Beim Konzert von Tim Bendzko kommt kaum Stimmung auf
Die fetten Jahre sind vorbei. Nur die Hits zünden.

Von Hannes Huß
Heidelberg. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, ob in der halle02 wirklich Tim Bendzko auf der Bühne steht oder nicht doch ein anderer der oft beschworenen "neuen deutschen Poppoeten". Denn statt Musik mit Wiedererkennungswert wirkt alles an seinem Auftritt austauschbar. Durch den Abend zieht sich kein roter Faden, die Stimmung wechselt von Song zu Song und dabei hat Bendzko gar nicht mal so viele Stimmungen dabei: Mitklatschen oder gar nichts. Es mutet beinahe tragisch an, als Bendzko zu seinem Überhit "Muss nur noch kurz die Welt retten" ansetzt und das Publikum überhaupt nicht gewillt ist, mitzusingen.
Irgendwie wabert durch die einigermaßen gut gefüllte halle02 das Gefühl, dass die fetten Jahre von Bendzko und seinen Brüdern im Geiste Max Giesinger, Wincent Weiss und Co. vorbei sind. Wo Bendzko früher die Stadien der Bundesrepublik vollsang, ist es jetzt eben das lauschige Heidelberg.
Sein neues Material vom 2023er-Album "April" scheint seinem Publikum kaum geläufig, die Single "Alleine in Paris" lässt die Besucher kalt. Jetzt, da seine unbedingte Starpower der 10er-Jahre verblasst ist, "April" erreichte gerade mal Platz 13 der Albumcharts, bleibt ein unverstellter Blick auf sein Werk.
Dieser Blick fällt nur leider nicht positiv aus. So wirklich zünden wollen nur die großen Hits der Vergangenheit wie "Keine Maschine" oder "Hoch". Lieder die hingegen schon auf ihren Alben mehr "Filler" als "Killer" waren gehen live vollständig unter. Bendzko hilft seinen Songs auch wenig, strahlt mehr das zynische Charisma eines Freikirchlers statt bedingungsloser Spielfreude aus. Irgendwann, nach endlosen Crashbecken, 4/4-Takten und Wandtattoo-Refrains drängt sich dann folgerichtig die Frage auf, weshalb man eigentlich zu einem Tim-Bendzko-Konzert gegen sollte.
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Nichts scheint aus dem Moment geboren, in aller technischen Perfektion wird die Spontaneität eines guten Konzertes erstickt und die schlecht kuratierte Setlist gibt der Konzerterfahrung den letzten Stoß: Man könnte sich stattdessen auch einfach wahllos Tim Bendzko-Musikvideos auf YouTube anschauen.
Besonders herausgestellt ist die Musikvideo-Atmosphäre des Konzerts beim diesjährigen "Parallelwelt". Unterstützt durch zwei Großaufnahmen seiner selbst auf der Leinwand, singt Bendzko seine gewohnt vage Lyrik vom Weltschmerz, der beim verbrannten Toastbrot am Mittwochmorgen gespürt wird: "Hab’ keine Kraft mehr gegen eine Wand zu reden, wenn für dich andere Regeln gelten." Nach dieser, und es gibt hier kein besseres Wort, Schnulze, springt Bendzko ohne irgendeine Form der Zwischenmoderation in eine seltsame kühle R’n’B-Nummer.
Irgendein Wort außerhalb seiner Songs ist ihm kaum zu entlocken, seine Form der Publikumsinteraktion beschränkt sich meist auf das Initiieren von Mitklatschern. Das bietet sich bei den durchgängigen 4/4-Takten natürlich an, die Atmosphäre erinnert in der Folge dann nur leider an das Abendprogramm eines All-Inclusive-Ferienclubs auf Mallorca.
Dass die kulturelle Omnipräsenz von Bendzko, Giesinger oder Mark Forster so langsam wirklich vorbei ist, lässt sich derweil am besten bei ihren Nachfolgern ablesen. Indie-Pop-Bands wie Provinz oder AnnenMayKantereit spielen ausverkaufte Shows im Kölner Palladium oder der Frankfurter Festhalle, während sie im Herzen dieselbe Musik wie Bendzko machen: Seichte Weltschmerzmusik von Beziehungen, die gerade zu Ende gehen oder frisch gestartet sind.
Die neue Welle dieser Bands – die bei denselben Labels wie Bendzko und Co. unter Vertrag sind – streicht das nur ein bisschen subkultureller an. Statt miefigem Schlagerpop spielen sie eine massentauglich verfremdete Form von 2000er- Indie-Rock, doch die Themen sind dieselben geblieben. Generalisierter Weltschmerz und eine gehörige Portion Kitsch.
Was bei Bendzko das "All die Ängste so weit weg, weit weg für dich" war, ist für Bands wie Provinz eben "Du kannst das Leben leicht nehmen, auch wenn es das nicht ist". Oder ist es doch andersrum und Bendzko singt von der Leichtigkeit des Lebens? Am Ende ist es nicht so wichtig.
Vielleicht sieht Bendzko diese Entwicklungen ja auch und kann endlich, befreit von der Last des Posterboys des deutschen Pops, den Berufsweg einschlagen, auf den sein Auftritt sowieso schon verweist: Animateur im Ferienclub.



