23 zu 22 Stimmen

Dauerhaft Tempo 30 auf meisten Heidelberger Straßen

Der Gemeinderat beschließt den Lärmaktionsplan mit hauchdünner Mehrheit. Die Grünen setzen sich mit ihrem Antrag durch. OB Würzner kritisiert: "Das ist kein Wünsch-dir-was".

07.06.2025 UPDATE: 07.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden
Die Römerstraße in der Heidelberger Südstadt: Nach der Entscheidung des Gemeinderats gilt hier künftig auch am Tag Tempo 30. Archivfoto: Rothe

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. In den meisten Straßen und Verkehrsachsen in Heidelberg gilt künftig auch tagsüber Tempo 30. Das hat der Gemeinderat am Donnerstagabend mit einer hauchdünnen Mehrheit von 23 zu 22 Stimmen und drei Enthaltungen beschlossen.

Demnach wird eine ganztägige Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer künftig auf 22 weiteren Straßen gelten, unter anderen auf der Römerstraße, der Karlsruher Straße, der Lessingstraße, am Hackteufel (B37), der Bergheimer Straße, der Berliner Straße zwischen Technologiepark und Hans-Thoma-Platz, der Kurfürsten-Anlage, der Rottmannstraße sowie in der Wilhelmsfelder Straße.

Das Gremium entschied sich damit für einen fortgeschriebenen "Lärmaktionsplan", der auf einem Antrag der Grünen-Fraktion beruht. Schon im Frühjahr hatten die Grünen gemeinsam mit Einzelstadtrat Michael Pfeiffer (GAL) gefordert, an – im Vergleich zum Vorschlag der Verwaltung – neun zusätzlichen Stellen im Stadtgebiet tagsüber Tempo 30 einzuführen.

Mitte Mai stimmte dann der Mobilitätsausschuss mit knapper Mehrheit von acht zu fünf Stimmen für einen nochmaligen Antrag der Grünen, Tempo 30 tagsüber an sogar elf zusätzlichen Stellen einzuführen. Die Verwaltung hingegen wollte dort nur nachts auf Tempo 30 drosseln. Sie beruft sich auf den "Klimamobilitätsplan 2035", der derzeit erarbeitet wird und zwei Hauptachsen in der Stadt vorsieht: von Ost nach West vor allem die B37, von Süd nach Nord die Römer-, Lessing-, Mittermaier- und Berliner Straße.

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Durch die Bündelung des Verkehrs auf diesen Achsen sollten andere Bereiche entlastet werden. Dass nun auch auf diesen Achsen tagsüber Tempo 30 gelten soll, sei "eine rein politische" Entscheidung, sagte Oberbürgermeister Würzner kurz vor der finalen Abstimmung im Gemeinderat. "Das hat mit dem Lärmaktionsplan nichts zu tun."

Schon zu Beginn hatte das Stadtoberhaupt den Stadträten ins Gewissen geredet. "Was wir hier machen, ist ein Lärmaktionsplan, kein Geschwindigkeitsplan." Wenn man solche Maßnahmen fordere, müsse man auch darauf achten, dass sie über den Lärm begründet werden.

"Das hier ist kein Wünsch-dir-was": Der Oberbürgermeister eröffnete damit eine bewegte Debatte, die wieder einmal deutlich machte, wie gespalten der Gemeinderat beim Thema Verkehr ist. Da konnte auch jener Antrag keine Abhilfe schaffen, den die SPD vor der Sitzung eingebracht hatte: Die Sozialdemokraten legten "einen Kompromissvorschlag" vor, wie Stadtrat Marvin Frank sagte: Auf den Hauptverkehrsachsen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung wollten sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 40 Stundenkilometer festsetzen.

So könne der Verkehrslärm an den entsprechenden Straßen "bereits wirkungsvoll reduziert" werden. Doch dieser Antrag fiel am Ende durch: Nur 14 Stadträte stimmten dafür, vier enthielten sich.

Christoph Rothfuß (Grüne) hielt indes noch einmal ein Plädoyer für die Einführung von Tempo 30 auch tagsüber. "Viele gute Gründe" dafür gebe es: mehr Sicherheit und Klimaschutz, aber auch die Gesundheit der Anwohner. Ab einem Lärmpegel von 60 Dezibel sei "keine Abwägung möglich", so Rothfuß. Nach einer von der Stadt beauftragten Verkehrslärm-Kartierung wird dieser Pegel tagsüber auf allen untersuchten Straßen überschritten. Deshalb brauche es dort Tempo 30, so Rothfuß.

Stadtrat Jochen Ricker (Die Heidelberger) sprach sich hingegen für den ursprünglichen Vorschlag der Verwaltung aus, wonach Tempo 30 ganztags in einigen Straßen wie der Kurfürsten-Anlage oder der Bergheimer Straße eingeführt werden sollte, nicht aber in der Römerstraße oder der Berliner Straße. Ricker mahnte, dass eine Entscheidung im Sinne der Grünen weitreichende Folgen hätte: So bräuchte es mehr Bahnen für den ÖPNV, es käme zu längeren Fahrzeiten und zu weiteren Kosten für RNV und Stadt. Außerdem wären Tausende Pendler betroffen.

"Das wird auch auf ihre Kosten ausgetragen." Auch seine Fraktionskollegin Marliese Heldner warnte davor, das Tempo in der Römerstraße als "einzige Verbindung in Nord-Südrichtung, in der 50 gefahren werden kann", zu beschränken. "Wir legen den Verkehr früher oder später lahm."

"Den Ball flach halten", empfahl Michael Pfeiffer (GAL). Bei Änderungen im Straßenverkehr hätten Schreckensszenarien "Methode", sagte er. Das sei "respektlos" gegenüber Menschen, die an betroffenen Straßen wohnen und sich nach weniger Lärm sehnen.

Hilde Stolz (Bunte Linke) erinnerte daran, dass die Stadt mit dem Aktionsplan der "Umgebungslärmrichtlinie" der EU nachkommen müsse. Wenig Verständnis hatte sie für die Aussage von CDU-Stadtrat Hans Breitenstein, der den Grünen eine "ideologische Debatte" vorwarf. "Das ist eine interessante Sicht", sagte Stolz.

Ein kurioses Ende fand die Debatte in der Abstimmung. Matthias Fehser (Die Heidelberger) beantragte eine geheime Wahl. Das rief Anke Schuster (SPD) auf den Plan, die Fehser fast schon wütend entgegnete, dass der Gemeinderat dafür gewählt worden sei, "transparent zu entscheiden". Fehser zog seinen Antrag daraufhin zurück.

Nun aber beantragte Björn Leuzinger (Die Partei), dass die Stadträte namentlich am Mikrofon abstimmen, was wiederum Marliese Heldner (Die Heidelberger) zu einem Appell an die Ernsthaftigkeit ihrer Stadtratskollegen bewegte: "Wir sind hier nicht im Kindergarten. Wir sollten uns benehmen, wie es eines Gemeinderats würdig ist."

Letztlich stimmten die Stadträte wie gewohnt mit Handzeichen ab. Und so wird in Heidelberg künftig weitgehend Tempo 30 gelten. Ab wann genau, das ist noch offen.

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