Heidelberg

Wie sich der Heilige Geist verdoppelt hat

Ein Pfingstspaziergang durch die Altstadt - Zwei Kirchen und ihre Geschichte zwischen Gotik und Barock

29.05.2020 UPDATE: 31.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Die Heiliggeistkirche aus dem 14. und die Jesuitenkirche aus dem 18. Jahrhundert prägen die Silhouette der Altstadt. Bei einem Pfingstspaziergang kann man sich auf die Spuren ihrer Geschichte begeben. Foto: Philipp Rothe

Von Diana Deutsch

Heidelberg. Es wäre eine gute Millionen-Frage für Günther Jauchs Fernsehquiz: In welcher deutschen Stadt tragen die beiden größten Kirchen denselben Namen? Keiner käme auf Heidelberg. Dabei zählen die evangelische Heiliggeistkirche am Marktplatz und die katholische Pfarrkirche Heilig Geist in der Merianstraße zu den meistfotografierten Motiven der Welt. Fast 500 Jahre trennen das gotische vom barocken Gotteshaus. Trotzdem sehen sich die beiden Kirchen erstaunlich ähnlich. Das ist kein Zufall, sondern Heidelberger Geschichte. Ein Kirchenbesuch auf den Spuren des Heiligen Geistes. Passend zum Pfingstfest.

Es gab eine Zeit, da war Heidelberg die Hauptstadt der Welt. Zwar nur zehn Jahre lang, aber immerhin. Im Jahr 1400 bestieg der Heidelberger Kurfürst Ruprecht III. den Königsthron des Heiligen Römischen Reiches. Das war der Startschuss für einen Bauboom in seiner Residenz. Die Burg am Hang erhielt den stattlichen Ruprechtsbau und am Marktplatz wuchs eine gotische Kathedrale in den Himmel. Sie sollte sowohl Grablege sein für die Kurpfälzische Dynastie als auch Domizil für die neu gegründete Universität. Der Name lag damit auf der Hand: Zum Heiligen Geist.

Ruprecht hat die Fertigstellung der Heiliggeistkirche nicht mehr erlebt. Aber ihren herrlichen Chor mit den hohen Fenstern hat er noch gesehen. Der König ruht bis heute in Heiliggeist. Leider verkehrt herum. Er blickt nach Westen. Auferstanden wird gewöhnlich gen Osten. Kurfürst Ludwig III., der Sohn, vollendete die Heiliggeistkirche. Als Gotik in Perfektion. Drei Schiffe schweben schwerelos zum Himmel hinauf. Die Wände mit den riesigen Fenstern scheinen sich aufzulösen in Licht. Nur die mächtigen Seitenemporen stören das zarte Bild. Im Mittelalter stand auf ihnen die Bibliotheca Palatina, die größte Bibliothek der Welt. Bayerische Truppen haben sie im Dreißigjährigen Krieg erbeutet und in den Vatikan gebracht. Immerhin verfügt die Universitätsbibliothek heute über eine eingescannte Digitalversion der fast 3000 Handschriften.

1441 war die Heiliggeistkirche vollendet. 1556 kam die Reformation nach Heidelberg. Die Kirche wurde "von allem katholischen Zierrat gereinigt" (Kurfürst Ottheinrich). Mindestens zwölf Altäre, Gemälde, Kelche, Leuchter, Paramente – alles zertrümmert, zerstört, verweht. Niemand weiß, wie die Kirche ursprünglich eingerichtet war. Nur zwei kleine Madonnen haben überlebt. Eine lächelt als Schlussstein vom Gewölbe, die andere grüßt an der Fassade, wo es zur Steingasse hinabgeht. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg büßte Heiliggeist auch noch ihren Dachstuhl ein. Das Barock ersetzte ihn durch eine welsche Haube. Die Jesuitenkirche trägt eine ähnliche.

Auch interessant
Pfingsten: Feuer und Sturm
Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg: Dem Blutrausch fielen Millionen zum Opfer
Universitätsbibliothek Heidelberg: Kernbestand der historischen "Bibliotheca Palatina" virtuell wiedervereint

1685 kehrte der Katholizismus zurück. Nach 129 Jahren. Die Kurfürsten residierten nun in Düsseldorf und hörten auf die Jesuiten. Die zerstörte Altstadt wurde im barocken Stil neu aufgebaut. Von jedem Haus grüßte nun eine Madonna, und die Heiliggeistkirche teilte eine raumhohe Mauer. Im Chor feierten die Katholiken ihre Messen, im Langhaus beteten die Protestanten. Vorbei war es mit der Halle aus Licht. In der Kettengasse wurde unterdessen eifrig gebaut. 80 Jesuitenpatres hatte der Kurfürst nach Heidelberg entsandt. 1711 war ihr gewaltiger Konvent fertig, der Bau der Jesuitenkirche begann. Groß sollte sie werden. Mindestens so groß wie das Gotteshaus drüben am Markt. Hofbaumeister Breunig ging sogar einen Schritt weiter: Mitten in der Opulenz des Barock entwarf er eine federleichte Hallenkirche, deren Anklänge an die Gotik unübersehbar waren. 1722 sollte die Jesuitenkirche vollendet sein.

Es kam anders. 1719 zog ein neuer Kurfürst in Heidelberg ein. Dem strengkatholischen Carl Philipp waren die Protestanten lästig. Kurzerhand befahl er, die Scheidemauer einzureißen. Die Kirche sei nun katholisch. Das protestantische Preußen drohte mit Krieg, Carl Philipp ließ wütend die Mauer wieder aufbauen und zog nach Mannheim. Stille senkte sich über Heidelberg. 40 Jahre gingen ins Land, bis die Jesuitenkirche endlich fertig wurde. Als Sparversion. Wahrscheinlich ist sie das schlichteste barocke Gotteshaus aller Zeiten. Wodurch die Kirche heute sehr modern wirkt und verblüffend gut mit der Gotik am Marktplatz harmoniert.

1759 wurde sie endlich geweiht. Ihr Name: Sankt Salvator. Zum göttlichen Erlöser. Doch die Freude währte kurz. 1773 wurde der Jesuitenorden verboten, St. Salvator verkam zum Lazarett. 1808 warf die Universität ein Auge auf die große Halle. Die könnte man doch gut als Aula und Bibliothek nutzen. Heidelbergs Katholiken erwachten. In einem furiosen Kampf und für eine Menge Geld lösten sie die Jesuitenkirche beim Badischen Großherzog aus. Dieser knüpfte zwei Bedingungen an den Vertrag: Die Katholiken mussten die Einrichtung aus dem Heiliggeistchor mitnehmen – und den Namen der Kirche. An Pfingsten 1809 wurde die neue katholische Pfarrkirche Heilig Geist eingesegnet.

Damit könnte unsere Geschichte eigentlich enden. Aber so ist der Mensch nicht. Statt die Mauer in Heiliggeist einfach niederzureißen, entbrannte ein endloser Streit zwischen den Konfessionen. Es ging um Geld. Und um Recht. Erst am 24. Juni 1936 fiel die Scheidemauer. Nach 230 Jahren. Zurück blieb die katholische Kanzel, von der heute die evangelischen Pfarrer predigen. Über ihren Köpfen schwebt dabei eine riesengroße silberne Taube. Der Heilige Geist.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.