Heidelberg

Fraktionen gegen Böller-Verbot in der Innenstadt

Reaktion auf Forderung der Altstadt-CDU - Grüne können sich zentral organisierte Feuerwerke vorstellen

02.01.2019 UPDATE: 03.01.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Laut Altstadt-CDU-Chef Erik Bertram glich die Theodor-Heuss-Brücke an Silvester einem Schlachtfeld. Das sah aber nur er so. Foto: Priebe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Die CDU Altstadt/Schlierbach steht mit ihrer Forderung, das Abbrennen von Raketen und Böllern in der Heidelberger Innenstadt zu verbieten, ziemlich alleine da. Die großen Fraktionen im Gemeinderat lehnen ein Verbot ab.

Der Vorsitzende der Altstadt-CDU, Erik Bertram, hatte von "untragbaren Zuständen" auf der Theodor-Heuss-Brücke in der Silvesternacht berichtet. Er hatte "Szenen wie auf einem Schlachtfeld" beobachtet, bei denen "rivalisierende Clans" sich mit Raketen beschossen hätten. Daher fordert sein Ortsverband ein Böllerverbot für die Innenstadt - und regt an, dass die Stadt zum Jahreswechsel künftig ein zentrales Feuerwerk organisiert.

Hintergrund

Feuerwerk wird häufiger verboten

Das Totalverbot: Eine Selbstverständlichkeit ist das private Feuerwerk zu Silvester vielerorts nicht mehr. Der konsequenteste Vorreiter in Sachen Knallverbot ist

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Feuerwerk wird häufiger verboten

Das Totalverbot: Eine Selbstverständlichkeit ist das private Feuerwerk zu Silvester vielerorts nicht mehr. Der konsequenteste Vorreiter in Sachen Knallverbot ist Schweden, wo an Silvester 2018 das letzte Mal aus privater Hand Raketen in den Himmel geschossen sind: 2019 wird das nur noch nach einer Schulung erlaubt sein. Böller waren bereits 2002 verboten worden.

Die Situation in Deutschland: Erstmals verboten hatte Hannover an Silvester das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern in der Innenstadt. Auch in der Düsseldorfer Altstadt ist Pyrotechnik nicht erlaubt. In Köln ist das Abbrennen von Feuerwerk rund um den Dom tabu. Schon länger verboten ist das Knallen in historischen Altstädten wie Göttingen, Lüneburg, Weimar oder Tübingen, wo an Silvester 2008 ein Fachwerkhaus in Brand geraten und ein Millionenschaden entstanden war.

Die Gründe: Neben dem Brandschutz wird - wie beispielsweise in Hannover - die Sicherheit der Bürger ins Feld geführt. Dort seien in den vergangenen Jahren Böller in Menschenmengen geworfen und Raketen auf Passanten abgefeuert worden. Auch die "Deutsche Umwelthilfe" fordert eine Einschränkung der Silvesterknallerei. Zum Jahreswechsel werden laut der Organisation rund 5000 Tonnen Feinstaub freigesetzt, was etwa 17 Prozent der jährlich im Straßenverkehr entstehenden Feinstaubmenge und mehr als zwei Prozent aller Feinstaub-Emissionen entspreche.

Die mögliche Alternative: In allen Städten mit hoher Luftbelastung müsse es zentrale und professionell veranstaltete Feuerwerke außerhalb der sensiblen Zonen geben, fordert die Umwelthilfe. Diese gibt es beispielsweise in London am Riesenrad London Eye, am Times Square in New York oder in Sydney über der berühmten Oper. (jola).

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Die CDU-Gemeinderatsfraktion will Bertram nicht folgen: "Das Feiern in der Silvesternacht inklusive Feuerwerk ist Tradition und guter Brauch in Deutschland", sagt Fraktionschef Jan Gradel. Dazu gehöre auch und gerade das gemeinsame Feiern in der Öffentlichkeit.

