Zu viel Asphalt, zu viel Grau, zu viele Parkplätze
Man muss um jeden Zentimeter Grün kämpfen: Bezirksbeirat, Stadtteilverein und Anwohner der Südstadt kritisieren das Oberflächenkonzept der Stadt.

Von Sarah Hinney
Heidelberg. Eigentlich wollen sie nur eines – mehr Grün für ein besseres Klima in der Südstadt. Weil sie nach eigener Aussage mit diesem Wunsch bei der Stadtverwaltung immer wieder auf Granit stoßen, haben GAL-Rätin Heike Hauck und weitere Vertreter des Bezirksbeirats sowie des Stadtteilvereins zum Ortstermin geladen. Gekommen sind mehrere Anwohner, die Kinderbeauftragten des Stadtteils und die RNZ. Hauck und ihre Mitstreiter wollen zeigen, wo es aus ihrer Sicht hakt. Schnell wird deutlich, dass sie alle gerne hier wohnen, bereit sind, Eigeninitiative zu ergreifen – und dass sie großes Interesse daran haben, mit der Stadt gut zusammenzuarbeiten.

Es ist grau und regnerisch an diesem Spätnachmittag, als sich die Gruppe an der Ecke Carl-Schurz-Straße/Kirschgartenstraße trifft. Dort hat die Stadt im Zuge der Bebauung vor über einem Jahr eine alte Linde gefällt. Das hatte für großen Protest gesorgt. Heute sind die Häuser fertig. Genau hier stellen die Südstädter die grundsätzliche Frage: "Wie stark will die Stadt wirklich, dass sich das Klima verbessert?" Grau präsentiert sich nicht nur das Wetter, grau ist auch der Asphalt der breiten Straßen und die Betonverbundsteine der vier Meter breiten Fußwege mit den zahlreichen Parkplätzen. Hier gebe es mehr Platz für Autos als für Bäume, kritisieren mehrere Anwohner.
Die nagelneue Oberfläche der Carl-Schurz-Straße ist für die Bezirksbeiräte ein Beispiel dafür, dass es der Stadt am Willen fehle, wirklich etwas zu verändern. Im März hatten sie vorgeschlagen, in den wenig genutzten Seitenstraßen wasserdurchlässige Oberflächen zu schaffen, etwa Rasengittersteine oder Schotter-Rasen. Im August kam die Absage von der Stadt – aus mehreren Gründen: Unter anderem kam der Hinweis, dass derartige Konzepte für Flächen bereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens auf den Weg gebracht werden müssten.
Mit weniger Asphalt, aber ebenfalls ohne Grün präsentiert sich die Rheinstraße zwischen Kirschgarten- und Römerstraße. Der Gehweg ist breit, Bäume spenden Schatten. Unter ihnen sind große Flächen mit Rindenmulch angelegt. Das sollte eigentlich die grüne Flaniermeile der Südstadt werden, erklärt Hauck. Noch hat sie Hoffnung, dass der braune Rindenmulch irgendwann durch eine Bepflanzung ersetzt wird, ein paar Bänke aufgestellt werden. In dem Teil der Rheinstraße, der zwischen Römer- und Roeblingstraße liegt, hat sich diese Hoffnung bereits zerschlagen. Hier sind die hohen Bäume von einer großen Fläche grauem Granulat umgeben, das Regenwasser durchsickern lässt. "Darüber hat sich die Stadt wirklich Gedanken gemacht", betont Hauck den guten Willen.
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Langfristig sollen in die Erdgeschosse der Neubauten Gastro-Betriebe einziehen, unter den Bäumen könnten Tische und Stühle für Außenbewirtschaftung Platz finden. Prinzipiell finden alle diese Idee gut, allerdings fehle auch hier das Grün. Überdies heize sich die Fläche im Sommer stark auf. "Wir hätten uns gewünscht, dass grüne Inseln um die Bäume angelegt werden, mit Bänken darum", sagt Hauck. Ihr geht es auch um Aufenthaltsflächen, an denen kein Konsumzwang besteht. Die gibt es gegenüber im "Anderen Park". Auch hier sei aber viel zu viel Beton verbaut, selbst die einzelnen Spielbereiche sind damit umfasst. "Das sind erstens Stolperfallen und zweitens kann da kein Kind barfuß laufen", kritisiert eine Anwohnerin.
Noch trister als die Rhein- präsentiert sich die Roeblingstraße. Ein neun Meter breiter Gehweg inklusive Parkplätzen aus grauen Verbundsteinen sorgt bei allen Teilnehmern für Kopfschütteln. Ein paar Meter weiter, in der Mark-Twain-Straße, kämpft Christoph Gran seit einem guten Jahr für weniger Parkplätze und mehr Grünfläche. Er hat bei dem gemeinschaftlichen Wohnprojekt "Horizonte" eine "AG Umwelt verschönern" gegründet. Die Bewohner waren sich schnell einig: 20 Parkplätze brauchen sie nicht vor ihrem Haus. Fünf davon wollte man in Grün- und Aufenthaltsflächen umwandeln und sich darum selbst kümmern. Gran setzt sich auch dafür ein, dass die Oberflächen der restlichen Parkplätze nicht vollständig mit Verbundsteinen geschlossen werden. "Die Stadt gibt sich Mühe", betont er. Aber sie orientiere sich zu sehr an alten Plänen, es sei mühsam, in diese Prozesse neue Ansätze hineinzubekommen. "Man muss um jeden Zentimeter Grün kämpfen." Das bestätigen auch Bewohner des benachbarten Wohnprojekts "Woge".
Als regelrecht "bedrohliche Kulisse" nimmt eine Anwohnerin die Straße "Am Paradeplatz" wahr. Winzige Bäume, schwarzer Kies, kein Grün – und dunkle Fassaden, die Wärme speichern. Ein paar Meter weiter, am Marlene-Dietrich-Platz vor dem neuen Karlstorbahnhof, steht im Sommer ebenfalls die Hitze. Dort wird nun mit Mitteln der Internationalen Bauausstellung nachgebessert (die RNZ berichtete). "Warum merkt die Stadt das erst, wenn es zu spät ist?", fragt Hauck. Sie engagiert sich auch deshalb, weil sie will, dass es in neuen Stadtteilen besser gemacht wird. Der Ex-Geografie-Dozent Horst Eichler, der ebenfalls bei der Begehung dabei ist, hat da wenig Hoffnung:"Die Stadt hat aus Boxberg, Emmertsgrund und Bahnstadt nichts gelernt. Sie wird auch jetzt nichts lernen."
Bezirksbeirat, Stadtteilverein und Anwohner in der Südstadt bleiben dennoch motiviert. Sie schmieden schon wieder neue Pläne: eine verkehrsberuhigte Zone in und um die Mark-Twain-Straße etwa.




