Kommen die Werkswohnungen wieder?
Die SPD lud zur Diskussion über ein Wohnraumkonzept für Beschäftigte in systemrelevanten Berufen ein. Dabei ist die Idee nicht neu.

Von Steffen Blatt
Heidelberg. Wer in Heidelberg in einem medizinischen Pflegeberuf arbeitet, in der Altenversorgung, im Kindergarten oder an der Supermarktkasse, hat es häufig schwer, in der Stadt eine bezahlbare Wohnung zu finden – zu angespannt ist der Markt. Eine mögliche Lösung könnte sein, dass Arbeitgeber – vor allem in systemrelevanten Branchen – selbst Wohnraum für ihre Beschäftigten anbieten. Darum ging es am Dienstagabend auf einer Veranstaltung der SPD-Gemeinderatsfraktion im Literaturcafé der Stadtbücherei.
Vor nur einem guten Dutzend Menschen im Publikum diskutierten Sören Michelsburg, wohnungspolitische Sprecher und OB-Kandidat der SPD, Abraham de Wolf von der Initiative "Bürger für Heidelberg" und Simon Wieland, der sich beim privaten Berliner Forschungsinstitut Regio-Kontext mit diesem Thema beschäftigt.
Früher hießen sie Werkswohnungen oder Arbeitersiedlungen – einzelne Blocks oder ganze Viertel, die von Unternehmen errichtet wurden, damit ihre Beschäftigten dort günstig und nahe der Arbeitsstelle wohnen konnten. Der Heidelberger Ochsenkopf ist ein Beispiel dafür, die Siedlung wurde einst für Eisenbahner gebaut. Das Konzept kam im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert auf, rund 500.000 Werkswohnungen gab es zu Hochzeiten in Deutschland, erklärte Wieland, der per Video zugeschaltet war. Ab den 1980er-Jahren wurden die meisten davon allerdings verkauft.
Heute sind in vielen Städten bezahlbare Wohnungen knapp, gleichzeitig suchen Unternehmen in fast allen Branchen händeringend nach Fachkräften. Hier könnten "Mitarbeitendenwohnungen", wie sie heute genannt werden, wieder interessant werden im "Kampf um die besten Köpfe", wie Wieland sagte. "Unternehmen schaffen dadurch einen echten Mehrwert für potenzielle neue Beschäftigte und sie erleichtern den Berufseinstieg, wenn etwa Auszubildende eine Firmenwohnung bekommen, bis sie auf dem freien Markt etwas Passendes gefunden haben. Zudem können solche Angebote ein Faktor sein, um Fachkräfte zu halten", so der Experte.
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Michelsburg stellte eine Frage, die sich sofort aufdrängt: "Was passiert, wenn der Job gewechselt wird?" Damit verbunden ist auch die Kritik, dass ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig der Vermieter ist. Hier musste Wieland mitteilen, dass sich an dieser Koppelung nicht viel geändert habe. Eine besondere Bestimmung im Mietrecht mache das möglich. "Aber der Trend geht ohnehin eher zu temporären Lösungen."
In Heidelberg könnten solche Wohnungen vor allem in Patrick-Henry-Village (PHV) entstehen. Noch gehört das ehemalige US-Gelände der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), und die will auf einem Teil des Areals selbst Wohnungen für Bundesbedienstete entwickeln. "Hier könnte man doch einen Teil auch für Angestellte des Landes zugänglich machen, also für Mitarbeitende der Universität und des Klinikums", schlug de Wolf vor, der sich seit Jahren mit der Thematik PHV beschäftigt. Dazu müsste sich die Stadt aber mit dem baden-württembergischen Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) zusammensetzen. "Das ist eine konkrete Möglichkeit für die Politik, einzugreifen", so de Wolf weiter. Auch sollten zu entwickelnde Gewerbeflächen nur mit der Maßgabe vergeben werden, dass auch Wohnraum geschaffen werde.
Prompt kam Widerspruch von einer Auszubildenden des Uniklinikums, die in einem Wohnheim im Neuenheimer Feld wohnt. "Wenn bei mir auf eine Frühschicht eine Spätschicht folgt, habe ich dazwischen neun Stunden Zeit. Da sind 35 Minuten einfacher Arbeitsweg von PHV zu lange." Michelsburg, der mehr zuhörte als selbst zu reden, wies darauf hin, dass im Masterplan für das Neuenheimer Feld auch der Auftrag zur Schaffung von mehr Wohnraum stehe.
Bei der Suche nach Flächen seien auch kreative Lösungen gefragt, sagte Wieland: "Die Stadt München etwa hat Parkplätze überbaut und dort Wohnungen für ihre Auszubildenden errichtet." Generell solle man aber die Firmen bei der Schaffung von Wohnraum für Fachkräfte nicht so leicht aus der Verantwortung lassen. "Das heißt ja nicht, dass jede Firma selbst 500 Wohnungen bauen muss. Das geht auch über Kooperationen mit Wohnungsgesellschaften wie der GGH oder durch Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen."
Man habe für die Arbeit im Gemeinderat viel mitgenommen, was angegangen werden müsse, sagte Michelsburg am Ende. "Wir müssen als Stadt immer entscheiden, wo wir priorisieren – und wir als SPD sagen: im Zweifel für die Schwächeren."



