Das rote Gold ist in Altenburg Trumpf
Safran klingt und schmeckt nach Orient. Doch die wenigsten wissen, dass die zarte Pflanze auch im thüringischen Altenburg blüht .

Altenburg. (dpa) - Küchenmeister Martin Schlösser hat einen buchstäblich heißen Tipp, um Safran in reiner, einfacher Form zu kosten: einen Tee. Dafür fischt er mit einer Pinzette vorsichtig drei getrocknete Fädchen aus einem Glas. Genau um diese federleichten Griffelfäden geht es beim Safran. Sie gelten als das "rote Gold" und machen Safran – bezogen auf den Kilopreis – zum "teuersten Gewürz der Welt", wie es oft heißt.
Der 53-Jährige, Leiter der Kochschule "Senfonie" in Altenburg, gibt die Fäden in einen Becher mit heißem Wasser. Nun lässt er alles ziehen. Langsam färbt der Safran das Wasser gelb. Nach fünf Minuten sind Couleur und Aroma kräftig genug, um Schlösser zufrieden nippen zu lassen: "Das hat keine Bitternote, keine Schärfe. Mir schmeckt das einfach gut. Das ist entspannend."
Dabei ist Schlössers Lieblingstee kein Luxustee. Kurz durchgerechnet: 500 Fäden ergeben ein Gramm Altenburger Safran, ein Gramm kostet 50 Euro und ein Faden somit zehn und der Drei-Fäden-Tee 30 Cent. Safran gilt als Heilpflanze, soll die Stimmung heben, gut für die Augen sein und den Blutdruck regulieren.
Neues Safran-Leben an alter Safran-Stelle
Safran aus Altenburg in Thüringen – das ist eine erstaunlich lange Geschichte, die ins Spätmittelalter zurückreicht. 1437 erstmals erwähnt, blühten Anbau und Handel in der historischen Residenzstadt, bis der Safran im 17. Jahrhundert durch den Dreißigjährigen Krieg aus der Stadt verschwand. 2016 erweckte ihn an alter Stelle eine Privatinitiative zu neuem Leben.
Dahinter standen Andrea Wagner (56) und ihr Mann Frank Spieth (63), die Gründer der Marke "Altenburger Safran". Sie wollten das Gelände einer ehemaligen Gärtnerei "mit etwas Besonderem" bewirtschaften, so Wagner. Dabei stießen sie auf Safran, den Wagner, wie sie erzählt, nur aus dem Kinderlied "Backe, backe Kuchen" mit dem Vers "Safran macht den Kuchen gehl" kannte - gehl bedeutet da gelb.
3000 Quadratmeter lila Blütenpracht auf guten Lößböden
Nach ersten Versuchsfeldern umfasst die Altenburger Anbaufläche heute 3000 Quadratmeter und zählt damit zu den größten in Mitteleuropa. "Gute Lößböden und wenig Niederschlag", umreißt Spieth die natürlichen Voraussetzungen. Die Blüte dauert von Ende September bis Anfang November und sorgt dann auch in Schaubeeten in der Altenburger City für eine lila Pracht. Geerntet wird stets manuell.
Die Begeisterung für den Safran strahlt in die gesamte Region aus. Minimale Mengen genügen, um alles Erdenkliche zu veredeln. Dortige Produzenten bieten mittlerweile Safranbier und Safranliköre an, Schokolade und Pralinen mit Safran, sogar Safranseife und Safranparfüm. Somit setzt die Spielkartenstadt Altenburg, wo der Skat erfunden wurde, auf einen großen Trumpf.
Und auch Kochprofi Martin Schlösser zaubert mit einem Geheimtipp ein Ass aus dem Ärmel: Wer kurz vor dem Servieren mit zwei Esslöffeln Safranhonig einen Lachs bestreicht, der aus dem Ofen kommt, schafft mit minimalem Input eine überraschende Kombination. Schlösser hat auch zwei Mixturen mit Safran kreiert, die für das gewisse Etwas sorgen: einen Mango-Balsamico-Senf, gut für eine Feldsalatsauce, und einen Senf-Orangenfruchtaufstrich für Geflügel, Frischkäse, weißen Fisch.
