Heidelberg

Carl Neinhaus verliert sein Ehrengrab

Laut Gemeinderat stehe dem ehemaligen Oberbürgermeister eine solche Würdigung nicht zu.

11.02.2022 UPDATE: 13.02.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 16 Sekunden
Carl Neinhaus.Foto: Stadtarchiv

Heidelberg. (ani) Der ehemalige Heidelberger Oberbürgermeister Carl Neinhaus verliert den Ehrengrabstatus. Das hat der Gemeinderat am Donnerstagabend mit großer Mehrheit beschlossen. Vor gut zwei Wochen hatte bereits der Haupt- und Finanzausschuss dafür gestimmt, Neinhaus, der zwischen 1929 und 1958 insgesamt 22 Jahre lang Heidelberger Oberbürgermeister war, die Ehrengrabwürde abzusprechen. Die Stadt kommt nun also nicht weiter für die Pflege von Neinhaus’ Begräbnisstätte auf dem Bergfriedhof auf. Das Grab selbst bleibt unberührt.

Grund für die Aberkennung ist Neinhaus’ Agieren in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes wissenschaftliches Gutachten von Prof. Frank Engehausen vom Historischen Seminar der Universität belegt: Neinhaus war ein politischer Opportunist, der die nationalsozialistische Machtübernahme auch als Chance für seine kommunal-politische Laufbahn sah. Dem Gutachter zufolge zeigte der gebürtige Rheinländer eine "rasche und rückhaltlose Anpassung an das nationalsozialistische Regime". Schon am 1. Mai 1933 war Neinhaus der NSDAP beigetreten.

Neinhaus habe ferner am administrativen Vollzug von NS-Unrecht mitgewirkt, argumentiert Engehausen. Als Beispiele werden im Gutachten etwa die Diskriminierung einer Bäckerei und einer Apotheke in jüdischem Besitz genannt, aber auch Entlassungen ideologisch andersdenkender Beschäftigter der Stadtverwaltung. "Dieses Handeln ist aus heutiger Sicht nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar", heißt es nun in einem Text der Verwaltung zur Erklärung der Aberkennung. Die Ehrenbürgerwürde, die Neinhaus 1963 verliehen worden war, ist unterdessen automatisch mit dessen Tod zwei Jahre später erloschen.

Um Neinhaus’ Person und sein Ehrengrab entbrannte zuletzt im Frühling 2021 auch unter RNZ-Lesern ein Streit – als Reaktion auf die Aufnahme der Grabstätte von Maria Hübner in die Liste der städtischen Ehrengräber. Hübner hatte mehrere Menschen vor Verfolgung durch die Nazis gerettet. Die Stadt gab deshalb im Sommer 2021 ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag, um zu klären, ob Neinhaus weiter ein Ehrengrab gebührt.

Neinhaus wurde 1929 zum Heidelberger Oberbürgermeister gewählt und blieb bis 1958 im Amt. Die Einstufung als "Entlasteter" ermöglichte ihm 1949 den Einzug in den Landtag, zu dessen Präsident er 1952 gewählt wurde. Von 1952 bis 1958 amtierte er erneut als Oberbürgermeister.

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