Mannheims Q6/Q7 setzt Heidelberger Einzelhandel "nicht unter Druck"

Der städtische Wirtschaftsförderer Ulrich Jonas sieht den Einzelhandelsstandort Heidelberg gut gewappnet. Reines Einkaufen sei passé, es gehe um das Erlebnis.

28.09.2016 UPDATE: 29.09.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 49 Sekunden
Die Heidelberger Hauptstraße: Leidet die Einkaufsmeile in Zukunft unter der Mannheimer Q6/Q7-Konkurrenz? Foto: Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Ulrich Jonas (62) leitet seit November 2007 das städtische Amt für Wirtschaftsförderung. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte, das "Innenstadtforum" zu organisieren, mit dem 2008 der Einzelhandelsstandort Heidelberg gestärkt werden sollte. Damals wurde empfohlen, kein Einkaufszentrum zu bauen, sondern die Attraktivität der Hauptstraße mit einem großen Textilkaufhaus im Gebäude des ehemaligen Kinos "Lux-Harmonie" zu stärken. Dazu kam es nicht, und in näherer Zukunft kann Heidelberg auch nicht damit rechnen, dass es zu weiteren Zuwächsen bei der Einzelhandelsfläche kommt. Von Jonas wollte die RNZ wissen, ob man nun nach der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums in den Mannheimer Quadraten Q6/Q7 um den Standort Heidelberg fürchten muss.

Ulrich Jonas leitet die Heidelberger Wirtschaftsförderung. Foto: privat

Herr Jonas, wird das Einkaufszentrum Q6/Q7 ein Problem für Heidelberg?

Nein. Denn die Heidelberger Innenstadt hat aufgrund ihrer Atmosphäre, ihrer Kleinteiligkeit, ihres Branchenmixes und ihrer hohen Frequenz einen ganz eigenen Markt, der nicht mit dem der Mannheimer Innenstadt identisch ist. Die Funktionen der beiden Einkaufsstädte sind sehr verschieden, und im Grunde ist der Markt verteilt, in den Q6/Q7 hineinkommt.

Also könnte Q6/Q7 ein Problem für Mannheim werden?

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Davon gehe ich nicht aus. Ich wünsche der Entwicklung in Mannheim viel Erfolg.

Aber gerade in Q6/Q7 gibt es doch Läden, beispielsweise "Primark", die es in Heidelberg nicht gibt, die bei jungen Leuten sehr gut ankommen und die die Leute von hier weglocken werden.

Ich bin davon überzeugt, dass der Einzelhandelsstandort Heidelberg stabil und attraktiv ist - für ganz unterschiedliche Zielgruppen. Bei uns ist es eher so, dass man nicht nur einkauft, sondern auch durch die Altstadt streift, einen Kaffee trinkt, ins Theater, ins Museum oder auf die Neckarwiese geht. Überhaupt scheint der Trend vom reinen Einkaufen wegzugehen, gerade bei jungen Leuten. Daher glaube ich nicht, dass Q6/Q7 den Standort Heidelberg unter Druck bringen kann.

Sie sprechen den Wohlfühlfaktor in Heidelberg an, aber auch Mannheim rüstet gerade seine Straßen und Plätze auf.

Man muss abwarten, für welche Zielgruppe sich ein Standort durchsetzt. Am Ende entscheidet der Erfolg. Die Klientel, die es in unsere Innenstadt zieht, also auch vor allem Touristen, werden wohl auch nach der Eröffnung von Q6/Q7 eher nicht nach Mannheim gehen. Es ist für uns ein Glücksfall, dass sich so viele Besucher in unserer Stadt wohlfühlen und gerne nach Heidelberg kommen.

Reden wir mal von den Schwächen des Einzelhandelsstandorts Heidelberg.

Mir fällt nur eine einzige ein: dass im Bereich mittelpreisiger und höherwertiger Textilien und Sportartikel nicht mehr Angebote da sind. Ein bisschen mehr davon wäre für die Basiskompetenz eines Oberzentrums besser.

Da gab es ja die verpasste Gelegenheit mit dem Kino "Lux-Harmonie", wo solch ein großes Textilkaufhaus hätte einziehen sollen. Jetzt kommt ein Supermarkt rein.

