Heidelberg

Feier zum 120. Geburtstag Herbert Witzenmanns in der Hebelhalle

Am heutigen Sonntag vor 120 Jahren wurde der Schriftsteller, Unternehmer und Anthroposoph geboren.

16.02.2025 UPDATE: 16.02.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Herbert Witzenmann (1905-1988). F: privat

Von Matthias Roth

Heidelberg. "Denken wird Wirklichkeit" heißt eine Veranstaltung in Erinnerung an den Schriftsteller, Unternehmer und Anthroposophen Herbert Witzenmann, der am 16. Februar vor 120 Jahren geboren wurde. Genaue Beobachtung und präzise Urteilskraft waren ihm besonders wichtig. Es ging ihm darum, "die kreative Verbundenheit des Menschen mit der Wirklichkeit (zu) erschließen", wie es in der Programminformation heißt.

Herbert Witzenmann wurde 1905 in eine Pforzheimer Fabrikantenfamilie hineingeboren: Der Großvater Heinrich hatte zusammen mit Eugène Levavasseur einen Metallschlauch entwickelt, der nicht nur in der Industrie großen Anklang fand (und heute in jeder Küche oder Dusche Verwendung findet).

Auch Enkel Herbert stand früh mit der Fabrik in Verbindung, entwickelte aber daneben gänzlich andere Interessen: Mit 14 Jahren hatte er eine Kant-Gesamtausgabe geschenkt bekommen, die ihn fesselte. Sein erster Berufswunsch war es, Pianist zu werden. Physische Probleme mit den Fingern vereitelten jedoch eine professionelle Betätigung als Musiker. Zum weiteren wurde Witzenmanns Lebensweg entscheidend beeinflusst durch die persönliche Begegnung mit Rudolf Steiner 1923. Dieser empfahl ihm: "Sie müssen immer mit der Literatur in Verbindung bleiben."

Doch Witzenmanns Interessen blieben vielfältig: Zwar schrieb er Gedichte, doch an der Universität in München schrieb er sich für Philosophie und Kunstgeschichte ein. Als Steiners Vorträge "durch nationalistische Schläger und Krawallmacher" gestört wurden, herrschte bald eine betrübliche Stimmung in der Isar-Metropole, sodass Witzenmann nach Basel wechselte.

Ein gewisser Hitler tauchte eines Tages 1928 in Witzenmanns Elternhaus in Pforzheim zum Mittagstisch auf – die Söhne Herbert und Walter waren nicht dabei. Vater Emil und andere Mitglieder der Familie hätten den aufstrebenden Diktator aber "von diesem Tag an durchschaut" gehabt.

Sehr anschaulich schildert dies der Biograf Klaus Hartmann, auch wenn nicht viele originale Aufzeichnungen Witzenmanns erhalten blieben: Die Zerstörungen Pforzheims im Zweiten Weltkrieg betrafen auch Fabrik und Elternhaus sowie fast alle seine Schriften vor 1945. So hat auch seine Dissertation, die Witzenmann nach Studien bei Edmund Husserl in Freiburg sowie bei Friedrich Gundolf und Karl Jaspers in Heidelberg vorlegte. Nach dem Verlust des Manuskripts zur "Philosophie der Arbeit bei Hegel und Nietzsche" im Bombenhagel gelang es Witzenmann nicht mehr, den Text später zu rekonstruieren.

1930 hatte Witzenmann Maria Wozak geheiratet, eine begabte Lyrikerin und Sängerin. Es entstanden die Versdichtung "Der Fünfgesang" und anderes, doch Herbert war schon in der Firma eingespannt und viel auf Reisen und konnte so den schriftstellerischen Weg nicht konsequent verfolgen. Bald häuften sich auch längere Krankheitsphasen. "Mein Vater war immer bei schwacher Gesundheit", berichtet Witzenmanns Tochter Dorothea Paschen, die als Schauspielerin, Rezitatorin, Grünen-Stadträtin und Gedok-Vorsitzende seit Jahrzehnten in Heidelberg aktiv ist.

Witzenmann übernimmt schon während des Krieges Verantwortung für die Firma und ist sehr viel unterwegs. Nach den Verlusten von Haus und Fabrik in Pforzheim verbringt die Familie die direkte Nachkriegszeit in Garmisch-Partenkirchen, das "immer voller Menschen" war, so Paschen.

Die Natur, die eigene Herkunft und Reflexionen über die Reinkarnation sind Themen der literarischen Arbeit jener Tage. Denn auch in diesen wirren Zeiten entstehen Erzählungen, Gedichte und Aufsätze, die teilweise in Zeitschriften erscheinen.

Dabei intensivieren sich Witzenmanns Beziehungen zur Antroposophischen Gesellschaft in Dornach (Schweiz): 1963 wird er in den Vorstand berufen. Allerdings scheidet er wenige Jahre später aufgrund interner Streitigkeiten wieder aus und gründet 1973 ein eigenes "Seminar für freie Jugendarbeit, Kultur und Sozialorganik". Neben autobiografischen Schriften entstehen zahlreiche Arbeiten zur "Strukturphänomenologie", wobei ihn vor allem die Beziehungen zwischen Bewusstsein, Wahrnehmung und Wirklichkeit interessieren.

Herbert Witzenmanns Werk ist umfangreich. Auch das Theaterstück "Der Kanzler" (1979) gehört dazu. In den 1970er Jahren ging es ihm um eine "lebensnahe, menschenfreundliche Wirtschaft", betont Prof. Götz E. Rehn, Gründer der Supermarktkette Alnatura, der Witzenmann 1971 in Dornach kennenlernte.

Für den jungen Volkswirtschaftler wurde der damals schon ältere Herr zum "wesentlichen Gesprächspartner". Mit ihm, der sich schon in den 1920ern mit biodynamischem Landbau befasste, entwickelt Rehn eine eigene Unternehmensphilosophie. "Er war mit seinem ganzheitlichen Denken seiner Zeit voraus, so Rehn. "Die Anthroposophie war für ihn nichts Abgehobenes." Er sei hingegen bestrebt gewesen, diese "ganz praktisch" zum Wohle der Menschen umzusetzen. – Herbert Witzenmann starb 1988 in Heidelberg.

Info: Feier zum 120. Geburtstag Herbert Witzenmanns am 16. Februar, 15 bis 18 Uhr, in der Hebelhalle Heidelberg, Hebelstraße 9. Eintritt frei.

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