Heidelberger Theater

Für "Remmidemmi"-Festival sollen ukrainische Schauspieler kommen

Die Benefiz-Matinee des Stadttheaters brachte mehr als 40.000 Euro für die Opfer des Ukraine-Krieges ein.

13.03.2022 UPDATE: 14.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Das Philharmonische Orchester Heidelberg eröffnete die Matinee mit der ukrainischen Nationalhymne – und beendete sie mit einem Auszug aus Beethovens 7. Sinfonie. Foto: Reichardt

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Es war überaus beeindruckend und teilweise herzzerreißend, was das Heidelberger Theater am Sonntag in seiner Benefiz-Matinee auf die Bühne stellte. Nicht zuletzt der Tanz und die eindringlichen Appelle der jungen ukrainischen Choreografin Polina Atamanenko, die mit ihren Kindern erst vor fünf Tagen in Heidelberg angekommen war, ließen Tränen fließen. Publikum und Mäzene spendeten schließlich mehr als 40.000 Euro für die Arbeit der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Rhein-Neckar. Der Unternehmer Wolfgang Marguerre verdoppelte die Ticketeinnahmen der Matinee auf 33.400 Euro, Manfred Lautenschläger legte 5000 Euro dazu.

Mit der Veranstaltung soll das Engagement des Theaters aber nicht zu Ende sein. Intendant Holger Schultze spricht davon, für das "Remmidemmi"-Festival zum Thema Widerstand im Herbst ukrainische Schauspieler zu engagieren und eine Autorin als "Artist in Residence" zu beschäftigen. Auch bei den Maskenbildnern gibt es freie Stellen. "Es geht auch darum, Jobs zu schaffen", erklärte Schultze ganz klar.

Kontakt zur Ukraine hat das Theater, seit das Land im Jahr 2017 Partner des Stückemarktes war. Jürgen Popig, der leitende Schauspieldramaturg, hat die Künstler dort gefragt, wie es ihnen jetzt geht. Sie haben sich in ihrer Wohnung in Kiew verschanzt und kümmern sich um Wasser und Brot. Die damalige Gewinnerin des Internationalen Autorenpreises sitzt bei Bekannten in Polen und hat Angst um ihre Schwester in Charkiw. Ein Regisseur bricht seine Zelte in Moskau ab und will über Finnland in den Westen gelangen. Ein Schauspieler wurde eingezogen und wartet auf seinen Einsatz an der Front.

"Wir sind ohnmächtig, aber nicht tatenlos", verkündete Holger Schultze. Seine Künstler hatten die Idee zur Benefizveranstaltung und wandten sich mit ihren Darbietungen gegen einen Krieg in Europa, von dem man niemals geglaubt hätte, dass er möglich wäre. Das begann mit Reinhard Meys Chanson "Nein, meine Söhne geb’ ich nicht", vorgetragen von Steffen Gangloff und Esra Schreier. In "Grauzone" mit Nicole Averkamp und Andreas Uhse – ein Blogbeitrag vom Stückemarkt 2017 –, spricht eine Ärztin auf der Krim mit russischen Soldaten: "Ich bin Russin, mich müsst ihr nicht verteidigen." Was in den Köpfen der vom Krieg Betroffenen vorgeht – "was tun, wäre gut jetzt" –, trugen Sandra Bezler und Leon Maria Spiegelberg vor. Und alles über verlogene Herrscher und unmenschliche Taten war schon bei Tolstoi 1908 zu lesen, wusste Hans Fleischmann, der aus "Ich kann nicht schweigen" las.

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Tief bewegend waren die Gedichte von Wassyl Stus und Jelena Saslawskaja, die Marco Albrecht vortrug und die Jonathan Kliegel mit seiner Viola zu Musik machte. Erst recht beeindruckend war der offene Brief russischer Künstler "Nein zum Krieg", der gelöscht worden, aber aus der Tiefe des Internets wieder aufgetaucht war. Nicole Averkamp las ihn vor. Das Philharmonische Orchester und die Sänger begleiteten die Matinee, Yi-Wei Lo von der Dance Company veranschaulichte zu Strawinskis "Feuervogel" eindrucksvoll ein bedrängtes Dasein. Polina Atamanenko allerdings tanzt um ihr Leben. Sie bat das Publikum um Hilfe für ihr Land: "Die Ukraine kämpft für eine friedliche Zukunft für ganz Europa."

Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft war 1992 in der Region gegründet worden, um die Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl abzumildern. Viele Kinder kamen zu Erholungsaufenthalten, viele menschliche Verbindungen blieben, wie die Vorsitzenden Ernst Lüdemann und Kateryna Malakhova berichteten. Nach den Kriegshandlungen 2014 organisierte man Hilfe für ukrainische Binnenflüchtlinge und kümmerte sich bei ukrainischen Kindern in der Region Rhein-Neckar um Sprache und Kulturangebote. In den letzten zwei Wochen wurden ein Krankenwagen finanziert und auch 36 Lkw voller Lebensmittel, Medizin und Hygieneartikel in die Ukraine geschickt. Die Gesellschaft schafft diese Aufgabe personell kaum noch und braucht dringend Hilfe.

"Die Ukraine verteidigt auch uns, unsere Werte", unterstrich OB Eckart Würzner gestern im Theater. Er berichtete von russischen Studenten in Heidelberg, die wegen ihres Protestes gegen den Krieg mit Sanktionen belegt wurden, und von Hotelbetreibern, die Familien kostenlos aufgenommen haben. Dazu bat er die Bürger um Meldung freier Wohnungen.

Was braucht die Ukraine jetzt? Theater-Intendant Holger Schultze (r.) im Gespräch mit Ernst Lüdemann und Kateryna Malakhova von der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft. Foto: Reichardt
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