Letztlich entscheidet darüber der Eigentümer. Das war ein sehr langer Prozess, an dessen Ende es nicht zu der großen Verkaufsfläche kam, die ich mir gewünscht hätte. Das liegt nicht daran, dass die Textilhändler nicht nach Heidelberg kommen wollen, sondern in diesem Fall nicht bereit waren, für ein denkmalgeschütztes Objekt, das aufwändig zu sanieren ist, eine entsprechende Miete zu zahlen.

Gibt es denn noch irgendwo Flächen, wo ein Textilkaufhaus hinkönnte?

Wir würden das unterstützen - durch unsere gute Vernetzung und unser frühzeitiges Wissen, wo sich etwas tut - und dann ergreifen wir jede erkennbare Chance.

Eine große Fläche wäre die Sportarena im Darmstädter-Hof-Centrum. Aber da soll ein Outlet-Center rein, wenn es nach dem Willen der neuen Kaufhof-Eigentümer geht.

Das ist im Grunde eine gute Nachricht, wenn ein Einzelhändler in Heidelberg mit einem neuen Konzept in den europäischen Markt einsteigt. Denn dieses Angebot ist bisher bei uns nicht bekannt, soll aber in den USA sehr gut laufen. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass es in den beiden bestehenden Kaufhof-Filialen mehr Angebote im Sportsegment gibt. Am Ende hätten wir also nicht weniger Angebot in diesem Bereich, sondern nur an anderer Stelle und mit neuer Kompetenz.

Ein Index, der die Attraktivität einer Einkaufsstadt misst, ist die sogenannte Zentralität. Vor 20 Jahren lag Heidelberg bei einem Wert von 145, heute bei 122, während Mannheim mittlerweile die alte Heidelberger Marke erreicht hat. Was ist da passiert?

Zentralität ist kein geschützter Begriff, den berechnet jeder anders. Die Stärke Mannheims kommt vor allem durch die Ausweitung der Verkaufsfläche im Mode- und Sportbereich. Aber für ein Oberzentrum dieser Art erzielen wir immer noch gute Werte und haben uns vor allem in den letzten Jahren stabilisiert. Man muss auch wissen: Ohne einen großen Mode- oder Sporthändler kann man in der Innenstadt keine Zentralitätszuwächse erzeugen.

Aber ist denn das sinnvoll, dass es immer mehr Verkaufsfläche gibt - gerade in Zeiten des wachsenden Internethandels?

Zumindest prophezeien die meisten Fachleute eher eine Stagnation, manche auch ein Schrumpfen. Das liegt nicht nur am Internethandel, sondern auch an dem, was man "Hybridisierung der Kunden" nennt: Die Leute kaufen nicht nur ein, sondern verbringen zugleich auch ihre weitere Freizeit in einer Innenstadt.

War es also richtig, dass in Heidelberg kein Einkaufszentrum gebaut wurde, wie man es noch vor gut zehn Jahren plante?

Das war eine gute Entscheidung. Aber diese Aussage gilt nur für Heidelberg, nicht für Einkaufszentren generell.

Ist deren Konzept überholt? In der Rhein-Galerie in Ludwigshafen stehen Läden leer, die Walzmühle direkt nebenan verlor gerade die wichtigsten Mieter.

Die Betreiber von Einkaufszentren beschäftigen sich intensiv mit der Zukunft und werden die Stärken weiter ausspielen. Das Grundmodell des Einkaufszentrums wird es schaffen, sich an die Veränderungen im Kundenverhalten anzupassen.

In den Heidelberger Einkaufszentren fällt auf, dass es immer mehr Imbisse gibt. Ist das ein Zeichen dafür, dass der Einzelhandel dort langsam ausstirbt?

Es handelt sich nicht um ein Aussterben des Einzelhandels, sondern um eine Angebotsanpassung, die den geänderten Bedürfnissen der Kunden entspricht. Auch in der Hauptstraße und in den Seitengassen ist der Wandel zu bemerken. Ich bin mir sicher, dass reine Ladenzeilen heute nicht mehr erfolgreich sein können und Heidelberg bestens für die Zukunft aufgestellt ist - auch und gerade im regionalen Standortwettbewerb.

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