OB-Wahl angefochten? Heidelberg kennt das längst
Zwei Bürger kämpften 1966 gegen die Wahl Reinhold Zundels zum Oberbürgermeister. Der fungierte zwei Jahre als Amtsverweser.

Wahlplakate auf der Heidelberger Czernybrücke 1966. Der CDU-Kandidat Siegfried Kampf unterlag seinem SPD-Kontrahenten Reinhold Zundel damals nur knapp. Fotos: Welker
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Das, was Eppelheim gerade kommunalpolitisch durchmacht, kennt Heidelberg, auch wenn es 50 Jahre her ist: Ein neues Stadtoberhaupt - in Eppelheim Patricia Popp (SPD) - ist gewählt, darf aber das Amt noch nicht antreten. In Heidelberg gewann am 3. Juli 1966 Reinhold Zundel (SPD) zwar mit 267 Stimmen Vorsprung im zweiten Wahlgang, fungierte aber zwei Jahre als Amtsverweser, also als kommissarischer Oberbürgermeister. Erst am 15. Juli 1968 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen die Wahl zurück. Die beiden Kläger konnten unterschiedlicher nicht sein: Heinz Marzahn, laut "Spiegel" "der Senior der Heidelberger Gammler" und die fein auftretende und deutschnational gesinnte Else Hermenau.
Marzahn war selbst OB-Kandidat, kam aber nur auf 119 Stimmen (0,2 Prozent). Er hatte sich vor allem darüber beschwert, dass er sich nicht persönlich vorstellen konnte. Das Problem: Marzahn war erst im zweiten Wahlgang angetreten, eine Vorstellung der Kandidaten mit Foto im Amtsblatt gab es nur für Bewerber des ersten Wahlgangs. Marzahn galt damals als Wirrkopf: 1974 kandidierte er erfolglos als Bundespräsident, Ende der 70er dann als Bürgermeister in Mauer, Gaiberg und Dossenheim - gegen alle diese Wahlen legte er Widerspruch ein. Zu dieser Zeit stand auf seinem Briefpapier "Deutschland - Der Reichspräsident". Etwas anders sah es da bei Else Hermenau aus: Sie warf Alt-OB Robert Weber vor, sich zu Gunsten Zundels in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Außerdem habe OB Weber als Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses nicht für einen korrekten Ablauf der Wahl gesorgt: So hätten nicht alle Wähler bei der Stimmabgabe ihre Wahlkarten vorweisen müssen; außerdem sei nach dem ersten Wahlgang kein gesondertes Wählerverzeichnis aufgestellt worden.
Der Gemeinderat wies beide Einsprüche zurück: einstimmig den Marzahns, etwas anders verhielt sich das mit dem Hermenaus: CDU und Freie Wähler enthielten sich. Und zwar mit Grund: Beide Gruppierungen hatten den Kandidaten Siegfried Kampf (CDU), den Oberstadtdirektor von Hildesheim, unterstützt. Kampf kam wie Hermenau ursprünglich aus Ostpreußen - und das war auch die Motivation der "resoluten alten Dame" (Dieter Haas im "Tageblatt"), ihrem Landsmann doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Nur: Es nutzte alles nichts, in zwei Instanzen unterlagen Marzahn und Hermenau.
Die Gemeinderatsmehrheit hatte schon am 21. Juli 1966, als sie die beiden Einsprüche zurückwies, betont: "Die augenblickliche Situation verträgt keine Vakanz an der Spitze der Stadtverwaltung", wie Karl Stauder in der RNZ schrieb. Und im Gegensatz zu Dieter Mörlein heute in Eppelheim machte Alt-OB Weber keinerlei Anstalten, länger im Amt zu bleiben - er war froh, die Politik endlich hinter sich lassen zu können. Am 10. Dezember 1966 machte der Rat Nägel mit Köpfen: Mit 29 Ja-, einer Nein-Stimme und fünf Enthaltungen wurde Zundel zum Amtsverweser gewählt.
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Offiziell wurde er erst dann OB, als das Bundesverwaltungsgericht 1968 seine Wahl bestätigt hatte. Somit währte Zundels erste Amtszeit knapp zehn Jahre. Erst 1976 wurde wieder gewählt, wieder trat Marzahn (neben dem FDP-Kandidaten Peter Menke-Glückert) gegen Zundel an, und der Amtsinhaber holte fast 80 Prozent. Er sollte noch bis 1990 regieren.



