Coronavirus

Die Corona-Maßnahmen beuteln die Heidelberger Kulturszene

Alle Tanzveranstaltungen und Konzerte untersagt – Veranstaltungen ab 100 Personen verboten – Kreative hoffen auf Finanzhilfen

13.03.2020 UPDATE: 14.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Ohne Finanzhilfen und Solidarität ihres Publikums könnte Corona für Kulturbetriebe wie den Karlstorbahnhof (l.) und die Halle 02 erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Fotos: Alex, zg

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Ereignisse in der Corona-Krise überschlagen sich. Die Zahl der bestätigten SARS-CoV-2-Infektionen im Stadtgebiet stieg bis Freitag, 14 Uhr, auf 13. Am späteren Nachmittag wurden weitere Fälle im Ankunftszentrum für Flüchtlinge bekannt. Vom Beschluss der Landesregierung, ab Dienstag die Schulen und Kindertagesstätten zu schließen, sind in Heidelberg 54 öffentliche und private Schulen sowie rund 140 Kitas betroffen. Eltern, die nicht in Gesundheitsberufen oder bei Versorgungsbetrieben arbeiten, müssen nun sehen, wie sie ihre Kinder privat betreuen können.

Besonders hart sind auch die unabhängigen Kulturveranstalter von dem aktuellen Erlass betroffen: Ab dem morgigen Sonntag sind – unabhängig von der Besucherzahl – alle Konzerte und Tanzveranstaltungen verboten. Die entsprechende Allgemeinverfügung der Stadt tritt um Mitternacht in Kraft und gilt bis 30. April. Alle anderen Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen sind in dieser Zeit ebenfalls untersagt. Das gilt für Events in geschlossenen Räumen und im Freien. Wochenmärkte sind nicht betroffen. Sie gelten nicht als Veranstaltungen.

Die Halle 02 und der Karlstorbahnhof haben auf unbestimmte Zeit alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt. Halle-Geschäftsführer Felix Grädler ist erleichtert, dass es nun endlich eine klare Ansage von Stadt und Land gibt: "Wir hätten gerne früher reagiert, doch dann wären wir ein unüberschaubares finanzielles Risiko eingegangen." Erst jetzt sei man rechtlich auf der sicheren Seite und könne Verträge mit Konzertagenturen und anderen absagen. Mit der behördlichen Verfügung im Rücken, könne man nun auch offene Fragen mit der Betriebsausfallversicherung klären und sich um öffentliche Unterstützung, zum Beispiel das jetzt beschlossene Kurzarbeitergeld, bemühen. Grädler hofft auf eine vernünftige Kurzarbeiterregelung, um keinen der 25 Festangestellten entlassen zu müssen. Schwieriger wird es für die 80 bis 100 Minijobber, die für das Veranstaltungshaus arbeiten. "Die Situation ist sehr dramatisch für alle."

Ohne Finanzhilfen und Solidarität ihres Publikums könnte Corona für Kulturbetriebe wie den Karlstorbahnhof (l.) und die Halle 02 erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Fotos: Alex, zg

Während die kleinen Theater und viele Museen noch geöffnet haben, bereitet die Ausbreitung des Coronavirus vielen in der freien Kulturszene Kopfzerbrechen. Manfred Metzner vom Wunderhorn-Verlag wünscht sich, dass die Stadt Heidelberg sich als Unesco City of Literature auch für die kleinen, freien Verlage und Buchhandlungen einsetzt. Schon die Absage der Leipziger Buchmesse sei mit hohen Kosten verbunden gewesen. Zudem wurden nun alle Lesungen abgesagt. "Wir müssen jeden Cent selbst verdienen und leisten einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben", so Metzner. Die Stadt müsse alles tun, damit die Literaturszene erhalten bleibt. Metzner schlägt eine "Task Force für den Kulturbereich" vor, die alle freien Einrichtungen, die momentan unter Druck stehen, versammelt, damit man gemeinsam nach Lösungen sucht.

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Die Heidelberger Grünen befürworten schnelle Hilfen für die Kulturszene. Besonders privatwirtschaftlich agierende Musik- und Kulturbetriebe seien auf ihre Veranstaltungserlöse angewiesen, so Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo. Da neben den Kulturschaffenden viele weitere Berufsgruppen betroffen seien, werden die Grünen im nächsten Gemeinderat einen Antrag auf Kurzdebatte zum "Umgang mit den sozialen und wirtschaftlichen Folgen durch das Corona-Virus" stellen.

Auf ganz schnelle Hilfe können die betroffenen Einrichtungen aber nicht hoffen. "Wir warten das Ergebnis der Verhandlungen der kommunalen Spitzenverbände mit der Landesregierung ab. Generell gilt in der aktuellen Situation: Die Gesundheit unserer Bevölkerung hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen ", sagte ein Stadtsprecher. Die Frage der Finanzhilfen könne nicht nur an der Stadt hängen bleiben. "Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind unabsehbar. Die Mittel, die wir aus dem 500-Millionen-Jahreshaushalt zur Verfügung stellen könnten, wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

Die Kulturveranstalter setzten unterdessen auf die Solidarität ihres Publikums. "Gebt gekaufte Tickets nicht zurück, sondern wartet auf mögliche Nachholtermine und akzeptiert Gutscheinangebote. Wenn jetzt alle sofort ihr Geld zurückwollen, werden viele Kultureinrichtungen nicht mehr aufmachen", appelliert Karlstorbahnhof-Geschäftsführerin Cora Malik. Und Ernst-Friedrich von Kretschmann, Seniorchef beim "Europäischen Hof", setzt sich explizit für den abgesagten "Heidelberger Frühling" ein: "Wir können ein wenig helfen. Verzichten wir auf die Rückerstattung der bezahlten Eintrittskarten."

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