"Bridges" will traumatisierten Flüchtlingen mit Musik helfen
Denn Musik kann eine Brücke sein. Niedrigschwelliges Angebot für geflüchtete Menschen.

Von Laura Kress
Heidelberg. Aus einer Bluetooth-Musikbox tönt "Wildberry Lillet", und zehn Kinder tanzen dazu im Kreis – bis Musiktherapeutin Cordula Wormit die Musik stoppt. Wer wackelt, verliert. Gemeinsam mit ihrer Kollegin und Traumapädagogin Diane J. Pitzer lädt Wormit jede Woche in die Pfaffengrunder Flüchtlingsunterkunft zum "Spielraum Musik" ein, einer Stunde voller Tanz und Gesang. Der Musikunterricht ist Teil des Projekts "Bridges" der SRH Hochschule, das im Juli den mit 50.000 Euro dotierten zweiten Platz der Ferry Porsche Challenge belegte.
Den Song der Rapperin Nina Chuba haben sich die Kinder selbst ausgesucht, im "Spielraum Musik" sind sie es, die über die Liedauswahl entscheiden. Das Ergebnis: eine bunte Mischung aus Liedern aus den jeweiligen Herkunftsländern der Kinder sowie Songs deutscher Sänger wie Tim Bendzko. Wormit begleitet den Gesang der Kinder auf ihrer Gitarre. Die spielen auf Trommeln und mit Rasseln.
Schon im Jahr 2015 hat Wormit gemeinsam mit Sängerin Jutta Glaser ihre Idee eines niedrigschwelligen Musikangebots für geflüchtete Menschen in die Tat umgesetzt – nicht nur in der Unterkunft im Pfaffengrund, sondern auch in Rohrbach und Kirchheim. Seit März haben sie sich mit der SRH Hochschule zusammengeschlossen, die sie vor allem organisatorisch unterstützt.
Das Problem, das Wormit und Glaser aber von Anfang an beschäftigte: die Finanzierung. Die Erleichterung über das Preisgeld der Ferry Porsche Stiftung war deshalb groß. Das Bridges-Team nutzte es etwa, um andere Angebote wie Bandproben, interkulturelle Konzerte sowie Einzelunterricht in verschiedenen Instrumenten voranzutreiben.
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An erster Stelle steht für Wormit aber vor allem die Fortführung des "Spielraums Musik". "Die Kinder brauchen nach ihren teils traumatischen Fluchterfahrungen Kontinuität", sagt die Musiktherapeutin. Traumapädagogin Pitzer erklärt, dass manche Kinder noch immer in der Erinnerung an bestimmte Situationen gefangen seien.
"Durch die Musik versuchen wir, sie ins Hier und Jetzt zu holen." Um die Entwicklung der Kinder zu dokumentierten, fertigt Pitzer zu jeder Musikstunde ein Protokoll an, das sie anschließend mit ihrer Kollegin bespricht. Gerade diese Zusammensetzung aus musikalischer und pädagogischer Herangehensweise sei eine der Stärken des Projekts, findet Wormit.
Außerdem bringt der Musikunterricht die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft zusammen, was wegen der unterschiedlichen Kulturen, die dort aufeinandertreffen, nicht selbstverständlich ist. "Manchmal ist die Stimmung eher gedrückt, wenn wir ankommen. Nach und nach wird es dann aber gesellig", meint Wormit.
Und tatsächlich: Während zum Begrüßungslied nur fünf Kinder mit den Musiklehrerinnen im Stuhlkreis sitzen, sind es wenig später mehr als doppelt so viele. "Es ist nicht gerade Bullerbü, aber man kann es hier schön haben", sagt Wormit.
Gleichzeitig herrscht im "Spielraum Musik" ein großes Kommen und Gehen. Ein Teil der Kinder muss in seine Herkunftsländer zurückkehren; viele Familien schaffen es aber auch, sich in Heidelberg ein Leben außerhalb der Flüchtlingsunterkunft aufzubauen und in eine eigene Wohnung zu ziehen. "Wenn die Kinder nicht wiederkommen, bedeutet das meistens etwas Gutes", sagt Wormit. Manche von ihnen wechseln irgendwann in die Musikschule oder haben keine Zeit mehr, wenn sie in die Schule gehen. Wormit erklärt: "Das ist ja gerade die Idee von Bridges. Wir wollen Brücken bauen und eine Willkommenskultur vermitteln."



