Französische Kultur wird trotz Virus gefeiert
Festival ab 9. Oktober: Abgespeckt, aber vital - Übersetzer statt Autoren - "Wohin würdest Du fliehen?"

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Was macht das Corona-Virus mit der Französischen Woche in Heidelberg? Können die Künstler und ihre Techniker aus Frankreich überhaupt anreisen? Muss wegen Quarantäne-Bestimmungen der gesamte deutsch-französische Kulturaustausch ausfallen?
Ganz leicht hatten es Festival-Leiterin Erika Mursa und ihr Team in diesem Jahr nicht mit ihren Planungen, doch die 15. Ausgabe des Festivals steht jetzt. Akrobat Nicolas Fraiseau von der Compagnie Les Hommes penchés wird bei der Eröffnungsveranstaltung am Freitag, 9. Oktober, in der Hebelhalle mit "Instable" das Gefühl der Instabilität, das viele Menschen derzeit haben, umsetzen: Auf einem wackligen Plateau versucht er, einen chinesischen Mast zu errichten. "Stürzen und immer wieder aufstehen – ein Thema, das nicht besser in die Zeit passen könnte", findet Erika Mursa.
Autoren aus dem französisch-sprachigen Kanada, dem Gastland der Frankfurter Buchmesse, bleiben dagegen zu Hause. Vielleicht kommen sie im nächsten Jahr. Die Bücher von Karoline Georges, Sophie Bienvenu und Louis-Karl Picard-Sioul stellen deren mehrfach ausgezeichnete Übersetzer Sonja Finck und Frank Heibert im Vorprogramm am 8. Oktober um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei vor. Mursa kann der Idee durchaus etwas abgewinnen: "Übersetzer sind letztlich die intimsten Kenner eines Textes. Das kann eine sehr erhellende Veranstaltung werden."
Im Alten Saal des Theaters werden am 17. Oktober Mitglieder des Schauspielensembles aktuelle, eigens ins Deutsche übersetzte Theatertexte aus Québec vortragen. Die frankokanadische Metropole gehört wie Heidelberg zu den Unesco-Cities of Literature. Eine Lecture-Performance in der Providenzkirche am 13. Oktober um 20 Uhr mit Songs von Bert Brecht leiht berühmten Exilanten der NS-Diktatur wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, René Schickele oder Franz Werfel eine Stimme in "Sanary. Exil im Paradies". Und stellt die eindringliche Frage: "Wohin würdest Du gehen, wenn Du fliehen müsstest?"
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40 Veranstaltungen an 26 Veranstaltungsorten sind geplant – Anmeldung oder Vorverkauf sind meist angeraten, die Adressen stehen in der Festivalbroschüre und auf der Internetseite. Neben den vielfältigen Schwerpunkten Literatur und Musik – vom Mittelalter bis zu Chansons mit dem Septett "Moitié-Moitié" (15. Oktober, Altes Hallenbad), zum keltischen Folk-Pop aus der Bretagne (17. Oktober, Edingen-Neckarhausen, Schlaffer-Halle) und dem Enjoy-Jazz-Konzert mit dem Gabrielle Randrian Koehlhoeffer-Trio am 13. Oktober im Karlstorbahnhof – gibt es auch Kino: Im Karlstorkino beginnt am 14. Oktober eine Filmreihe mit dem vielfältigen Werk des im Mai verstorbenen Michel Piccoli. Bei großem Besucherandrang könnten die Filme auch zweimal gezeigt werden.
Der Ausklang der 15. Französischen Woche wird am 17. Oktober in der Hebelhalle ab 17.30 Uhr gefeiert. Dazu gehört das Objekttheater von Gingolph Gateau, der in seinem Stück "21 x 29,7" das exakte Maß von A4-Papierblättern kontrollieren muss und schließlich aus den Papierbergen eine neue Welt entstehen lässt. Dazu gehören auch Flammkuchen, Waffeln und Weine aus Südwestfrankreich und eine corona-gerechte Party mit "Les bandits manchots".
Wer noch nicht genug hat von Frankreich, begibt sich am Sonntag, 18. Oktober, um 11 Uhr bei einer Fahrradtour des Deutsch-Französischen Kulturkreises auf die Spuren von Franzosen in Heidelberg. Oder lässt sich um 15 Uhr in französischer Sprache durch Friedrich Dürrenmatts Karikaturen im Kurpfälzischen Museum führen.
Info: www.französische-woche.de



