Iranische Studenten berichten von der Lage in ihrer Heimat
Die beiden SRH-Studenten verfolgen die gegenwärtigen Proteste ganz genau. Ohne die jungen Menschen wären diese nicht möglich, sagen sie.

Von Hannes Huß
Heidelberg. Ohne die Jungen wären die aktuellen Massenproteste in ihrem Heimatland undenkbar, da sind sich Meral und Baran (Namen geändert) einig. Die beiden Studierenden an der SRH kommen aus dem Iran und verfolgen die gegenwärtigen Proteste ganz genau.
Da sie nicht vor Ort sein können und auf der Straße ihrem Unmut Luft machen können, haben sie gemeinsam mit weiteren iranischen Studierenden eine Informationsbroschüre über die aktuellen Proteste sowie frühere Bewegungen im Iran geschrieben.
Im Rahmen eines Aktionstages für Solidarität mit dem Iran, den ihre Hochschule ausrichtet, informieren sie ihre Kommilitonen über die aktuelle Lage in ihrer Heimat. Außerdem sammeln sie Unterschriften für eine Petition an die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner.
Vor allem Meral zeigt sich tief bewegt von den Protestwellen in ihrem Heimatland: "Ich fühle mich den Menschen im Iran emotional tief verbunden. Das sind keine ,anderen Leute’, das sind ,wir’."
Auch interessant
Die 40-Jährige studiert seit einem Jahr im Master-Studiengang "Tanz- und Bewegungstherapie" an der SRH. Zwar habe es in den letzten 20 Jahren immer wieder Bemühungen um Reformen gegeben, doch die aktuellen Proteste seien wie eine "Explosion".
Den Grund dafür sieht vor allem ihr Mitstudent Baran in der Unbekümmertheit der Generation Z, also den nach 1995 Geborenen: "Sie haben die Kultur der Unterdrückung nicht verinnerlicht."
Auch Baran ist seit rund einem Jahr an der SRH, wo er "Data Analytics" studiert. Im Iran arbeitete er zuvor als Mathe- und Informatiklehrer: "Ich hatte den Iran eigentlich aufgegeben", erklärt der 40-Jährige seine Motivation, nach Deutschland zu emigrieren, wo er mit seiner Partnerin in Frankfurt wohnt. Doch die aktuellen Proteste würden ihn inspirieren, in sein Heimatland zurückzukehren: "Nach meinem Doktor möchte ich wieder in den Iran gehen."
Zu Beginn sei er noch skeptisch gewesen, wie viel er in Deutschland zu den Protesten beitragen kann, erzählt Baran. Doch nun sehe er, dass diese Form der Unterstützung die Menschen im Iran motiviere und auch die Regierungen der Welt beeinflusse.
Ohne die junge Generation hätten die Proteste wohl nie begonnen, ist er sich sicher: "Es hat sie auf jeden Fall gebraucht." Seine Generation sowie die Generation seiner Eltern seien überrascht von dem Mut, den die jungen Leute nun aufbringen.
Dabei geht es bei den Protesten nicht nur um der Hijab, also das islamische Kopftuch von Frauen. "Es geht um viel mehr als das", meint Baran. Die Regierung habe der iranischen Bevölkerung 40 Jahre lang nahegelegt, "zum Himmel zu gucken".
Bei den Protesten ginge es nun darum, die eigenen Körper und das Leben zu feiern: "Sie wollen vollständig auf der Erde leben." Diese Einschätzung teilt auch Meral: "Meine Freunde im Iran sprechen von einer ,körperlichen’ Revolution." Im Zentrum stehe nicht der Hijab, sondern der Zwang dahinter. "Es geht um das verpflichtende Tragen", berichtet Baran. Unter den Demonstrierenden seien auch viele Hijab-Trägerinnen.
Durch die aktuellen Proteste sei auch die iranische Zivilbevölkerung erwacht: "Die Jungen reden in der Schule darüber, wir haben uns das nicht getraut", erzählen Baran und Meral."Sie fordern moderne Freiheiten wie Rechte für Frauen, Meinungs- und Bewegungsfreiheiten."
Von der Bundesregierung sowie weiteren westlichen Staaten erhoffen sich die beiden vor allem wirksame Sanktionen gegen die iranischen Eliten: "Wir fordern, dass alle iranischen Diplomaten aus dem Westen ausgewiesen werden."
Je mehr das Regime geschwächt werde, desto stärker sei die Position der Bevölkerung, erklärt Meral diese Forderungen. Auch Aktionen wie das Hacken staatlicher Fernsehsender würden das Regime empfindlich treffen.
Sowohl Meral als auch Baran waren bei den Solidaritätsdemonstrationen in Berlin Ende Oktober dabei: "Diese Unterstützung zu spüren, war total motivierend", sagt Baran. Auch vonseiten ihrer deutschen Freunde spüre sie viel Unterstützung, berichtet Meral. "Wenn ich ihnen von der Situation im Iran erzähle, dann tragen sie das auch weiter."
Dabei achte sie inzwischen darauf, ihren Freunden nicht zu viel von der Gewalt im Rahmen der Proteste zu erzählen: "Die haben da ein Limit, was sie ertragen können."