Rektor Eitel fordert finanzielle Hilfe für die Universitäten
Angesichts der explodierender Energiepreise fürchten die Universitäten "Irreparable Schäden".



Rektor der Universität Heidelberg
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Universitäten in Baden-Württemberg rechnen angesichts der aktuellen Preissteigerungen im Energiesektor bereits jetzt mit Mehrkosten von 50 Millionen Euro im Jahr. Deshalb hat sich die Landesrektorenkonferenz mit einem Hilferuf an die Regierung in Stuttgart gewandt. Universitätsrektor Bernhard Eitel erklärt im RNZ-Interview die Hintergründe aus Heidelberger Sicht.
Wie schlimm ist die Lage an der Universität Heidelberg?
Nach einer ersten Schätzung rechnen wir bei den derzeitigen Energiekosten jetzt schon für dieses Jahr mit Mehrausgaben von über 13,5 Millionen Euro. Sollten die Befürchtungen eintreffen, dass sich die Preise verdreifachen, stellt das die gesamte Finanzierung der Universität und unsere Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit infrage. Wenn Forschung und Lehre heruntergefahren werden, weil wir den Strom nicht mehr zahlen können, hätte das schwerwiegende Folgen, nicht zuletzt für die Studierenden und die Beschäftigten bis hin zu Entlassungen.
Was fordern Sie vom Land?
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Die Universitäten in anderen Bundesländern können bereits fest mit einem finanziellen Ausgleich rechnen. In Baden-Württemberg werden die Energiekosten für die Pädagogischen Hochschulen und andere Hochschularten vom Land getragen, nur die Universitäten müssen als einzige selbst für ihre Energiekosten aufkommen. Daher erwarten wir, dass das Land uns in der aktuellen Krise unterstützt.
Was bereitet Ihnen mehr Kopfzerbrechen – die steigenden Gas- oder die steigenden Strompreise?
Das geht Hand in Hand. Die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage mit Gasturbine im Neuenheimer Feld erzeugt Strom – und der wird dann in Kälte, Wärme und Dampf umgewandelt. Das heißt, der Gaspreis schlägt bei allen Nutzern auf dem Campus im Neuenheimer Feld voll durch. Es muss der Politik klar sein, dass wir den Betrieb nicht so einfach herunterfahren können.
Warum nicht?
Die Natur- und Lebenswissenschaften, die Kliniken, das Universitätsrechenzentrum, das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Max Planck-Institute bilden auf dem Campus einen großen Organismus, den man nur insgesamt am Leben erhalten kann. Neben der Patientenversorgung würde auch in der universitären Forschung eine komplette Abschaltung irreversible Schäden verursachen: Zellkulturen und herangezüchtete Pflanzen wären zum Beispiel verloren, unsere Tierbestände wären betroffen. Wenn in der Chemie bestimmte Versuchsreihen nicht mehr heruntergekühlt werden, kann es schnell gefährlich werden.
Sie könnten aber zum Beispiel doch die Studierenden wieder ins Homeoffice schicken?
Das müssen wir unbedingt verhindern. Die Studierenden selbst haben uns schon signalisiert, dass sie lieber im Parka in den Hörsaal kommen, als zu Hause vor dem Rechner zu arbeiten. Eine kalte Lehre ist besser als gar keine Lehre in Präsenz. Und es heißt ja auch, wir sollen einen kühlen Kopf bewahren. Natürlich werden wir, wo wir können, Strom und Heizkosten einsparen. Dem verschließen wir uns auch gar nicht. Im Gegenteil, wir richten zu diesem Zweck eine "Task Force" ein. Die Politik darf aber nicht die Fehler der Corona-Pandemie wiederholen.
Was meinen Sie damit?
In der Pandemie hatten die Entscheidungsträger die Universitäten viel zu wenig auf dem Schirm. Wir erwarten nun, dass die Politik nicht nur mit der Industrie spricht, sondern auch mit den Universitäten. Und diese müssen differenziert betrachtet werden. Unsere Situation ist hochkomplex. Und wir sind systemrelevant. Wenn jetzt schon einige von einer Energie-Triage sprechen, dürfen die Universitäten nicht die Patienten sein, die man sterben lässt. Irreparable Schäden wären die Folge.
Seit etlichen Jahren klagen Sie über den Sanierungsstau an den universitären Gebäuden. Die Situation wäre sicher nicht so dramatisch, wenn es diesen nicht gebe. Lässt sich das beziffern?
Wir rechnen allein im universitären Bereich in Heidelberg mit einem Sanierungs- und Projektstau zwischen 700 Millionen und einer Milliarde Euro, bei den Kliniken mit einer weiteren Milliarde. Die Anstrengungen des Landes reichen hier einfach nicht aus, unsanierte Gebäude kosten ein vielfaches mehr an Energie.
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sagte angesichts der aktuellen Energiekrise, die Landesregierung sei mit den Universitäten im Gespräch. Was können Sie uns darüber sagen?
Die Gespräche führt die Landesrektorenkonferenz. Ich finde es auf jeden Fall gut, dass die Ministerin schnell reagiert hat. Wir haben aus ihrem Haus eine Anfrage bekommen, auf die wir bis zum 20. Juli antworten sollen. Wir brauchen aber jetzt schnell eine Unterstützungszusage, denn es ist unsere Aufgabe, uns auf alle Eventualitäten vorzubereiten und handlungsfähig zu bleiben.