Fahrradfahren wie in Amsterdam und Kopenhagen?
Die Stadtverwaltung sieht ein "Plusnetz" mit Radwegen auf höchstem Standard vor – möglichst mit einer Trennung vom Autoverkehr.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Eine wichtige Brücke mitten in der Stadt. Dutzende Radfahrer sind unterwegs, fahren auf einer breiten Spur nebeneinander, überholen sich, wirken entspannt. Die Szene stammt nicht aus Heidelberg. Jasdeep Singh vom Mobilitätsamt hatte ein Foto aus Kopenhagen mitgebracht in den Klimaausschuss. Denn die Realität auf Heidelbergs Radwegen hat damit meist wenig zu tun. Bislang – denn Städte wie Amsterdam und Kopenhagen sollen als Vorbild dienen, wenn das Radwege-Netz verbessert werden soll.
Unter dem Titel "Radstrategie 2030" erarbeitet die Verwaltung gerade gemeinsam mit Experten, Gemeinderäten und Interessengruppen die große Vision. Im Herbst soll der Gemeinderat sie beschließen. Singh gab im Ausschuss einen Einblick in den aktuellen Stand.
Das Ziel ist klar: Der Radverkehr, schon jetzt wichtigstes innerstädtisches Fortbewegungsmittel, soll gestärkt werden. Das sei nicht nur ein wichtiges Mittel im Kampf gegen den Klimawandel, sondern reduziere auch Staus, steigere die Lebensqualität und die Gesundheit. Damit sich mehr Menschen auf den Sattel schwingen, braucht es jedoch die entsprechende Infrastruktur.

Anstatt wie meist in der Vergangenheit immer wieder einzelne kleinere oder größere Maßnahmen zu beschließen, soll nun in einem aufwendigen Prozess das große Ziel erarbeitet werden. In einem nächsten Schritt wird dann geschaut, wo der Handlungsbedarf am größten ist – und dann nach und nach Wege angelegt, Straßen umgebaut und Kreuzungen neu geordnet.
Vor allem beim Zielnetz will man sich dabei an den niederländischen und skandinavischen Vorbildern orientieren. Dort gibt es ein sogenanntes Plusnetz, wie Singh erläuterte: Besonders wichtige Achsen auf höchstem Standard, auf denen man bequem nebeneinander fahren und sich überholen kann – wie auf dem Foto. "Das gibt es bei uns noch nicht", so der Verkehrsplaner.
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Nach bisherigem Stand sind eine gute Handvoll solcher Plus-Strecken mit einer Breite von mindestens drei Metern (vier Meter bei Verkehr in zwei Richtungen) geplant – von Mannheim, Schwetzingen, Rohrbach, Neckargemünd und Dossenheim jeweils bis in die Innenstadt. Außerdem über die beiden zentralen Neckarbrücken sowie rund um die Weststadt.
Neben diesen zentralen Achsen soll das Hauptnetz ausgebaut werden – wichtige Strecken, die das Stadtgebiet durchziehen. Sie sollen mindestens 2,30 Meter breit sein (drei Meter bei zwei Richtungen), sodass es möglich ist, komfortabel nebeneinander zu fahren. Dazwischen verläuft das Nebennetz – Wege, die bis zur Haustür führen. Sie sollen immer noch eine Breite von mindestens 1,80 Meter (2,50 Meter) aufweisen.
Generell soll der Radverkehr überall – vor allem aber auf wichtigen Routen – getrennt vom Autoverkehr geführt werden. Das erhöhe die Sicherheit deutlich, wie Statistiken zeigen. Das habe auch eine Umfrage bestätigt, an der sich etwa 4000 Heidelberger beteiligt hatten. Demnach wollen die Menschen sich vor allem sicher fühlen beim Radfahren – "und das tun sie am ehesten bei getrennter Führung", so Singh.
Am besten sei eine bauliche Trennung – nicht bloß eine Linie auf dem Boden: "Farbe ist keine Infrastruktur", sagt Singh. Gemischten Verkehr soll es nach der Vision nur noch in Straßen mit Tempo 30 geben. Das bedeutet wiederum, dass in Straßen, in denen eine Trennung nicht möglich ist, das Tempo reduziert werden müsste.
Auch wenn im Namen der Strategie die Jahreszahl 2030 steckt, dürfte es länger dauern, bis das Netz realisiert wird. Bei einigen Straßen wird der Ausbau des Radweges sehr komplex. Bei anderen geht er nur zulasten des Autoverkehrs, was erfahrungsgemäß zu Debatten führt. Außerdem weist das Netz Lücken auf, wo es bislang gar keine Straßen gibt.
Auf einigen sind zwar bereits Neubauten geplant, etwa die Radbrücke über den Neckar und die Gneisenaubrücke. Für zwei weitere Flussquerungen im Bereich Wieblingen gibt es noch keinerlei Pläne. Wann welche Maßnahmen umgesetzt werden, soll in einem Workshop mit Experten im Juni erarbeitet werden.
Voraussichtlich im Spätherbst soll der Gemeinderat die Radstrategie beschließen. Den Abschluss soll dann eine öffentliche Veranstaltung bilden. Mobilitätsbürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain zeigt sich überzeugt, dass darauf deutliche Verbesserungen folgen: "Ich bin total zuversichtlich, dass das, was wir erarbeitet haben, auch umgesetzt wird", erklärte er.



