Eine Stadttour mit dem Rollstuhl wird zum Fiasko
Wolfgang Wagner und seine Frau Brigitte zeigten bei einer Tour durch die Stadt Hindernisse für Elektro-Rollstühle auf. Oft sind hohe Bordstein-Kanten ein Problem.

Von Marion Gottlob
Heidelberg. Wolfgang Wagner hat sich mehrfach bei der Stadt gemeldet und heftig beschwert: Der frühere Stadtkämmerer und Stadtsyndikus (78) pflegt seit sechs Jahren seine Frau Brigitte (78), die seit einem Jahr auf den Elektro-Rollstuhl angewiesen ist. Im vergangenen Sommer hat er sich bei der Pflege überhoben und mehrere Rückenwirbel gebrochen. Umso mehr ärgert er sich über "seine" Stadt, in der Rollstuhlfahrer und ihre Angehörigen oft vor unüberwindbaren Hindernissen stehen: "Es geht vor allem um die hohen Bordstein-Kanten. Selbst mehrere Personen können den Elektro-Rollstuhl mit meiner Frau manchmal nicht auf die Gehwege hinaufhieven." Die meisten Fachstellen der Stadt haben auf seine Mails nicht reagiert. Nun lud er die RNZ zu einem Demo-Spaziergang ein.
Der Start war an der Ecke Bergstraße zum Mönchhofplatz in Neuenheim. Wenn Wolfgang Wagner die Mönchhofstraße queren möchte, kann er den Elektro-Rollstuhl anschließend nicht mehr auf den Gehweg hinaufschieben. "Die Bordstein-Kante ist zu hoch und nicht abgerundet." Also geht es mit dem Rolli samt seiner Frau einige Meter weiter zu einer abgesenkten Stelle einer Garageneinfahrt. So gelangt das Paar wohlbehalten wieder auf den sicheren Gehweg.

Richtig gefährlich wird es an der Schröderstraße. Die Kante ist so hoch, dass der Elektro-Rollstuhl mit Insassin ins Kippen gerät. Wolfgang Wagner und Pflegerin Edyta Kedzierska können gerade noch das Gerät auffangen, sonst wäre seine Frau Brigitte nach hinten und auf die Straße gefallen. Anschließend ist es nicht möglich, den Rolli wieder auf den Gehweg zu bringen, auch rückwärts nicht. Also begibt sich Wolfgang Wagner erneut auf die Straße. Für die Demo-Fahrt macht das Paar einen Schlenker zur Straßenbahn-Haltestelle. Die Haltestelle ist fast acht Zentimeter tiefer als der Eingang der Straßenbahn gelegen. Ein Hindernis für Rolli-Fahrer. Immerhin, als die Straßenbahn hält, fährt der Fahrer elektronisch eine Rampe aus.
Wolfgang Wagner sagt: "Warum wurde die neue Haltestelle nicht so gebaut, dass man keine Rampe benötigt? Nicht alle Straßenbahnen haben diese Vorrichtung und führen dann leider auch keine mobile Rampe mit. Was dann?"
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Um die Seitenstraßen der Bergstraße in Richtung Neckar zu queren, fährt er mit seiner Frau einen eigenartigen Slalom von einer Absenkung nach der anderen, die zu Privatgrundstücken führen. "Gut, dass es das gibt." Über den Zebrastreifen geht es zur Ampel am Fußgängerweg zum Neckar. Die Demo-Fahrt wird spätestens hier zum Fiasko. Nur mit Mühe kann Wolfgang Wagner seine Frau samt Rollstuhl auf die Straße rollen. Auf der anderen Seite ist es unmöglich, auf den Gehweg zu kommen. Er erzählt: "Vor Kurzem hat ein DRK-Auto gehalten und die Pfleger haben mir geholfen, den Rollstuhl hochzutragen." Alleine sei das nicht möglich.
So schiebt Wolfgang Wagner seine Frau im Rolli auf der viel befahrenen Ziegelhäuser Landstraße weiter. Er weiß: "Das ist sehr gefährlich, es ist verboten. Aber was soll ich eigentlich machen? Die meisten Autofahrer haben Verständnis. Nur ein Radfahrer hatte an einer anderen Stelle mal gerufen: ,Hau ab!‘ Doch meistens sind auch die Radfahrer nett." Einige Meter weiter, fernab der Ampel, ist der Gehsteig plötzlich abgesenkt – und das Paar kann sich in Sicherheit bringen. Wagner: "Warum ist hier der Gehsteig abgesenkt und nicht an der Ampel, wo es gebraucht wird?"
Brigitte Wagner war früher Amtsrichterin in Mannheim. Noch vor zwei Jahren war sie mit ihrem Mann zum Wandern im Urlaub. Vor einem Jahr konnte sie immer noch zwei Kilometer am Stück laufen. Infolge der Demenz verlor sie ihre Beweglichkeit. Sie selbst wiegt etwa 65 Kilogramm, ihr Spezial-Elektro-Rollstuhl 25 Kilogramm (andere Geräte sind wesentlich schwerer). Dieses Gewicht können Pfleger oder Angehörige nicht ständig heben, das würde zu heftigen Rückenbeschwerden führen.
In einem klaren Augenblick sagte Brigitte Wagner zu ihrem Mann: "Es tut mir so leid, dass du so viel für mich tun musst." Doch ihr Mann macht es gerne. Vor Kurzem war er mit seiner Frau im italienischen Meran und konnte mit seiner Frau im Rollstuhl ohne ein einziges Problem die Stadt erkunden und behindertengerechte Bergtouren machen. Aber in Heidelberg ist alles anders. Er sagt: "So etwas Planloses und Herzloses wie in Heidelberg habe ich nirgends gefunden."



