Wie weit fortgeschritten ist die Künstliche Intelligenz bereits?
Die technologische Entwicklung schreitet immer schneller voran. Doch was steckt hinter Begriffen wie KI, Chat-GPT und Deep Learning?

Von Michael Abschlag
Heidelberg. Es war eine Mischung aus Staunen, Faszination und Beklemmung, die im November 2022 Menschen rund um die Welt erfasste. Damals wurde Chat-GPT vorgestellt – und machte zum ersten Mal sichtbar, wie weit fortgeschritten Künstliche Intelligenz bereits ist. Wie aber funktioniert sie, was sind Chancen und Risiken? Ein Überblick:
Was ist Künstliche Intelligenz? Von Künstlicher Intelligenz (KI), auf englisch artificial intelligence (AI), spricht man, wenn Computer nicht nur Anweisungen ausführen, sondern selbstständig handeln. Eine einfache KI wäre etwa ein Thermostat: Er misst die Temperatur, den Ist-Wert, vergleicht sie mit dem Soll-Wert, erhöht oder senkt die Temperatur, vergleicht wieder und so weiter – ohne dass man ihn bei jedem Schritt genaue Vorgaben machen muss. Heute können KI-Programme viele Aufgaben übernehmen, die man früher nur Menschen zutraute, etwa Texte schreiben, Daten auswerten, Schach spielen, malen oder komponieren. Sie lernen durch Informationen, die eingegeben werden. Eine effektive Form ist dabei das maschinelle Lernen.
Was ist maschinelles Lernen? Will man einem Programm etwas beibringen – zum Beispiel den Unterschied zwischen Hunden und Katzen – wäre der klassische Ansatz, die Unterscheidungsmerkmale der KI zu "erklären". Effektiver ist es, sie selbst üben zu lassen. Dazu werden möglichst viele Bilder von Hunden und Katzen eingespeist, wobei es unterschiedliche Methoden gibt. Beim begleiteten Ansatz würde man jedes Bild "beschriften", die KI orientiert sich daran und sucht nach Merkmalen und Unterschieden. Beim unbegleiteten Ansatz speist man Bilder ohne "Beschriftung" ein und wartet ab, was herauskommt – gut möglich, dass die KI auf eine Kategorisierung kommt, die dem Menschen bisher nicht eingefallen ist.
Was sind künstliche neuronale Netzwerke? Das menschliche Gehirn besteht aus Nervenzellen (Neuronen), die miteinander verknüpft sind. Wenn Menschen lernen, entstehen neue Verknüpfungen. Lernt man etwa eine Fremdsprache, werden bei jeder Vokabel neue Verbindungen geknüpft. Wiederholt man die Vokabel, wird die Verbindung jedes mal gefestigt; wiederholt man sie eine Weile nicht, schwächt sich die Verbindung ab.
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Künstliche neuronale Netzwerke sind dieser Funktionsweise nachempfunden. Die KI verknüpft selbstständig Informationen miteinander und schafft so stärkere und schwächere Verbindungen. Diese Methode nennt man Deep Learning.
Was ist Deep Learning? Deep Learning ("tiefes Lernen") bedeutet, dass die KI selbst Verbindungen knüpft, und das auf verschiedenen Ebenen. Wird etwa ein Bild eingespeist, so wird zunächst auf der ersten Ebene die Farbe jedes Pixels erfasst. Auf der zweiten Ebene werden die Pixel zum Gesamtbild verknüpft, auf der Dritten wird schließlich erkannt, was auf dem Bild zu sehen ist (Hund? Katze? Mensch?). Durch ständiges Training lernt die KI, welche Informationen wichtig sind und welche nicht. Wie genau sie beim Lernen vorgeht ist – wie beim menschlichen Gehirn – unklar.
Was ist Chat-GPT? Chat-GPT ist eine Künstliche Intelligenz, die für viel Aufsehen sorgte, weil sie – kostenlos und öffentlich zugänglich – Fragen beantwortet: Auf Wunsch liefert sie Informationen, schreibt Aufsätze, Kochrezepte oder Gedichte. Sie basiert dabei auf einem der größten neuronalen Netzwerke der Welt, was bedeutet, dass sie Zugang zu einer riesigen Fülle an Informationen hat. Die KI ist so programmiert, dass sie immer das passendste nächste Wort sucht – so hangelt sie sich von Wort zu Wort. Bisher ist die KI fehleranfällig, aber mit jeder Nutzung lernt sie dazu und entwickelt sich weiter. Inzwischen gibt es auch ähnliche Programme von anderen Anbietern, etwa dem Heidelberger Softwareunternehmen Aleph Alpha.
Was sind die Chancen? Künstliche Intelligenz kommt schon jetzt in vielen Bereichen zum Einsatz, etwa in Suchmaschinen, bei Spracherkennungssoftware oder bei Streamingdiensten. Sie kann aber etwa auch bei selbstfahrenden Autos eingesetzt werden oder – was teils schon geschieht – in der Medizin, um bestimmte Krankheiten zu erkennen.
Was sind die Risiken? KI lässt sich auch für Lüge und Propaganda einsetzen. Eine andere Gefahr besteht darin, dass die KI menschliche Vorurteile übernehmen könnte. Ein Beispiel wäre ein Programm, das für eine große Firma die Bewerbungen sichten soll. Die KI könnte die bisherige Einstellungspraxis analysieren und feststellen, dass selten Frauen und Migranten eingestellt werden – um dann, als Konsequenz daraus, deren Bewerbungen von vorneherein auszusieben.




