So geht es Studierenden und Erstsemestern mit der digitalen Universität
An der Uni Heidelberg startet das Semester komplett digital - "Man geht an dieser Universität ohne Kontakte unter"

Die Alte Universität im Zentrum von Heidelberg. Archivfoto: kre
Von Nils Schröpfer
Heidelberg. Seit Freitag steht es fest: Mit dem neuen "Lockdown light" sind Präsenzveranstaltungen auch an der Universität Heidelberg den ganzen November über verboten (bis auf ganz wenige Ausnahmen, etwa im Medizinstudium). Die RNZ hat sich bei Heidelberger Studentinnen und Studenten umgehört, wie sie auf den Semesterstart blicken – und welche Probleme die Corona-Krise ihnen verursacht.

> Das fehlende Studentenleben: Der neue Shutdown trifft die rund 5000 Studienanfänger unter den etwa 30.000 Studierenden an der Uni Heidelberg besonders hart. "Ich kenne das Studentenleben zwar noch nicht, doch ich hab’ es mir schon jetzt anders vorgestellt", meint Florian Tesch, der am Montag in sein erstes Chemie-Semester startet. Gerade für Erstsemester wie ihn sei der Start ins Studium – mit kaum sozialen Kontakten und immer nur am Bildschirm – eine große Herausforderung. Ähnlich sieht es Marius Müller, obwohl er schon im dritten Semester ist. Müller studiert Geschichte auf Lehramt.

Als Fachschaftsmitglied sollte er die Aktionswoche der Erstsemester planen. Doch nun entfallen fast alle analogen Kennenlernaktionen, die neu Zugezogenen können kaum Kontakte knüpfen. Müller sagt: "Alleine zu studieren ist nicht möglich. Man geht an dieser Universität ohne Kontakte unter, da die Stoffmenge und die Organisation nicht einfach zu überblicken ist." Und dazu komme: "Eigentlich ist genau das das Schöne am Studium. Auf dem Campus ist quasi die ganze Erde auf einem kleinen Stück vereint." Dieses Gemeinschaftserlebnis falle nun fast komplett weg.

> Die erschwerte Wohnungssuche: "Es war ohnehin klar, dass man in Heidelberg nur schwer eine Wohnung findet", meint der Erstsemester Leonard Göhringer aus Biberach. "Jetzt ist es aber noch schwieriger geworden, da viele Immobilienbesitzer gerade nur an Menschen mit festem Einkommen vermieten wollen." Auch Chemie-Student Florian Tesch, der aus Potsdam kommt, ist noch immer auf der Suche: "Aktuell bin ich in einer Jugendherberge untergekommen. Hier habe ich aber nicht überall und immer Zugriff aufs Wlan", erklärt er.
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> Das Online-Lernen: Keine gute Internetverbindung zu haben – das ist für die Studierenden zur Zeit fatal. Denn die Lehre im November – und voraussichtlich auch weite Teile des restlichen Semesters – finden ausschließlich online statt. Wie schwierig der Umstieg auf die Online-Lehre ist, weiß Michelle Mack, die Biowissenschaften im dritten Semester studiert: "Das letzte Semester war bislang das Schwierigste. Zuhause fehlt einem oft die Motivation dranzubleiben. Darüber hinaus gibt es Seminare, die ohne die Präsenz sehr leblos wirken."

David Zuchowski kann dem "Fernlernen" auch nicht mehr viel abgewinnen: "Kurzzeitig fand ich es ganz gut, die Uni vom Bett aus machen zu können. Aber das hat sich schnell geändert", sagt der Germanistik-Student, der im achten Semester studiert. "Durch ständige Abgaben ist der Arbeitsaufwand enorm gewachsen. Teilweise musste man den ganzen Tag am PC sitzen." Alle Befragten wünschen sich die Präsenzlehre dringend zurück – wenn sie auch nicht bei allen Veranstaltungen notwendig ist. "Aufgezeichnete Vorlesungen kann man bei Bedarf auch mal zurückspulen – und man wird so auch zeitlich flexibler", erklärt Zuchowski einen Vorteil der Onlinelehre. Und Geschichtsstudent Müller meint: "Manche Professoren beantworten nicht einmal in den Präsenzvorlesungen Fragen." Solche Veranstaltungen könnten daher in derselben Qualität auch online stattfinden.

> Die fehlenden Nebenjobs: Viele Studierende brauchen Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. "Es ist deutlich schwerer, jetzt an einen Nebenjob zu kommen", bedauert Jana Blunk, Chemie-Studentin im ersten Semester. Die Arbeitsmöglichkeiten in der Gastronomie, wo viele Studierende normalerweise unterkommen, fallen im November weg. Aber auch schon vorher hatten Studis häufig das Nachsehen, weil festangestellte und hauptberufliche Mitarbeiter in der Krise von den Restaurants und Bars eher gehalten werden.
Doch es gibt auch Alternativen: Geschichtsstudent Marius Müller verdient sein Geld durch Nachhilfe – und ist so unfreiwillig zum "Krisengewinner" geworden: "Die Nachfrage ist enorm gestiegen. So viele Leute kann ich eigentlich gar nicht bedienen." Denn nicht nur viele Studierende, auch die Schüler mussten während des Onlineunterrichts einiges aufarbeiten.



