Heidelberg

Zweigstelle der Stadtbücherei ist zu teuer

Der Kulturausschuss stimmte gegen einen zweiten Standort in der Südstadt. 2024 soll die Idee womöglich noch einmal beraten werden.

09.05.2023 UPDATE: 09.05.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Der Neubau am Marlene-Dietrich-Platz direkt neben dem Karlstorbahnhof wäre laut Stadt perfekt geeignet als Bücherei-Zweigstelle – mit rund 180 000 Euro jährlich für Miete und Nebenkosten aber aktuell auch zu teuer. Foto: Rothe

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Die Planungen für eine Zweigstelle der Stadtbücherei müssen warten. Finanzielle Mittel zur Einrichtung und zum Betrieb eines zweiten Standortes werden in den Doppelhaushalt 2023/24 vorerst nicht eingestellt. Das hat der Kulturausschuss in seiner Sitzung am Donnerstag entschieden. Doch zumindest eine Hintertür bleibt offen: Sollte das Haushaltsergebnis aus dem Jahr 2023 besonders gut ausfallen, soll nächstes Jahr noch einmal darüber beraten werden, ob die Verwaltung mittelfristig Gelder bereitstellt.

Seit 2010 verfügt die Stadtbücherei über keine dauerhafte Zweigstelle mehr – als einzige größere Kommune im Land (siehe unten). Um der Nachfrage in einer wachsenden Stadt gerecht werden zu können, hatte die Stadtbücherei dem Gemeinderat im Herbst 2022 empfohlen, eine ortsfeste Zweigstelle einzurichten – vorzugsweise im Süden der Stadt. Die Verwaltung hatte hierfür zunächst das Eddy-Haus auserkoren, gegenüber der ehemaligen US-Kommandantur an der Ecke Römer- und Rheinstraße.

Laut Stadt steht das Gebäude allerdings nicht zur Verfügung, da es noch bis mindestens 2025 als Projektbüro zur Entwicklung der Konversionsfläche genutzt wird. Zudem sei es zu klein und seine Raumaufteilung nicht geeignet. Als Alternative stieß die Stadt auf die Liegenschaft Marlene-Dietrich-Platz 5, direkt neben dem neuen Karlstorbahnhof. Sie gehört der Heidelberger Immobiliengruppe Kraus, wird derzeit noch bebaut und soll 2024 fertiggestellt werden.

Die Räumlichkeiten, die hier für die Zweigstelle zur Verfügung stünden, befinden sich im Erdgeschoss und umfassten rund 560 Quadratmeter. "Standort, Fläche und der flexible Grundriss passen ideal zu dem Vorhaben", so die Stadt.

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Das Problem: Dieses Vorhaben ist laut Verwaltung "aktuell nicht finanzierbar". Die erforderlichen Mittel zur Einrichtung und zum Betrieb der Zweigstelle seien bisher weder im kommenden Doppelhaushalt 2023/24 noch in folgenden Haushalten vorgesehen. Einmalig und für das erste Jahr Betrieb würden geschätzt 1,35 Millionen Euro für die neue Zweigstelle fällig – der Großteil davon entfiele auf Planungskosten (100.000 Euro), Erstausstattung (750.000 Euro) und Personalkosten (215.000 Euro).

Miete und Nebenkosten würden sich auf 180.000 Euro pro Jahr summieren. "Horrend", befand Grünen-Stadträtin Luitgard Nipp-Stolzenburg. Sie drückte die Hoffnung aus, die Verwaltung könne den Vermieter womöglich noch etwas herunterhandeln. Dass die Stadtbücherei mehr Platz braucht, steht für Nipp-Stolzenburg fest – auch da die Hauptstelle in der Poststraße energetisch saniert werden muss und die Zweigstelle in dieser Zeit als Ersatz dienen könnte. "Wir werden uns in den Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass eine Zweigstelle eingerichtet werden kann", versprach die Grünen-Stadträtin.

Verhaltener äußerten sich hingegen Anke Schuster (SPD) und Matthias Kutsch (CDU). Beide betonten, hinter der Idee einer Zweigstelle zu stehen, und lobten den vorgeschlagenen Standort in der Südstadt. Kutsch allerdings sagte, man müsse sich das Vorhaben in den Haushaltsberatungen "seriös anschauen". Schuster ging noch einen Schritt weiter: Sie erteilte dem Projekt angesichts der vielen anderen städtischen Einrichtungen und Projekte, die im Doppelhaushalt zum Zuge kommen wollen, vorerst eine Absage.

Sie machte jedoch den Vorschlag, dass der Gemeinderat Anfang 2024 noch einmal darüber diskutieren könne – sobald das Haushaltsergebnis des Jahres 2023 feststeht. Laut Bürgermeister Erichson geht es dann ohnehin erst einmal um die Planungskosten von 100.000 Euro, während die restlichen Mittel die folgenden Haushalte betreffen.

Der Ausschuss stimmte diesem Vorschlag einstimmig zu. Eine Entscheidung, die bei Stadtbücherei-Leiterin Christine Sass auf Verständnis stieß. Sie merkte allerdings an, dass der zeitliche Rahmen für die Einrichtung der Zweigstelle "extrem eng" sei – und dass das auserkorene Gebäude nächstes Jahr schon anderweitig vermietet sein könnte.



> Die Stadtbücherei Heidelberg hatte nach 1946 mehrere kleinere Zweigstellen in den Stadtteilen Rohrbach, Handschuhsheim, Pfaffengrund, Wieblingen, Ziegelhausen und im Emmertsgrund. 1976 wurde die Zweigstelle Rohrbach geschlossen, dafür in der Internationalen Gesamtschule eine kombinierte Schul- und Stadtteilbibliothek eröffnet, die bis 2003 von der Stadtbücherei betrieben wurde. Ab 1975 bestand zudem eine feste Zweigstelle im Emmertsgrund, die bis zum Umbau des dortigen Bürgerhauses im Jahr 2010 in Betrieb war. Die Zweigstellen Handschuhsheim, Wieblingen, Pfaffengrund und Ziegelhausen wurden 1978 geschlossen.

> Die Büchereien aller größeren Städte des Landes verfügen über mindestens zwei feste Zweigstellen: Ludwigsburg, Pforzheim und Heilbronn haben 2, Freiburg 3, Tübingen und Ulm 4, Karlsruhe 5, Reutlingen 10 und Mannheim sogar 11 Teilbüchereien.

> Der erste Bücherbus in Heidelberg nahm 1979 seinen Dienst auf. 2024 soll es einen neuen Bücherbus mit überarbeitetem Fahrplan geben. Ergänzend dazu hat die Stadtbücherei ein Konzept für ortsfeste Teilbüchereien vorgestellt, um möglichst viele Bürger zu erreichen. Es sieht im ersten Schritt eine Zweigstelle im Süden der Stadt vor.

> Die Zahl der Ausleihen in der Hauptstelle der Heidelberger Stadtbücherei in der Poststraße 15 und im Bücherbus lag im Jahr 2022 bei 1.030.725 – der Großteil davon (94,5 Prozent) entfiel auf die Hauptstelle, rund jedes zwanzigste Medium wurde über den Bücherbus ausgeliehen. Die meisten Ausleihen gab es im Bereich der Kinder- und Jugendbücher (44 Prozent), darauf folgten Sachliteratur (34 Prozent) und Belletristik (22 Prozent).

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