Wie zwei geflüchtete Syrer hier zu Unternehmern wurden
Ward Joumaa und Odai Almouh Alshumri flohen 2015 vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Heute führen sie erfolgreich ihre eigenen Läden in Heidelberg.

Von Laura Kress
Heidelberg. Wie umgehen mit Menschen, die aufgrund von Krieg und Krisen wieder vermehrt nach Europa fliehen? Eine Frage, die momentan wieder den politischen Diskurs bestimmt. Aber was ist eigentlich aus den Menschen geworden, die während des großen Flüchtlingszustroms 2015 nach Deutschland kamen? Ist es ihnen gelungen, eine Arbeit zu finden und in Deutschland Fuß zu fassen?
Für die zwei in Heidelberg lebenden Syrer Ward Joumaa und Odai Almouh Alshumri lautet die Antwort: Ja. Mehr noch, sie haben sogar den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Joumaa seit Juni dieses Jahres mit seinem Fahrradladen "Habibikes" in Wieblingen in der Mannheimer Straße; Alshumri mit dem "Earth Bowl Laden" in der Fischergasse in der Altstadt, in dem er seit zweieinhalb Jahren Fruchtsäfte und -bowls verkauft.

Schon in Syrien leitete Joumaa sein eigenes Geschäft, ein Healty-Bistro in Damaskus. Alshumri, der in Deir ez-Zor im Osten des Landes aufwuchs, arbeitete im Eventmanagement. Dann kam der Krieg. Und Joumaa musste fliehen: vom Libanon über die Türkei nach Griechenland; teils alleine zu Fuß, teils in Autos von Schleppern. Die Polizei in Ungarn setzte seiner Flucht vorerst ein Ende. "Wir wurden 28 Tage in ein Gefängnis gesperrt", berichtet Joumaa. "Niemand hat uns erklärt, was mit uns passiert." Nach fast einem Monat ließ die Polizei Joumaa frei, der sich daraufhin weiter durchschlug bis in die bayerische Stadt Passau. Hier strandete auch Alshumri, der über seine Flucht aber nicht sprechen will. "Meine Geschichte ist die gleiche wie von allen anderen, die hergekommen sind", sagt er nur.
Ab Passau verliefen die Wege der beiden jungen Männer aber ziemlich verschieden. Während man Joumaa direkt nach Heidelberg schickte, reiste Alshumri durch die gesamte Republik. Von Passau nach München, dann nach Hamburg; bis er schließlich in Spremberg in Brandenburg landete, wo er in einem Restaurant ohne Bezahlung arbeitete. "Ich habe gesagt, bringt mir etwas bei und dafür arbeite ich umsonst", erzählt er. Trotz Vorurteilen mancher Mitarbeiter sei er am Ende gut mit allen ausgekommen und habe viel gelernt – unter anderem Deutsch, denn einen Sprachkurs hat Alshoumri nie besucht. "Ich habe Deutsch gelernt, indem ich mich mit Leuten unterhalten habe", erzählt er.
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Anders Joumaa, der die Möglichkeit bekam, als erster Flüchtling an der F&U-Sprachschule in Heidelberg Deutsch zu lernen. Ein Glücksfall, denn die Wartezeit für einen Kurs an der Volkshochschule betrug sieben Monate. Nachdem ihm Asyl gewährt wurde, erhielt er einen Ausbildungsplatz im Fahrradladen "Altavelo" und arbeitete nebenbei als Barrista und im Eisladen "Schmelzpunkt", um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.
"Heidelberg wurde das Glück meines Lebens"
Trotzdem fand er die Zeit, nach Feierabend die Fahrräder seiner Freunde zu reparieren. "Wir haben ein Bierchen getrunken und ich konnte üben, was ich in der Ausbildung gelernt habe", erzählt er. So entstand die Idee von "Habibikes", ein Wortspiel aus dem arabischen Kosewort "Habibi" und "Bikes", dem englischen Wort für Fahrräder. "Es bedeutet so viel wie Freund oder Lieber", erklärt Joumaa. Realität wurde die Idee schließlich mit der Miete und Renovierung des Ladens in Wieblingen, bei der Joumaa Unterstützung von seinem Freund und jetzigen Geschäftspartner Alexander Löhr erhielt. "In der Zeit habe ich jeden Tag nur vier oder fünf Stunden geschlafen", berichtet Joumaa. "Aber der Schweiß und die harte Arbeit haben sich gelohnt."
Alshumri verschlug es erst 2018 in die Region, zunächst nach Mannheim, wo er in der Eventlocation "Manufaktur" Obstteller kreierte – eine Inspiration für seinen "Earth Bowl Laden". Eigentlich wurde die Grundlage aber schon viel früher gelegt, auf dem Markt in Syrien, wo sein Vater als Obsthändler arbeitete.
2021 eröffnete Alshumri dann mit Hilfe eines Freundes seinen eigenen Laden in der Fischergasse. "Ich bin der einzige Ausländer in der Straße", sagt er. "Es haben mich aber alle nett empfangen. Meine Nachbarn freuen sich, dass ich den Ort hier wiederbelebt habe."
Genauso ist es auch in Joumaas Fahrradladen mitten in Wieblingen. Man muss keine Stunde dort sein, um festzustellen: Joumaa kennt jeden und jeder kennt ihn. "Heidelberg wurde das Glück meines Lebens", sagt der 32-Jährige.
Zu Alshumris Glück kam noch hinzu, dass er seine Familie nach Heidelberg holen konnte. "Egal wie sicher mein Leben hier gewesen wäre, ich hätte ohne meine Familie nicht glücklich werden können." Einige seiner Cousins und Geschwister arbeiten jetzt in seinem Laden, einer seiner Brüder möchte sich demnächst als Krankenpfleger selbstständig machen. Joumaas Eltern leben noch immer in Syrien, seine Schwestern sind in die Golfstaaten geflohen. "Eine von ihnen hat das Logo von ,Habibikes’ entworfen", erzählt Joumaa stolz.
Trotz ihres Erfolgs haben beide weitere Träume, von denen einer schon bald in Erfüllung geht. Am 18. November eröffnet Alshumri eine zweite Filiale seines Lokals in der Steingasse. Joumaa würde seinen Fahrradladen gerne um eine Kaffeeecke ergänzen und plant für den nächsten Sommer die offizielle Eröffnungsfeier von "Habibikes".



