Nach dem Fischsterben auf der Jagst: Kein Wassersport auf dem Neckar?
Heidelberger Ruderklub riet noch am Mittwoch, seinen Mitgliedern, nicht zu rudern, mittlerweile wurde die Empfehlung zurückgenommen - Düngemittel für Menschen wohl ungefährlich

Von Micha Hörnle
Da war wohl der Heidelberger Ruderklub (HRK) etwas voreilig: Am Mittwoch schrieb er an seine Mitglieder: "Der Vorstand des HRK empfiehlt, bis einschließlich Montag, 31. August, nicht zu rudern. Wir bemühen uns um Aufklärung." Grundlage für diese dringende Warnung war eine Meldung des Internet-Nachrichtenportals "Spiegel Online" vom Dienstag. Demnach rechneten die Behörden damit, dass das mit Ammoniumnitrat, einem Düngemittel, verunreinigte Wasser der Jagst "in den kommenden Tagen" auch in den Neckar fließen würde. Und weiter: "Das Landratsamt Heilbronn rät Menschen dringend davon ab, im Fluss zu baden, zu fischen, Wasser zu entnehmen oder Kanu zu fahren. Die Gesundheit sei in Gefahr. Die Warnung gilt bis zum kommenden Montag."
Nur: Das alles ist ziemlicher Unfug: Eine Recherche der RNZ bei den Landratsämtern Heilbronn, Künzelsau - hier sitzt der Jagst-Krisenstab - und Rhein-Neckar ergab: Erstens ist mit "Fluss" nicht der Neckar, sondern die Jagst gemeint. Zweitens gibt es ganzjährig die dringende Empfehlung, nicht im Neckar zu baden - unabhängig vom Fischsterben in der Jagst. Und drittens dauert es wahrscheinlich noch mindestens eine Woche, bis das Düngemittel überhaupt den Raum Heidelberg erreicht. Das liegt vor allem daran, dass alle Flüsse momentan eher wenig Wasser haben und ziemlich langsam fließen. "Vor Wochenanfang kommt wohl nichts in den Neckar", sagt Manfred Körner vom Landratsamt Heilbronn. Bei Bad Friedrichshall mündet das Hohenlohe-Flüsschen Jagst in den zehn Mal mächtigeren Strom - und dann sind es noch einmal 75 Kilometer bis Heidelberg; bis die ersten Ammonium-Spuren in Heidelberg gemessen werden können, dauert es dann wohl noch eine weitere Woche. Für Körner ist die Sache klar: "Im Neckar wird sich die Konzentration sehr verdünnen."
Für die Ruderer oder Kanuten bestehe so lange überhaupt keine Gefahr: "Ihr könnt so lange in Heidelberg rudern, so viel ihr wollt." Außerdem rechnet Körner nicht damit, dass das für Fische durchaus tödliche Ammonium für Menschen gesundheitsschädlich ist: "Nur Menschen, die durch Kiemen atmen, sollten dann nicht ins Wasser."
Das sieht im Grunde auch Jörg Huber, der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Heidelberg, so: "Die für Fische bereits tödliche Konzentration von einem Milligramm pro Liter ist für Menschen wohl keine Gefahr." Hubers Behörde geht es weniger um die Gesundheit der Ruderer, sondern um die der eigenen Mitarbeiter, beispielsweise der Wasserbauer. Und er warnt vor Panikmache: "Das ist natürlich nicht mit der Sandoz-Katastrophe auf dem Rhein vor fast 30 Jahren zu vergleichen."
Niemand kann allerdings ausschließen, dass die Lebewesen im Neckar unter dem Düngemittel leiden könnten. Zwar gilt ein ähnlich flächendeckendes Fischsterben wie in der Jagst als unwahrscheinlich, aber viel hängt von der Fließgeschwindigkeit und dem Wasserstand des Stromes ab - und dazu gehört auch, wie stark ihn seine Nebenflüsse ab Bad Friedrichhall, also Elz oder Elsenz, speisen. Huber hofft auf einen möglichst starken, langen Regen in den nächsten Tagen: "Das würde helfen." Gerade arbeiten die betroffenen Landkreise mit Hochdruck daran, die Ammonium-Konzentration zu verringern, dennoch sank in Mulfingen nach Auskunft des Krisenstabes der Wert im Laufe des gestrigen Tages von 36 auf 21 Milligramm - immer noch tödlich für Fische.
Inzwischen arbeitet das Wasser- und Schifffahrtsamt mit eigenen Mitteln daran, das Düngemittel, wenn es denn den Neckar erreicht, zu verdünnen: So werden seit gestern die Wehre gestaut, damit der Fluss später mehr Wasser hat. Mit Prognosen ist Huber vorsichtig: "Alles hängt vom Wasserstand ab - und da sind wir erst nächste Woche schlauer." Und deswegen will er auch nicht den Stab über den HRK-Vorstand brechen, der seine Ruderer gewarnt hatte: "Ich verstehe diese Vorsicht." Auch aus dem Landratsamt Rhein-Neckar heißt es: "Keiner kann mit Bestimmtheit sagen, was im Neckar in welcher Konzentration ankommt. Am Anfang sagten die Experten, die Katastrophe auf der Jagst hätte keine Auswirkungen auf unseren Raum, in der Zwischenzeit rechnet man doch mit welchen. Insofern spricht nichts gegen eine gewisse Vorsicht."
HRK-Vorstand Holger Xandry hat die Empfehlung, bis Montag nicht auf dem Neckar zu rudern, gestern zurückgenommen: "Wir hatten einen falschen Informationsstand. Aber besser, man warnt lieber einmal zu früh als zu spät." Und schließlich könne es ja sein, dass er in der nächsten Woche erneut warnen muss. Seine Kollegin Annette Kerstein vom anderen Ruderverein der Stadt, der Rudergesellschaft (RGH), hatte sich nicht von der Panik anstecken lassen, sie telefonierte lieber mit der Wasserschutzpolizei, als sich auf "Spiegel Online" zu verlassen. Sie meint: "Wir warten ab und informieren dann zeitnah. Alles andere ist momentan Kaffeesatzleserei." > Artikel auf Metropolregion