Sperrzeiten in Heidelberg: Jetzt sollen die Richter entscheiden
Anwohner der Heidelberger Altstadt erheben Normenkontrollklage - Seit Liberalisierung der Sperrzeiten sei die Situation unerträglich

In der unteren Straße sind viele Kneipen konzentriert. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald
Wieder einmal beschäftigen der Lärm und die Sperrzeiten in der Altstadt die Gerichte. Drei Anwohner haben vor Kurzem beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) Normenkontrollklage gegen die Stadt Heidelberg erhoben. Der Gemeinderat habe die gesonderte Sperrzeitverordnung für den Stadtteil niemals aufheben dürfen, meinen Adelheid und Nikolai Wessendorf sowie Wolfgang Ditscheid. Das Gericht solle die Entscheidung des Gemeinderats, die zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, rückgängig machen.
Die Situation ist in den Augen der Kläger unerträglich: "Oftmals stark alkoholisierte und randalierende Menschenmassen ziehen nicht nur am Wochenende nachts bis um sechs Uhr früh durch die engen Gassen der Altstadt." Doch die Stadt ignoriere die erheblichen Überschreitungen der Lärmrichtwerte, die Verdoppelung der Kneipendichte seit Ende der 1980er Jahre sowie das deutlich rücksichtslosere Ausgehverhalten vieler Partygänger.
Bis zum 31. Dezember 2014 mussten die Kneipen am Wochenende um 3 Uhr, unter der Woche um 2 Uhr schließen. Heutzutage dürfen sie bis 5 Uhr an Samstagen und Sonntagen beziehungsweise 3 Uhr an Werktagen öffnen. Dies entspricht der derzeitigen Landesregelung. "An Schlafen ist überhaupt nicht mehr zu denken", sagt Ditscheid. Nikolai Wessendorf fügt hinzu: "Hier findet Nacht für Nacht eine außer Kontrolle geratene Ballermannparty statt." Adelheid Wessendorf meint: "Die Aufhebung der Sperrzeiten war für uns ein Schlag ins Gesicht."
Die Kläger behaupten, dass die Entscheidung des Gemeinderats nicht rechtmäßig zustande gekommen sei. Sie ärgern sich auch über die Äußerungen von Bürgermeister Wolfgang Erichson, der im Dezember 2014 in einem RNZ-Interview betont hatte, dass die Stadträte frei über die Sperrzeiten entscheiden könnten. Dabei habe sich sein eigenes Bürgeramt gegen eine Liberalisierung der Kneipenöffnungszeiten in der Altstadt ausgesprochen. Doch damit nicht genug: Das von der Stadt in Auftrag gegebene Lärmgutachten sei fehlerhaft. Und die Argumente, die die Sperrzeitgegner ins Feld führten, seien widerlegt: Die längeren Kneipenöffnungszeiten hätten weder die Besucherströme entzerrt, noch habe die personelle Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes für Ruhe gesorgt.
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Als seine Mandanten in die Altstadt zogen, seien sie sich durchaus bewusst gewesen, dass sie ein lebendiger Ausgehstadtteil ist, schreibt der Klägeranwalt Dr. Werner Finger. Mittlerweile sei aber nicht einmal mehr an ein Mindestmaß an Nachtruhe zu denken.
Wann der VGH entscheiden wird, konnte dessen Sprecher Matthias Hettich gestern noch nicht absehen. Bürgermeister Wolfgang Erichson wollte sich zum aktuellen Verfahren nicht äußern, dies sei Aufgabe des Rechtsamts. Er verteidigt aber seine frühere Äußerung, dass der Gemeinderat frei über die Sperrzeiten für die Altstadt entscheiden dürfe.
Dies könnte bald wieder der Fall sein: Bereits am 23. Februar wird der Bezirksbeirat Altstadt über die Auswirkungen der neuen Sperrzeiten informiert. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor. Doch Bürgeramtsleiter Bernd Köster gibt zu, dass die Anwohnerbeschwerden im letzten Jahr zugenommen haben. Dies könne aber auch daran liegen, dass die Altstädter nun sensibilisiert seien.



