Heidelberg einst und jetzt

Altstadt-Pavillons wurden vom Schandfleck zum Atelier

Der Künstler Herbert A. Jung arbeitet heute mitten in der Altstadt. Früher war das Gelände "ein Trümmergrundstück".

04.02.2021 UPDATE: 05.02.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
„Das war ein Trümmergrundstück“, erinnert sich der Künstler Herbert A. Jung an das Gelände mit den historischen Pavillons, die zum Palais Nebel gehörten. Foto: Jung

Von Julia Lauer

Heidelberg. Baukräne in der Bahnstadt, große Pläne für die Konversionsflächen in der Südstadt und für Patrick-Henry-Village: Heidelberg verändert sein Gesicht. Auch in der Innenstadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums der Rhein-Neckar-Zeitung haben wir die Serie "Einst und jetzt" ins Leben gerufen – und alle Leser sind dazu aufgerufen, mitzumachen: Schicken Sie uns doch Fotos aus Heidelberg aus den vergangenen siebeneinhalb Jahrzehnten. Unsere Fotografen werden dann die gleiche Stelle noch einmal fotografieren und so den Wandel dokumentieren. Heute geht es um die Pavillons in der Semmelsgasse in der Altstadt.

Die Scheiben blind, das Dach voller Moos, und an der Fassade fehlte der Putz: Das war der Anblick, den die historischen Pavillons im Hinterhof des Palais Nebel 2006 boten. "Das war ein Trümmergrundstück", erinnert sich der Maler Herbert A. Jung, "ohne Wasser, Abwasser und Strom." Doch er ahnte, was sich daraus machen ließ – und entschied sich zum Kauf, als sich ihm die Gelegenheit bot.

Drei Jahre zuvor war Jung aus Brüssel an den Neckar gekommen. "Damals hatte ich aufgehört, als Chemiker zu arbeiten, und meine Frau ist Heidelbergerin", erklärt er die Wahl seiner neuen Heimat. Nach seiner Verrentung zog er in die Obere Neckarstraße und stürzte sich auf die Kunst. Was immer seine Leidenschaft gewesen war, wollte er nun systematisch zum Mittelpunkt seiner zweiten Laufbahn machen. Zunächst mietete er ein Atelier in Neidenstein bei Meckesheim, wo er seine Skulpturen und Gemälde schuf.

Auf die Pavillons wurde er aufmerksam, weil er in unmittelbarer Nachbarschaft wohnte. "Das Gelände war ein Schandfleck in der Altstadt, und man fragte sich, was damit passiert." Die "Bürger für Heidelberg" und eine Bürgerinitiative setzten sich für den Erhalt der Pavillons ein. "Sie wollten verhindern, dass sie dem Erdboden gleichgemacht würden, und ich schloss mich an", erinnert sich Jung. Die Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz GGH war die Besitzerin des Grundstücks, und sie plante, dort Reihenhäuser zu bauen. "Der Gemeinderat beschloss dann, dass die Pavillons nicht abgerissen werden dürften", erzählt Jung. Eine Entscheidung in seinem Sinne: "Wenn man in die Altstadt zieht, ist das ein Bekenntnis", meint er. Für ihn hieß das auch: zu der Stadt, zu ihrer Geschichte und zu ihren Gebäuden.

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Wer interessante Fotos aus den letzten 75 Jahren Heidelberger Stadtgeschichte hat, schickt diese bitte per E-Mail an folgende Adresse: stadtredaktion@ rnz.de, Stichwort "Einst und jetzt" – oder per Post an: Rhein-Neckar-Zeitung, Stadtredaktion, Neugasse 2, 69117 Heidelberg.

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Wer interessante Fotos aus den letzten 75 Jahren Heidelberger Stadtgeschichte hat, schickt diese bitte per E-Mail an folgende Adresse: stadtredaktion@ rnz.de, Stichwort "Einst und jetzt" – oder per Post an: Rhein-Neckar-Zeitung, Stadtredaktion, Neugasse 2, 69117 Heidelberg. Bitte schreiben Sie – wenn möglich – ein paar Zeilen, wann und in welchem Zusammenhang das Foto von wem aufgenommen wurde, und um was es sich dabei handelt. Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Originale gerne zurück, daher bitte auch die eigene Postanschrift angeben. Mit der Teilnahme stimmen Sie einer Veröffentlichung zu.

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Die Geschichte der Pavillons reicht weit zurück. Sie gehören zum Palais Nebel, jenem stattlichen, weiß getünchten Gebäude in der Heiliggeiststraße mit seinen rot eingefassten Fenstern und den hohen Räumen. Das Wappen an der Fassade über dem Eingang erinnert bis heute an die Familie, die das barocke Gebäude zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichten ließ: Bauherr war der Medizin-Professor Daniel Nebel, der einer renommierten Gelehrten-Familie entstammte. In seiner Freizeit widmete sich Nebel der Botanik, er züchtete exotische Pflanzen in seinem Garten hinter dem Haus, möglicherweise auch in einem der beiden Pavillons. Genau geklärt ist das aber nicht. "Einer der Pavillons war möglicherweise ein Stall", sagt Jung. Fest stehe hingegen, dass rund 200 Jahre später ein Kohlehändler und ein Schlossermeister in die Pavillons zogen, bevor sie verwaisten.

Ort des Geschehens

Jung hatte zunächst daran gedacht, eines von ihnen als Atelier anzumieten, die GGH bot ihm jedoch später beide zum Kauf an. Er sagte zu, und nach all den Jahren des Leerstands folgte eine aufwendige Sanierung. Dabei habe er versucht, die alte Bausubstanz möglichst zu erhalten, die Eisentreppe, die eisernen Sprossenfenster – und überhaupt sei es ihm ein Anliegen gewesen, so vorzugehen, dass er selbst gerne darin leben würde. Beide Pavillons ließ Jung zu Wohnhäusern herrichten; im westlich gelegenen wohnt heute eine Familie, im östlichen bezog Jung 2007 sein Atelier. Dort malt er nun abseits von der Straße und doch mitten in der Stadt. Jung sagt: "Hier arbeiten zu können, ist ein großes Glück."

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