Brustkrebs-Bluttest

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bluttest-Skandal

Klinikvorstand mischte überall mit - Was den Investoren versprochen wurde - Uniklinikum stellt Strafanzeige gegen Unbekannt

05.04.2019 UPDATE: 06.04.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Im Zentrum der Brustkrebstest-Affäre: die Frauenklinik des Universitätsklinikums. Foto: Alex

Von Sebastian Riemer und Klaus Welzel

Heidelberg. Ein Brustkrebs-Bluttest, der nicht hält, was in einer sensationsheischenden PR-Kampagne versprochen wird. Ein undurchsichtiges Netzwerk an Firmen mit Verbindungen nach China und einer Beteiligung des Unternehmers Jürgen Harder. Eine Forscherin, die jahrelang an dem Bluttest forscht - und dann plötzlich gehen muss.

Hintergrund

Enthüllungen zum Brustkrebs-Test

Die PR-Kampagne: Wie der Uniklinik-Vorstand die übertriebene Darstellung forcierte

Das alte Forscher-Team:

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Seit Wochen treiben diese Themen das Universitätsklinikum Heidelberg um. Am Freitag versuchte man einen Befreiungsschlag: Die Uniklinik stellte bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg eine "Anzeige gegen Unbekannt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten". Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob im Zusammenhang mit dem Brustkrebs-Bluttest der Anfangsverdacht einer Straftat besteht.

Doch auch der Vorstand des Universitätsklinikums und die Tochterfirma Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTH) werden Rechenschaft ablegen müssen. Denn nach RNZ-Informationen spielten beide eine große Rolle - mindestens bei der übertriebenen PR-Kampagne (siehe Titelseite), aber womöglich auch bei der Absetzung der Test-Erfinderin Rongxi Yang sowie der Entscheidung, Jürgen Harder ins Boot zu holen.

Darüber hinaus erfuhr die Rhein-Neckar-Zeitung am Freitag viele weitere Details zu den Vorgängen am Uniklinikum, die Entwicklung des Tests und seine mögliche Wirksamkeit. Erste Antworten auf bisher offene Fragen:

Christof Sohn. Foto: Alex

Wie geht es jetzt weiter? Am Freitag tagte der Aufsichtsrat des Universitätsklinikums, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Ergebnisse aus der sechsstündigen Sitzung wurden nicht bekannt - sie dauerte bis nach 21 Uhr. Die Strafanzeige gegen Unbekannt wurde kurz vor dem Krisentreffen öffentlich gemacht - und war natürlich auch in dem Gremium Thema. Die Anzeige die9nt allem Anschein nach der rechtlichen Absicherung.

Wie kam es zu dem unglücklichen Wort von der "Marktreife"? Bei der Pressekonferenz am 21. Februar war erstmals vom Begriff "Marktreife" die Rede. Auch in der Presseerklärung des Uniklinikums vom selben Tag hieß es, "die Markteinführung ist noch in diesem Jahr geplant". Was für Laien so klingt, als sei der Test bald in Frauenarzt-Praxen anwendbar, hatte für die beteiligten Wissenschaftler jedoch den Hintergrund, dass in diesem Fall der Test erst noch spezifiziert werden sollte. Der später im Text eingebaute dezente Hinweis, dass vor einer Vermarktung noch bundesweit "Multicenterstudien" durchgeführt werden müssen, ging in dem PR-Jubel unter.

Annette Grüters-Kieslich. Foto: Rothe

Hat der Test noch eine Chance? Bei der Präsentation des Bluttests am 21. Februar legte Christof Sohn im Grunde alle Zahlen auf den Tisch: Die sogenannte Sensitivität, also die Trefferquote, ob eine Frau an Brustkrebs erkrankt ist, lag demnach bei 70 Prozent. Zu wenig, um eine verlässliche Aussage zu treffen. Außerdem wiesen die Tests bei den Probanden Brustkrebs in einem Stadium nach, in dem Mammographieaufnahmen noch gar nichts "sehen". Als alleiniges Mittel zur Früherkennung taugt der Test also zunächst nicht. Dennoch könnte der Heidelberger Bluttest zum Erfolgsmodell werden. Wendet man ihn etwa während einer Brustkrebstherapie in regelmäßigen Abständen an, so verschafft der Test den Ärzten durchaus Aussagen darüber, ob die Behandlung in die richtige Richtung geht: Reduzieren sich die Tumormarker, zeigt die Therapie Wirkung, steigen sie aber, so kann der Arzt durch eine veränderte Therapie reagieren. So jedenfalls die damalige Hoffnung am Uni-Frauenklinikum.

Jürgen Harder. Foto: dpa

Wie kam Jürgen Harder ins Boot? Darüber kursieren verschiedene Versionen. Eine davon: Neben Harder gab es noch einen weiteren Interessenten aus Deutschland, außerdem eine israelische Firma aus dem Medizinbereich. Am Ende habe der Vorstand des Uniklinikums Harder den Zuschlag gegeben. Bei dem Unternehmer handelt es sich um einen alten Bekannten Sohns - doch das sei dem Vorstand bekannt gewesen.

Gab es leere Versprechungen an die Investoren? Pikant ist hier besonders ein Detail: Im Gründungsvertrag der Heiscreen GmbH (sie soll den Bluttest vermarkten), ist die Rede davon, der "K-Test" habe eine Trefferquote von 100 Prozent. Der Geschäftsführer der TTH, Markus Jones, soll den Vertrag mitaufgesetzt haben - die 100-Prozent-Behauptung ginge dann also auf ihn zurück. Die ursprüngliche Projektleiterin des "Mammascreen-Projekts", Rongxi Yang, hatte aber eine Trefferquote zwischen 95 und 99 Prozent erreicht - wobei damals deutlich weniger Blutproben zugrunde lagen. Das Team um Christof Sohn und Yangs Nachfolgerin als Projektleiterin, Sarah Schott, erzielte nur 70 Prozent an Treffern. Zunächst einmal ein deutlich schlechterer Wert.

Markus Jones. Foto: pr

Insider halten den 70-Prozent-Wert jedoch für realistischer, wobei der große Unterschied zwischen den beiden Ergebnissen für Diskussionen am Klinikum gesorgt haben soll. Die Vergleichbarkeit fällt auch deshalb schwer, weil es zwischen den beiden Forschungsteams aufgrund der Streitereien wohl keine geordnete Übergabe der Forschungsunterlagen gegeben hat.

Generell sagt die Trefferquote alleine allerdings wenig aus, entscheidend ist vielmehr die Falsch-Alarm-Rate - also wie oft ein Test bei einer gesunden Frau dennoch Brustkrebs anzeigt. Dazu steht im Vertrag nach RNZ-Informationen nichts.

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