Wie lassen sich kirchliche Kulturgüter schützen?
Auch Abendmahlgeschirr wurde schon geklaut: Bei der Podiumsdiskussion in der Heiliggeistkirche nahmen Experten aus vielen Bereichen teil.

Von Julia Lauer
Heidelberg. Die Bibliotheca Palatina, jene bedeutende Sammlung von Schriften aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit, ist nicht der einzige Gegenstand, der je aus einer Heidelberger Kirche geraubt worden ist. "In der Heiliggeistkirche wurden in früheren Zeiten auch die Gräber der Kurfürsten geplündert", sagte der evangelische Pfarrer Vincenzo Petracca am Rande einer Podiumsdiskussion zum Thema "Die Zukunft und der Schutz kirchlicher Güter heute", zu dem die Kirche gemeinsam mit dem Institut für fränkisch-pfälzische Geschichte der Universität Heidelberg und der philosophischen Fakultät der Universität Mannheim eingeladen hatte.
Den Kirchen mögen zwar heute mit den Mitgliedern auch die Mittel schwinden. Aber das Thema ist bis in die Gegenwart aktuell, auch in Heidelberg. "Vor ein paar Jahren wurde in der Providenzkirche der Tresor aufgebrochen und das Abendmahlgeschirr entwendet", berichtete Petracca von Vorkommnissen vor Ort. Und in Heiliggeist schraubte jemand zwei Pfeifen der Orgel ab, die man jedoch in der Kirche wieder fand. Das nahm sie zum Anlass, einen Präsenzdienst ins Leben zu rufen, der dort an den Wochenenden die Stellung hält. Das ist aber nur eine Strategie, wie man seine Schätze schützen kann – das wurde auf der kurzweiligen Abendveranstaltung, zu der knapp 20 Besucher gekommen waren, deutlich.
Wie sieht es im Großen aus, inwieweit interessieren Kirchen Diebe noch? Diese Frage warf Moderator Romedio Schmitz-Esser, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg, zu Beginn des Abends auf. Die Zahl der Delikte sei gering, aber es gebe sie nach wie vor, so Kriminalhauptkommissar Christian Klein, der in Bayern unter anderem für Kirchendiebstähle zuständig ist. "Aber es gibt einen großen Wandel. Früher waren die Diebe Sammler, die Figuren gestohlen haben", berichtete er.
"Heute sind es Beschaffungskriminelle, die sich vergoldete oder versilberte Objekte wie Kerzenhalter suchen, um sie einzuschmelzen." Dass die Religion innerhalb der Gesellschaft an Bedeutung verliert, mache der Polizei vor diesem Hintergrund also das Leben leichter, sagte er und sorgte damit für Heiterkeit. Kameras und Securitypersonal, jedenfalls, wie sie in Museen üblich sind, stünden dem Selbstverständnis vieler Kirchen als Rückzugsorte entgegen.
Eine Möglichkeit ist auch, kirchlichen Objekten einen Platz in einem Museum zu verschaffen. So wie in Speyer, wo der Domschatz im Historischen Museum der Pfalz untergebracht ist. "Wir sind froh, die Objekte zeigen zu können", sagte Sabine Kaufmann, die dort die Sammlung des Hoch- und Spätmittelalters leitet. Das Bistum unterstütze das Haus finanziell, das seinerseits für Sicherheitsvorkehrungen sorge, aber auch etwa Social-Media-Kanäle bespiele, kirchenferne Besucher anziehe oder auch die didaktische Vermittlung übernehme.
Dokumentation hilft dabei, Dieben die Arbeit zu erschweren – und es sind nicht nur Museen, die diese Aufgabe leisten. "Erst vor 15 Jahren haben wir mit der Inventarisierung begonnen, und heute sind einige hundert Kirchen im Bistum gut erfasst", sagte Sebastian Bock, der in der katholischen Erzdiözese Freiburg für kirchliches Kunstgut zuständig ist. Die Dokumentation sei ein Hindernis dabei, Objekte auf dem Kunstmarkt feilzubieten.
Die Heiliggeistkirche setzt unterdessen darauf, ihr Profil als Tourismuskirche zu stärken und das Kirchengebäude – ebenfalls ein Kulturgut – stärker kulturell zu bespielen. So soll etwa eine geplante Ausstellung zur Bibliotheca Palatina oder auch Formate wie Michael-Jackson-Gottesdienste Besucher anziehen. "Wir denken: Es braucht Kultur kirchlicherseits, auch in Zeiten knapper Mittel", fasste Petracca den Kurs für Heiliggeist zusammen.
Aber es wurden auch schon aus gut besuchten touristischen Kirchen Gegenstände gestohlen, etwa das Brustkreuz von Papst Benedikt. Es fand am helllichten Tag in einer Traunsteiner Kirche einen neuen Besitzer. Ohne ein Minimum an Risiko geht es also nicht, wenn Kirchen den Menschen weiter offenstehen wollen – da waren sich die Diskutanten einig. In Heiliggeist ist ohnehin kaum mehr etwas zu holen. "Wir haben drei Bilderstürme hinter uns, da wurde aus theologischen Gründen vieles zerstört", so Petracca.