Heidelberg

Wie der Klimawandel den Bäumen das Leben schwer macht

Zelkoven statt Pappeln: Deshalb testet die Stadt neue Arten in einem "Freilandlabor"

14.06.2021 UPDATE: 15.06.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Stück für Stück muss die Stadtverwaltung in den nächsten Jahren das innerstädtische Grün klimafest machen. In der Breslauer Straße in Kirchheim wurden deshalb Japanische Zelkoven gepflanzt, wo früher große Pappeln standen. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Im Februar 2019 mussten die Pappeln in der Breslauer Straße weg. Ihre Wurzeln hatten den benachbarten Gehweg zerstört, eine Sanierung war nicht möglich, ohne den Bäumen zu sehr zu schaden. An ihrer Stelle pflanzte die Stadt Ersatz. Doch statt den altbekannten Pappeln wachsen nun sechs Japanische Zelkoven in den Kirchheimer Himmel – eine Art, die man in Deutschland bisher selten sieht, die aber immer wichtiger werden könnte. Denn die "Zelkova serrata" gehört zu den Pflanzen, bei denen man davon ausgeht, dass ihnen der Klimawandel kaum etwas anhaben wird.

Für viele Baumarten, die bislang das Stadtbild dominieren, gilt das leider nicht. Die Erderwärmung macht ihnen schon jetzt das Leben schwer, wie Tillmann Friederich, Leiter der Forstabteilung im Landschaftsamt, erklärt: "Die Sommer in den vergangenen Jahren waren sehr, sehr trocken und viel zu heiß." Das bringe viele Bäume an die Belastungsgrenze. Die Sommermonate 2018 führten etwa dazu, dass knapp 400 Bäume im Stadtgebiet nicht überlebten. Das gilt vor allem für innerstädtische Standorte, wo die Pflanzen nur begrenzten Platz zum Wurzeln haben und wo sich die Luft auch mal auf über 40 Grad aufheizen kann.

Besonders trifft das bislang Flachwurzler, die sich ihr Wasser nicht aus tieferen Bodenschichten holen. "Verlierer Nummer 1 ist die Fichte", betont Albrecht Brechter, Sachgebietsleiter beim Umweltamt. Aber mittlerweile kämen auch Bäume in Hitzestress, von denen man es nicht erwartet hatte, etwa die Buche. Hinzu kommen Schädlinge, die sich hier – auch dank des Klimawandels – breit gemacht haben und dafür sorgen, dass Bäume wie die Esskastanie, die eigentlich robust gegen Hitze ist, ebenfalls Probleme bekommen.

Um massenhaftes Baumsterben in den kommenden Sommern zu verhindern, fahren die städtischen Ämter zweigleisig. Einerseits werden die Probleme beim Pflanzen heute mitgedacht. Drainage-Rohre versorgen die Bäume besser mit Wasser, Bodensubstrate speichern Flüssigkeit. "Da hat man dazu gelernt", so Brechter. Außerdem plädiert der Bereichsleiter dafür, im Zweifel keine Alleen mehr mit nur einer Art zu pflanzen. "Natürlich geht dann Charakter verloren." Aber die Schädlinge fielen in der Regel nur eine Art an und könnten dann nicht von Baum zu Baum springen. Ähnlich geht die Stadt im Stadtwald vor, wo man sich schon lange von der Monokultur verabschiedet hat. "Dann befällt ein Schädling im Zweifel ein bis zwei Bäume – aber nicht gleich einen ganzen Hang", sagt Friederich.

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Doch die Experten pflanzen die Bäume heute nicht nur anders, sondern sie pflanzen auch andere Arten. "Da wird es einen klaren Wandel geben", kündigt Brechter an. Zum einen werden heimische Bäume wichtig, die es bisher weniger waren. "Der Trend geht da etwa zur Hainbuche, die sehr robust ist." Gleichzeitig setze man sich aber auch ganz bewusst auf "klimaangepasste Arten", die es hier bislang nicht gab – wie die Zelkoven in Kirchheim. Meist stammen sie aus dem mediterranen Raum, kommen dort bereits gut mit großer Hitze und relativ wenig Wasser zurecht. Neben Zelkoven gilt das etwa für die Baum-Hasel oder den Amberbaum, der heute oft den Ahorn ersetzt.

Doch nur weil für Heidelberg und Mannheim in wenigen Jahrzehnten Temperaturen erwartet werden, wie sie heute in Mailand normal sind, heißt das nicht, dass hier dann auch dieselben Pflanzen gedeihen werden. "Die Durchschnittstemperaturen sind das Eine", so Friederich, "aber wir werden hier nicht das Mailänder Klima haben." Der größte Unterschied dürfte sein, dass es in der Region auch in Zukunft im Winter Temperaturen unter Null geben dürfte. "Das wird sich nicht ändern." Und viele mediterrane Pflanzen überleben gerade in den ersten Jahren keinen harten Winter.

Da das Klima aber nur schwer prognostiziert werden kann, bleibt immer eine gewisse Unsicherheit, welche Pflanzen sich hier wohlfühlen werden. Deshalb gibt es im Stadtgebiet einige Stellen, wo man neue Arten ausprobiert und beobachtet – wie in der Breslauer Straße. "Die Stadt ist natürlich keine Forschungseinrichtung, die wissenschaftlich arbeitet", erklärt Friederich, eher ein "Freilandlabor": "Wir machen unsere Erfahrungen. Wenn sich etwas bewährt, behalten wir es bei – wenn nicht, dann nicht."

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