Städtpartnerschaft Heidelberg/Montpellier

"Inzwischen sind auch mal die Deutschen unpünktlich und chaotisch"

Karla Jauregui über die Attraktivität der Heidelberger Partnerstadt Montpellier - und welche Zukunftsthemen beide Städte noch weiter verbinden

13.07.2017 UPDATE: 14.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden

Karla Jauregui ist seit vielen Jahren Botschafterin der Partnerstadt Montpellier. Foto: Philipp Rothe

Von Birgit Sommer

Die "Jumelage" zwischen Heidelberg und der südfranzösischen Universitätsstadt Montpellier wurde 1961 geschlossen. Fünf Jahre später begann die deutsche Kulturarbeit im dortigen Heidelberg-Haus, 1986 wurde das Montpellier-Haus in der Heidelberger Kettengasse gegründet. Karla Jauregui leitet es seit vielen Jahren. Im RNZ-Gespräch sagt die 52-Jährige, was an ihrer Heimatstadt Montpellier so liebenswert ist - und was Franzosen an Heidelberg gut finden.

Frau Jauregui, Sie sind in Montpellier aufgewachsen. Was gefällt Ihnen dort? Warum sollten die Heidelberger unbedingt in die Partnerstadt fahren?

Ich finde, dass die Stadt genauso lebendig ist wie Heidelberg, was das Ausgehen und die Kultur anbelangt. Sie passen wunderbar zueinander. Was Montpellier hat und Heidelberg nicht, ist die sehenswerte moderne Architektur. In Heidelberg dominiert bei den alten Gebäuden der rote Sandstein, in Montpellier der Kalkstein, es ist eine Stadt in Elfenbeinweiß - genauso schön, aber anders schön. Und man kann sicher sein, dass das Wetter gut ist in Montpellier. Es gibt nur zwei Perioden, in denen man nicht dorthin reisen sollte: Anfang Oktober und um Ostern herum; das ist keine gute Zeit im ganzen Mittelmeerraum.

Zuerst war es eine Uni- und Städtepartnerschaft, dann kam mit der Eröffnung des Heidelberg-Hauses 1966 die dauerhafte Präsenz der Deutschen in Montpellier. Hat das Freundschaften beflügelt? Wie haben Sie das als Jugendliche erlebt?

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Eigentlich habe ich es gar nicht erlebt. Ich war in keinem Verein, saß immer brav zuhause und habe gelesen. Ich habe zwar eine deutsche Mutter, aber ich war nie zum Schüleraustausch in Heidelberg, vielleicht gab es das an meiner Schule nicht. Das Heidelberg-Haus war für mich lediglich ein Kulturinstitut.

In den 60er und 70er Jahren ging es bei den Städtepartnerschaften um Völkerverständigung. Die schien mit dem Nachbarland Frankreich besonders notwendig.

Wir Kinder haben damals schon darunter gelitten, dass wir "Deutsche" waren, wegen der deutschen Mutter. Mein Bruder wurde in der Schule als "boche" gehänselt. Heute herrscht auf jeden Fall mehr Verständnis, und ich denke, die schulischen Partnerschaften laufen sogar besser als vor zehn Jahren. Die IGH, das Helmholtz-Gymnasium und der Philipp-Reiss-Kindergarten haben sogar neue Partnerschaften mit Montpellier begründet.

Ein Kindergarten? Wie funktioniert das?

Das gibt Aufmerksamkeit für andere Länder. Man kann sich zwar nicht besuchen, aber zu sehen, dass jemand in einem anderen Land an einen denkt, ist doch süß ...

Wie kam es dazu?

Ursprünglich waren meine Kinder in diesem Kindergarten, und die Erzieherinnen haben dann vor drei Jahren eine solche Partnerschaft angeregt.

Eigentlich hat man den Eindruck, dass die Städtepartnerschaft früher auf breiterer Basis gestanden hat. Hat sich der Versöhnungsgedanke in Europa überlebt? Ist Freundschaft selbstverständlicher geworden?

Ja, in der Tat. Es ist selbstverständlich für die deutsche Bevölkerung, nach Frankreich zu gehen. Andersherum herrschen in Frankreich natürlich noch Vorurteile, was das Wetter in Deutschland betrifft, und es gibt die Sprachbarriere. Man lernt nicht mehr so viel Deutsch. Ein Vorurteil allerdings wurde inzwischen revidiert: Bei manchen Austauschen sind die Deutschen unpünktlich und relativ chaotisch. Ich selbst habe da bei der Arbeit Schwierigkeiten damit, ich brauche Planung. Aber das bringt auch Spontaneität; die Deutschen können sich besser an neue Situationen anpassen. Für die Franzosen ist das lustig zu erleben.

Das Interesse der Deutschen an Frankreich ist ja nach wie vor groß. Sind die Franzosen auch an Deutschland interessiert?

Sie kommen bloß nicht so oft auf die Idee, nach Deutschland zu reisen, denn in Frankreich haben sie ja alle Urlaubslandschaften, bis hin zu den Inseln Guadeloupe und La Réunion. Wenn die Franzosen aber erst mal in Deutschland sind, sind sie begeistert.

Was begeistert sie dann?

Die Offenheit, die Lockerheit der Menschen, teilweise auch das gute Wetter in Heidelberg, die schöne Landschaft, das kulturelle und das studentische Leben ...

Wie wird die Städtepartnerschaft Heidelberg-Montpellier heute tatsächlich gelebt?

Ich finde es sehr interessant, denn es konzentriert sich mehr auf ganz spezielle Themen. Bei der Städteplanung etwa gibt es Parallelen, Unterschiede und Anknüpfungspunkte für einen Erfahrungsaustausch. Auch auf wirtschaftlicher Ebene wird sich etwas entwickeln, zum Beispiel in den Bereichen medizinische Forschung, Informatik und Start-ups - da passen die Städte wunderbar zusammen.

Info: Beim "Bal populaire" im Montpellier-Haus in der Kettengasse 19 feiern Franzosen und Deutsche heute ab 18 Uhr gemeinsam den französischen Nationalfeiertag mit Musik und kulinarischen Spezialitäten.

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