Netzwerken: Das sind die Dinge, mit denen sich der Wissenschaftsjournalist Anil Ananthaswamy beschäftigt. Seine Artikel erscheinen überwiegend in englischsprachigen Fachzeitschriften. Sie heißen beispielsweise "Quanta Magazine" oder "New Scientist".
Normalerweise verbringt der Journalist eine Hälfte des Jahres in Kalifornien und eine in Südindien, wo seine Mutter und seine Schwester leben. Nun ist er in Deutschland, ein Stipendium hat ihn ans Heidelberger Institut für Theoretische Studien (Hits) im Schloß-Wolfsbrunnenweg verschlagen.
Die private Forschungseinrichtung, die der SAP-Mitbegründer Klaus Tschira 2010 ins Leben rief, vergibt das Stipendium jährlich an einen Wissenschaftsjournalisten, dessen Interessen zu denen der Hits-Forscher passen. Bei Ananthaswamy ergibt sich die Überschneidung aus dem maschinellen Lernen, jenem Teilbereich der Künstlichen Intelligenz also, der Systeme zum automatischen Lernen befähigt.
"Es wird mir in Zukunft bei der Arbeit helfen, meine Kenntnisse auf diesem Gebiet zu vertiefen", meint Ananthaswamy beim Treffen in der Bibliothek der Forschungseinrichtung. Das klingt bescheiden, dabei hat Ananthaswamy auf diesem Terrain längst Wurzeln geschlagen. "Why machines learn" (Warum Maschinen lernen) lautet der Titel seines neuesten Buchs, das im Mai nächsten Jahres erscheinen soll.
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Thema ist die Mathematik, auf der maschinelles Lernen basiert – seit dessen Anfängen vor rund 70 Jahren. Die Arbeit daran hat der Autor abgeschlossen. "Mein Buch behandelt die mathematischen Grundlagen. Es geht darum, wie Maschinen aus Mustern in Daten lernen. Für die Leser werden darin lineare Algebra oder Statistik verständlich", verspricht er.
Am Hits verfolgt Ananthaswamy nun beispielsweise die Arbeit des Informatikers Jan Stühmer. Dieser leitet eine Forschungsgruppe zum Thema, und zu seinen Forschungsinteressen gehören die Analyse von Bildern und Anwendungen im Gesundheitswesen und den Lebenswissenschaften. Oder Ananthaswamy tauscht sich im Schloß-Wolfsbrunnenweg mit Kai Polsterer aus, der sich ebenfalls mit großen Datensätzen beschäftigt, allerdings im Bereich der Astroinformatik. So ziemlich jeden Tag, erzählt man am Hits, sitze Ananthaswamy mit anderen Wissenschaftlern in der Kantine beim Essen.
Ausgebildet in Madras und Washington, arbeitete Ananthaswamy zehn Jahre lang als Software-Ingenieur im kalifornischen Silicon Valley. Nebenbei schrieb er in seiner Freizeit fiktive Texte. Irgendwann beschloss er, das Schreiben zum Beruf zu machen – nun aber auf der Basis von Fakten. Um die Entwicklungen in Fachbereichen, die ihn interessieren, zu beobachten und darüber zu berichten, besuchte er ein einjähriges Master-Programm zum Wissenschaftsjournalismus.
Er arbeitete in einer Redaktion mit und veröffentlichte erste Artikel. "Es war ein langsamer Übergang", sagt er. Er gelang: Heute lebt Ananthaswamy, der kürzlich 60 Jahre alt wurde, sowohl von seinen Artikeln als auch von seinen Buchveröffentlichungen. Drei populärwissenschaftliche Werke hat er bisher auf den Markt gebracht. Eines davon, "Reisen an die Grenzen der Physik", in dem er die Leserschaft mitnimmt in die Welt der Kosmologie, liegt auch in deutscher Übersetzung vor.
Bei seiner Arbeit reicht Ananthaswamys Spektrum von Astronomie über Neurowissenschaften bis zu Mathematik. "Das sind die Bereiche, auf die ich neugierig bin. Immer geht es darum, die Natur und die physikalischen Gegebenheiten besser zu verstehen", erklärt er, wie seine Interessen gestreut sind. Dass sie nicht unbedingt so weit auseinanderliegen, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, zeigt die Künstliche Intelligenz – geht es dabei doch darum, Computern menschliches Denken näherzubringen.
Dass Ananthaswamy in diesem Zusammenhang auch die Mathematik als Themengebiet für sich entdeckte, hat auch mit den Reisebeschränkungen in Pandemie-Zeiten zu tun. "Ich saß in Kalifornien fest und begann, Online-Kurse zum maschinellen Lernen zu besuchen." Daran fand er Gefallen: "Die Schönheit und die Eleganz der Mathematik beeindruckten mich."
Mit der Künstlichen Intelligenz hat er sich einen Bereich ausgesucht, in dem sich zur Zeit sehr viel tut – Stichwort Chat GPT. Auch die von dem amerikanischen Unternehmen Open AI entwickelte Software, die Sprache versteht und erzeugt, basiert auf maschinellem Lernen – und nutzt dazu Mathematik. "Die Größe der Sprachmodelle und die Menge an Daten, die sie zum Lernen brauchen, sind immens", berichtet Ananthaswamy. Die darunterliegende Mathematik unterscheide sich aber kaum von derjenigen von anderen Formen Künstlicher Intelligenz.
Noch seien die Systeme anfällig für Fehler, aber in Zukunft würden sie in bestimmten Arbeitsbereichen immer mehr zur Bedrohung menschlicher Arbeitskraft, prophezeit er – und sagt diese Entwicklung auch für seine Branche voraus. Einfachere Aufgaben im Bereich der Textbearbeitung könnte die Technik bald übernehmen. "Von zwei Redakteursstellen bleibt dann vielleicht bald nur noch eine", meint er.
In Zukunft kann er sich vorstellen, sich auch wieder anderen Themen zuzuwenden: etwa der Astronomie. Einen längeren Aufenthalt in Chile, wo sich die meisten Großsternwarten befinden, fände er interessant. Dabei wartet im Moment noch die Landessternwarte auf dem Königstuhl darauf, von ihm entdeckt zu werden – direkt oberhalb seines Büros. "Vielleicht finde ich in den nächsten Wochen Zeit für einen Besuch", meint Ananthaswamy. Bis Ende Oktober ist er noch in der Stadt.
Info: Anil Ananthaswamy moderiert am Freitag, 29. September, von 10.45 bis 11.45 Uhr eine Diskussion zum Thema "Generative Artificial Intelligence: Promises and Perils" beim Heidelberger Laureate Forum. Sie wird live im Internet zu verfolgen sein unter dem Link https://kurzelinks.de/vxeh.




