Hitzeaktionsplan

Wie Heidelberg die Bevölkerung vor der Hitze schützen will

Teil davon ist eine "kühle Karte". Grüne kritisieren die Stadtspitze und die Amtsleiterin den Gemeinderat.

24.10.2022 UPDATE: 24.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Die Wasserfontänen an der Pfaffengrunder Terrasse boten beim Sommerfest in der Bahnstadt den Kindern ein wenig Abkühlung. Der angrenzende Gadamerplatz aber gilt als der heißeste Platz der Stadt. Der Hitzeaktionsplan sieht auch mehr Entsiegelung und Verschattung vor. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Das Gesundheitsproblem insbesondere für vulnerable Gruppen wie Senioren und Kleinkinder ist erkannt: Bereits zur Mitte dieses Jahrhunderts wird es laut der aktuellen Klimasimulation des Climate-Service Centers Deutschlands in Heidelberg im Vergleich zu den Jahren 1971 bis 2000 viermal so viele tropische Nächte und doppelt so viele heiße Tage geben. Allein in diesem Jahr wurden an der Messstation bei der Stadtbücherei 43 heiße Tage mit mehr als 30 Grad, sieben Wüstentage mit mehr als 35 Grad und elf Tropennächte mit einer Nachttemperatur von über 20 Grad gemessen. Diese Zahlen gehen aus dem druckfrischen Hitzeaktionsplan vor, der nun im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität vorgestellt wurde. Er enthält als Anhang eine umfangreiche Tabelle mit Maßnahmen, wie die Bevölkerung gegen die Hitze geschützt werden soll.

Noch vor seiner Veröffentlichung geriet der Hitzeaktionsplan allerdings in die Mühlen des OB-Wahlkampfs. Nachdem die Stadtverwaltung von Amtsinhaber Eckart Würzner stolz die Veröffentlichung des Werks angekündigt hatte, kam von der Grünen-Fraktion und Würzners Hauptkonkurrentin Theresia Bauer prompt Kritik. Schon vor fünf Jahren habe der Gemeinderat die Stadtspitze beauftragt, ämterübergreifend einen Hitzeanpassungsplan zu erstellen. Jetzt erst, drei Wochen vor der OB-Wahl, komme das Thema in den Fachausschuss. Das Ergebnis sei dürftig und habe mit einem fertigen Hitzeaktionsplan noch nichts zu tun. Fraktionsvorsitzender Derek Cofie-Nunoo sprach gar von einer "halbherzig zusammengeschusterten Maßnahmenliste".

Im Ausschuss nahm Umweltamtsleiterin Sabine Lachenicht den Grünen aber den Wind aus den Segeln. Bereits im Jahr 1995 sei das erste Stadtklimagutachten für Heidelberg erschienen, das 2015 fortgeschrieben worden sei. Der Dreiklang aus Starkregenrisikomanagement, Hochwasserprävention und Klimawandelanpassung werde seit Jahren von ihrem Amt bespielt. Die beiden Personalstellen, die beim Stadtplanungsamt und im Umweltamt für die Klimawandelanpassung geschaffen worden seien, hätten wegen Corona erst in diesem Jahr besetzt werden können. Trotzdem könne man jetzt schon einen Hitzeaktionsplan vorlegen, mit ganz konkreten Maßnahmen und hinterlegten Finanzmitteln. "Uns geht es um die Umsetzung. Es nützt doch niemandem, wenn wir 140 Seiten publizieren." Stattdessen habe man die Tabelle erstellt, mit der man konkret etwas anfangen könne.

In der Ausschusssitzung, die von Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (ebenfalls Grüne) geleitet wurde, äußerten die Grünen nur noch leise Kritik. "Die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sind uns noch nicht systematisch genug dargestellt", so Stadträtin Ursula Röper: "Wir würden uns mehr Strategien für die Stadtteile wünschen."

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Konkret geht es in dem Aktionsplan um akuten Bevölkerungsschutz, vor allem während Hitzeperioden. So will die Stadt alle Informationen, Verhaltensregeln und Hitzewarnungen auf ihren Online-Kanälen bündeln und auch ein Frühwarnsystem für Kitas einführen. Eine "kühle Karte" soll den Heidelbergern helfen, Orte zu finden, an denen sie Abkühlung finden – unter anderem werden Kirchen und Brunnen genannt. Die Beteiligung an Forschungsprojekten wird ebenso aufgelistet wie konkrete bauliche Veränderungen von überhitzten Plätzen (zum Beispiel mit Sonnensegeln, Bänken im Schatten) und Begrünungs- sowie Entsiegelungsaktionen. Hitzenotfallsets für Ältere und Wohnungslose, kühlende Kleidung für städtische Mitarbeiter und mehr Trinkbrunnen in der Stadt sind weitere Vorschläge. Für die meisten Ideen in dem Maßnahmenpaket gibt es bereits erste Planungen, manche sind schon mit Finanzmitteln oder Personal hinterlegt.

Die beiden "Bunte Linke"-Stadträte Hilde Stolz und Arnulf Weiler-Lorentz kritisierten hingegen insbesondere die Stadtentwicklung in den letzten Jahren. "Der Gadamerplatz in der Bahnstadt ist ohne Not der heißeste Platz in der Stadt", so Weiler-Lorentz. "Mit einer Nachverdichtung in allen Teilen der Stadt sorgen wir dafür, dass die Durchlüftung nicht mehr gegeben ist", betonte Stolz. Für Weiler-Lorentz ist daher offensichtlich: "Es ist nicht damit getan, dass man die Erkenntnisse in einen Plan schreibt, man muss sie auch umsetzen."

Amtsleiterin Lachenicht konnte diese Kritik an den Gemeinderat nur zurückgeben. "Sie stellen einfach zu viele Anforderungen an die Plätze." Die Stadträtinnen und Stadträte müssten sich entscheiden, was ihnen wichtiger ist. Marktstände oder Bäume, eine Tiefgarage unterm Platz oder Erdreich. "Wir kämpfen seit Jahren für mehr Grün. Das ist aber schwierig, wenn Sie Wert darauf legen, dass beim Überqueren des Platzes die Schuhe nicht dreckig werden."

In einem Punkt waren sich dann aber der Gemeinderat und die Umweltamtsleiterin wieder einig: Nach einem CDU-Antrag votierten die Stadträtinnen und Stadträte einstimmig dafür, dass die Universität und das Land, die einen Großteil der Flächen in der Stadt besitzen, stärker in die Umsetzung des Hitzeaktionsplans eingebunden werden.

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