Gradel sagt ganz deutlich: "Wir wollen das nicht verbieten." Auch einem zentral organisierten Feuerwerk vonseiten der Stadt könne seine Fraktion wenig abgewinnen. Gradel feierte in der Silvesternacht - wie jedes Jahr - selbst auf der Theodor-Heuss-Brücke. Er hat von dem, was sein Parteifreund Bertram berichtet, nichts mitbekommen: "Es war auf der Brücke eigentlich alles wie immer."

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Die Grünen-Fraktion spricht sich ebenfalls gegen ein Verbot aus: "Das ist nicht das richtige Instrument", sagt Fraktionschefin Beate Deckwart-Boller. "Es ist auch unrealistisch, das zu kontrollieren." Aber beschäftigen müsse man sich mit dem Thema schon - vor allem aufgrund der Lärm- und Feinstaubbelastung. "Der richtige Weg ist eher, die Leute davon zu überzeugen, weniger zu böllern."

Dabei könnten zentral organisierte Feuerwerke durchaus helfen. "Aber ich fände es schwierig, das nur in der Altstadt anzubieten - und nicht in jedem Stadtteil", so Deckwart-Boller. Man könne ja mal darüber nachdenken, ob man im Sommer eine Schlossbeleuchtung weniger mache - und dafür städtisch organisierte Silvesterfeuerwerke in den Stadtteilen.

Die SPD-Fraktion hält es "für nicht sinnvoll, voreilig Verbote zu fordern", wie Stadtrat Andreas Grasser sagt. Man könne sich aber vorstellen, das Böllern lediglich in bestimmten Bereichen in der Innenstadt zuzulassen. Auch ein zentral organisiertes Feuerwerk halte die Fraktion für vorstellbar. "Wir werden das Gespräch mit Polizei und Feuerwehr suchen, um die bestmögliche Lösung zu finden", so Grasser.

Die Fraktion "Die Heidelberger" ist strikt gegen ein Verbot: "Verbote kommen überhaupt nur an bestimmten Gefahrenstellen in Frage, wenn etwa Gefahren für die öffentliche Sicherheit drohen. Das trifft nach aktuellem Stand auf die Heidelberger Innenstadt nicht zu", so Fraktionsvorsitzender Matthias Diefenbacher. Ein zentrales Feuerwerk kann er sich nur dann vorstellen, wenn sich dafür Sponsoren finden. Gelder aus dem Haushalt wollen die "Heidelberger" auf keinen Fall bereitstellen.

Auch Stadtsprecher Achim Fischer ist skeptisch: "Die Idee eines Großfeuerwerks wirkt vielleicht charmant - aber man muss die Konsequenzen sehen." Die Alte Brücke würde gesperrt, ebenso das nördliche Neckarufer - wie bei einer Schlossbeleuchtung. Zudem bräuchte man viele Rettungskräfte, die an Silvester ja sowieso am Anschlag arbeiteten.

"Man sollte auch bedenken: Heidelberg ist in einer anderen Klimazone als etwa Sydney: Es ist nicht sehr attraktiv, bei schlechter Sicht mit einem Feuerwerk die Wolken zu beleuchten." Ein Verbot könne man natürlich politisch diskutieren, so Fischer. Aber: "Man würde damit auch vielen Leuten den Spaß verderben, die mit dieser Silvester-Tradition vernünftig umgehen."

Die Polizei sieht keine Verschärfung des Problems in den vergangenen Jahren. "Klar gibt es immer Leute, die meinen, Böller wild durch die Gegend schießen zu müssen - oder in Einzelfällen sogar gezielt auf andere Menschen", sagt Polizeisprecher Christoph Kunkel. "Aber wir können da keine Häufung im Vergleich zu früher feststellen." Wo Menschenmassen aufeinander träfen, komme so etwas vor. Das sei auf dem Dorf genauso wie in Heidelberg oder Mannheim.

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