Bilanz der Pendlerkonferenz

Verkehr ist und bleibt wichtigstes Thema der Kommunalpolitik

Auch unter der Federführung des neuen Klimabürgermeisters will sich Baudezernent Jürgen Odszuck um den Verkehr kümmern - "Ich muss mich auch in Zukunft weiter einmischen"

27.09.2020 UPDATE: 28.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Wege aus dem Stau: Der Verkehrsentwicklungsplan soll dabei helfen. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Verstopfte Straßen, lange Fahrtzeiten mit Bus und Bahn, Lücken im Radwegenetz: Der Verkehr ist und bleibt für viele Heidelbergerinnen und Heidelberger das wichtigste kommunalpolitische Themenfeld. Die Stadt will sich hier mit einem neuen Verkehrsentwicklungsplan völlig neu aufstellen. Dazu bot sie in der vergangenen Woche eine digitale Pendlerkonferenz an. Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck berichtet im RNZ-Gespräch, wie sie in seinen Augen gelaufen ist.

Herr Odszuck, an der Pendlerkonferenz nahmen 74 Personen teil. 64 Prozent stammten aus Heidelberg. Sind sie mit dieser Beteiligung zufrieden?

Ja, wir hatten eine gute Beteiligung. 130 Personen hatten sich angemeldet, in der Spitze waren über 80 dabei, am Ende haben immerhin 50 die kompletten drei Stunden teilgenommen. Das spricht in meinen Augen für eine gute Qualität, die wichtiger ist als die reine Masse.

Was waren die wichtigsten Ergebnisse?

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Ich selbst war in zwei von vier Diskussionsgruppen dabei, daher habe ich noch kein abschließendes Bild. Ich glaube aber schon jetzt, dass die Konferenz uns einige Impulse liefern konnte und aufzeigte, was viele Pendler bewegt.

Jürgen OdszuckFoto: Rothe

Und das wäre?

Ganz oft ging es um den Ausbau der Fahrradinfrastruktur, die vorangetrieben werden müsse, zum Beispiel um die Grüne Welle oder Ampelbevorrechtigungen für Radler. Viele forderten in diesem Zusammenhang auch eine gerechtere Aufteilung des Straßenraums.

Hängt das damit zusammen, dass die Stadt zu wenig für den Radverkehr ausgibt? Eine Studie der Uni Kassel kam ja jüngst zum Schluss, dass in Heidelberg 40 mal mehr Geld in den Autoverkehr investiert wird als in den Radverkehr.

Ich glaube, dass man bei diesen Zahlen etwas genauer hinschauen muss. Wir geben in Heidelberg jedes Jahr vier Millionen Euro für den Straßenunterhalt aus, weitere zehn Millionen für das Investitionsprogramm. Das kommt auch dem Radverkehr zugute. Und wenn wir für diese Verkehrsgruppe in Heidelberg gerade einmal sechs Euro pro Einwohner ausgeben würden, wie die Studie behauptet, kämen wir auf nicht einmal eine Million im Jahr. Das kann nicht stimmen. Schauen Sie doch einmal, was wir mittelfristig für den Fuß- und Radverkehr planen: die Gneisenaubrücke über die Bahngleise, die neue Neckarbrücke. Und der Heinrich-Menger-Weg im Pfaffengrund – als ein Beispiel von vielen – wurde bereits nur für Radler und Fußgänger ausgebaut.

Waren die meisten Konferenzteilnehmer Radler?

Nein, das hielt sich sehr die Waage: Jeweils rund 30 Prozent gaben an, mit dem Nahverkehr, mit dem Rad oder mit dem Auto zu pendeln. Aber es stimmt, die Teilnehmer waren zumindest fahrradaffin.

Gab es auch Anmerkungen zum Nahverkehr?

Hier wurden vor allem die altbekannten Probleme angesprochen: Die Pendelnden wünschen sich Verbesserungen im Hinblick auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Busse und Bahnen. Einige sagten auch, dass der Nahverkehr zu langsam sei. Eine Dame aus Rheinland-Pfalz gab zum Beispiel an, dass sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln weit über eine Stunde nach Heidelberg benötige, weshalb sie oft das Auto benutze. Solche Kritik leuchtet uns ein.

Was wollen Sie dagegen machen?

Wir tun schon einiges. Denken Sie an die neuen Verbindungen vom Hauptbahnhof ins Neuenheimer Feld. Wir wollen auch Schnellbusse von den Umlandgemeinden nach Heidelberg einführen und sind dabei in Gesprächen mit dem Landkreis und den Nachbarkommunen.

Kamen auch neue Vorschläge?

Unbedingt. Das waren oft kleine Dinge. Eine Dame, die im Bereich Max-Planck-Institut für Kernphysik und Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie arbeitet, wünschte sich einen vernünftigen Radweg auf den Berg. Im Zeitalter der E-Bikes würde sie dann gerne auf das Zweirad umsteigen. Diesen Vorschlag fand ich durchaus interessant, vielleicht könnte man dafür ja einen Waldweg ausbauen.

Gab es auch spektakuläre Vorschläge?

Der große Wurf an neuen Ideen war sicher nicht dabei. Aber es gab noch viele weitere kleine Anregungen wie die, die ich gerade beschrieben habe. Bis Anfang November wollen wir eine Dokumentation des Ganzen veröffentlichen.

Doch dann sind Sie nicht mehr für den Verkehr zuständig, sondern der neue Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain. Bedauern Sie das?

Ich werde mich auch nach dem 1. Oktober weiter einbringen – unter der Federführung des neuen Kollegen. Der Verkehr und die Stadtentwicklung sind untrennbar miteinander verbunden. Ich muss mich daher weiter einmischen, wenn ich meine Aufgabe als Baudezernent ernst nehme. Ich bin zuversichtlich, dass wir gut zusammenarbeiten werden.

Wie bewerten Sie abschließend das Instrument der Digitalkonferenz?

Natürlich ist es schön, sich direkt mit Konferenzteilnehmern auszutauschen. Bei meinem Impulsvortrag waren alle Mikrofone und Kameras der anderen aus, da wusste ich manchmal gar nicht, ob noch jemand zuhört. Aber durch die Digitalkonferenz hatten wir auch die Chance, Pendler, die zum Beispiel aus Landau oder Weinheim kamen, dabei zu haben, ohne dass sie dafür noch einmal nach Heidelberg kommen mussten. Diesen Blick von außen wollten wir bei der Pendlerkonferenz unbedingt einbeziehen und das wäre bei einer klassischen Abendveranstaltung in dem Maße vielleicht nicht geglückt.

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