Für Suppen und Saucen: Tipps von der Safran-Fee
"Safran nicht mitkochen", ist laut Andrea Wagner die oberste Regel. Sie erklärt, warum: "Das ist ein ätherisches Öl, das verfliegt. Dann hat man das Aroma in der Küche und nicht mehr im Topf." Gerne wertet sie eine Zucchini- oder Kürbissuppe mit Safran auf. Dazu bereitet sie einen Safranextrakt vor, indem sie – für einen Liter Suppe – zehn bis fünfzehn Fäden mit der Hand zu einem Pulver mörsert. Dies rührt sie mit einem Schluck lauwarmem Wasser in ein Schälchen und lässt es mindestens zwei Stunden oder über Nacht ruhen, damit es aufquillt.
Wagner erklärt auch, wie letztlich das Auge mitisst: "Nach dem Kochen nehme ich die Suppe vom Herd und gebe den Extrakt hinein. Ich rühre aber nur einmal um, dann habe ich eine rote Spirale." Zusatztipp der Fachfrau: Ersetzt man das Wasser durch einen Schluck Weißwein, reichert man damit ein Risotto an oder eine Sauce. Nimmt man fettarme Milch statt Wasser oder Wein, eignet sich dies zum Backen für einen Rührkuchen, so Wagner.
Echte Fäden statt Pulver und wie man sie verwendet
Ob für Süßes oder Salziges – Koch Thomas Büchner schwört auf Safran. Der 43-Jährige aus Schmölln im Altenburger Land weiß, wie man guten von schlechtem Safran unterscheidet: "Ein guter hat lange Fäden, an denen ich deutlich die Spitze und die Wurzel erkenne. Kurze Fäden nur mit der Spitze verraten schlechtere Qualität." Der Experte räumt ein, dass gefälschter Safran, beispielsweise mit Kurkuma gestreckt, für Laien nicht erkennbar ist. Beim Kauf schließt er ein Pulver grundsätzlich aus, denn: "Da kann man viel tricksen."
Für die Rezepte zum Nachmachen ist Büchner ein unerschöpflicher Ideengeber. "Safran mag cremige Sachen", sagt er und empfiehlt einen rasch gemachten Brotaufstrich: 250 Gramm Ziegenfrischkäse, 250 Gramm Schmand, fünf bis zehn Safranfäden, Salz, Pfeffer. All dies schlägt er mit der Küchenmaschine oder dem Mixer untereinander und stellt die Mischung über Nacht in den Kühlschrank. "Dann kann man es gleich am Morgen essen. Hier tritt der Safran in den Hintergrund und schiebt das Produkt nach vorne." Die visuellen Nebeneffekte sind herrlich: gelbe Schlieren im Weiß.
Eine weitere Idee von Büchner ist ein Fruchtsalat: in 0,2 Liter frischen Orangensaft 10 bis 20 Safranfäden einweichen, 100 Gramm Zucker und die Filets von sechs bis zehn Orangen dazugeben, hinein in den Kühlschrank. Tags darauf serviert man diesen besonderen Nachtisch mit Vanilleeis oder einem warmen süßen Kartoffelkloß.
Büchners Eiswürfel-Trick für Gemüsereis, Fischeintopf und Dessert
Büchners Zubereitungs-Quickie geht so: mit dem Mörser einfach Eiswürfel und Safran zusammen zerkleinern. Faustregel: fünf Fäden pro Würfel. Büchner erklärt: "Wenn die Eiswürfel schmelzen, binden sie Öle und Farbe. Diesen geschmackvollen Fond gebe ich über einen Gemüsereis oder einen Fischeintopf und spare mir das ganze Quellen. Ich kann es auch in ein Dessert einarbeiten."
Und welche Getränke passen zu Gerichten mit Safran? Büchner: "Ein säurehaltiger Weißwein, zum Beispiel ein Riesling. Oder ein Kellerbier, das nicht so viele Bitterstoffe hat."












