Wie wäre es mit einem Stausee unterm Schloss?
Die Ausstellung "Denk mal Utopia" zeigt in der Chapel in der Südstadt Entwürfe, die Impulse geben - oder auch provozieren

Uwe Bellm und Nicolas Meiringer "denken groß", wenn sie alle Probleme der Heidelberger Altstadt auf einen Schlag lösen: Sie saufen in einem riesigen Stausee ab (links). Das Motto könnte hier auch lauten "Stadt im Fluss". Till Schweizer hingegen träumt von einer Kopie der Alten Brücke über die Autobahn 5 beim Patrick-Henry-Village (rechts). Repro: RNZ
Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Normalerweise müssen Architekten und Stadtplaner einiges bedenken: Bebauungspläne, Denkmalschutzauflagen, das Budget und vieles mehr. Jetzt konnten sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Verantwortlich dafür ist der Verein "FormAD", der sich für seine zweite Ausstellung "Denk mal Utopia" ein besonderes Motto überlegt hat: 30 Entwürfe - jeder von ihnen nicht größer als 40 mal 40 Zentimeter - zeigen in der Chapel, Ecke Rheinstraße / Römerstraße, wie sich die Architekten Heidelberg auch vorstellen könnten. Das Spannende daran: Realistisch sollen die Entwürfe gerade nicht sein - und daher sind sie auch eine Provokation.
Die Idee zur Ausstellung kam im Vorfeld der Zwischenpräsentation der Internationalen Bauausstellung (IBA): "Wir dachten, lasst uns doch die Kollegen auffordern, einen klassischen Serviettenentwurf zu machen", erklärt Thorsten Erl. Der Vorsitzende von "FormAD" war begeistert von den vielen Einsendungen: "Die kamen von Architekten aus arrivierten Büros, aber auch ganz jungen Kollegen", so Erl. Bis Donnerstag, 14. Juni, können die Besucher über ihren Lieblingsentwurf abstimmen. Was die Planer zu Papier gebracht haben, war nur ihnen überlassen. Lediglich die Größe war vorgeschrieben. "Da wollten wir uns in das Abenteuer stürzen", schmunzelt Erl.
"Think Big" - Denk groß, schleudern Uwe Bellm und Nicolas Meiringer in rosafarbenen Lettern dem Betrachter entgegen. Und der entdeckt: Die Altstadt ist abgesoffen und das Schloss hat nun einen eigenen Neckarstrand. Verantwortlich dafür ist der riesige Staudamm in der Mitte des Bildes, vor dem der Kaufhof am Bismarckplatz winzig wirkt. Knapp hinter der Sofienstraße ist dann auch alles weg: Die Hauptstraße, die Heiliggeistkirche, das Hotel Ritter und auch die restlichen Sehenswürdigkeiten, die jedes Jahr Tausende von Touristen nach Heidelberg locken.
Till Schweizer provoziert dagegen mit einem anderen Wahrzeichen - oder besser - einer Kopie desselben. Denn der Architekt sieht in seinem Entwurf einen Nachbau der Alten Brücke als Querung über die A5 vor, um das Patrick-Henry-Village (PHV) anzubinden. 78.000 Autos fahren täglich in diesem Autobahnabschnitt und damit sähen mindestens so viele Menschen die braunen Hinweistafeln auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, ist darunter zu lesen. Und weiter: "Statt der harmlosen Schilder könnte eine Adaption oder Interpretation der Alten Brücke das PHV erschließen und den Zugang aufwerten; ein Anlass, auch das Original zu sehen, wird geschaffen", so der bissige Kommentar.
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Nicht die Altstadt, aber doch die Gleisanlagen würde Christiane Hauß dagegen gerne versenkt sehen: Ihre Utopie "Stadtteilbrücke" könnte auch als Heidelberg 21 firmieren und sieht eine Überdachung der Gleise zwischen Czernyring und Montpellierbrücke vor. Damit würden nicht nur die Bahnstadt und Bergheim näher zusammenrücken: Auch die mit der Bahn reisenden Besucher könnten so an einem lebendigen Ort ankommen, führt Hauß in ihrem Entwurf aus. Als "grüner Neckar" soll der Park dann sogar bis nach Rohrbach und Wieblingen laufen.
Erl ist stolz, wenn er sich die verschiedenen Entwürfe anschaut. "Es kann sehr anregend wirken oder eine kritische Stellungnahme sein", erklärt er und betont: "Es geht nicht darum, realistische Vorschläge zu machen."
Info: Die Ausstellung in der Chapel, Ecke Rheinstraße / Römerstraße, ist noch bis zur Finissage am Donnerstag, 14. Juni, zu sehen. Bis dahin können die Besucher ihren Favoriten wählen. Um 20 Uhr wird der Publikumspreis verliehen.