Heidelberg bekommt ein "Institut für Globale Gesundheit"
Epidemiologe Till Bärnighausen baut das Institut für Globale Gesundheit auf - Wie Krankheitswege Grenzen überschreiten und wovon auch Deutschland profitieren könnte

"Fieldworker", ortsansässige Mitarbeiter der Forscher wie hier in Kwazulu Natal in Südafrika, besuchen die Familien alljährlich für vergleichende Befragungen. Foto: Andre Meyer
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Die globale Gesundheit ist sein Thema. Dafür hat die Universität Heidelberg den Epidemiologen Till Bärnighausen von der Harvard-Universität in Boston/USA nach Deutschland geholt. Gleichzeitig hat sie ihn - erfolgreich - für den höchstdotierten internationalen Forschungspreis vorgeschlagen, die Humboldt-Professur. Der 47-Jährige wird also in den nächsten fünf Jahren für seine Arbeit fünf Millionen Euro zur Verfügung haben, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Er will das bestehende Institut für Public Health zum deutschlandweit ersten Institut für Globale Gesundheit (Global Health) ausbauen. Bärnighausen und seine derzeit 60 Mitarbeiter, darunter 50 Wissenschaftler, haben ziemlich viel vor.
Herr Professor Bärnighausen, Sie kommen gerade aus Tansania zurück. Was haben Sie dort gemacht?

Prof. Till Bärnighausen. Foto: privat
Wir fangen dort drei neue Studien an. Einmal geht es um das Altern, etwa darum, wie die Funktionstüchtigkeit im Alter durch Krankheitsbelastungen beeinträchtigt wird. Wir berücksichtigen dabei Dinge wie chronische Erkrankungen wie HIV, Diabetes und Depression, Laufen ohne zu ermüden, Griffstärke und Denkvermögen.
Ab welchem Alter messen Sie das?
Wir beginnen bei den 40-Jährigen. Die Lebenserwartung in Tansania ist niedriger als in Deutschland und es ist gut möglich, dass der biologische und funktionale Alternsprozess in Tansania rascher voranschreitet.
Und die anderen Studien?
Einer von zehn Erwachsenen in Tansania ist an HIV erkrankt. Weil die Sterblichkeitsrate dank der Medikamente abnimmt, nimmt die Zahl der Behandlungsbedürftigen im Augenblick zu. Wir testen dort ein neues Modell für das Gesundheitssystem in enger Zusammenarbeit mit der Regierung: Die gesundheitlich stabilen HIV-Patienten, das sind 70 bis 80 Prozent, sollen nicht mehr zeitaufwendig in die überlasteten Kliniken gehen müssen, sondern wir schicken Gesundheitsberater zu ihnen nach Hause, die die Medikamente bringen und die Patienten beraten.
Im dritten Projekt untersuchen wir verschiedene Ansätze, Sexarbeiterinnen zu überzeugen, dass sie sich auf HIV testen lassen und regelmäßig Kliniken besuchen - zur HIV-Behandlung und um sich auf weitere Geschlechtskrankheiten und andere Risiken hin untersuchen zu lassen. Solche Studien machen wir auch in Uganda und Sambia. Bei dieser Arbeit erkennen wir auch, wie groß die sozialen Probleme sind, die Armut und die Gewalt, der Sexarbeiterinnen ausgesetzt sind. Für die Zukunft denken wir daher darüber nach, wie auch diese tiefen Ursachen der Krankheit und des Leidens verhindert werden können. Es gibt Ansätze wie Ausbildungsmöglichkeiten und Gewaltprävention - diese sind aber oft schwer umzusetzen.
Kümmern Sie sich nur um die Gesundheit in der weiten Welt oder auch um die in Deutschland?
Wir arbeiten in Ländern, in denen es sehr viel Armut und Erkrankungen gibt. Dort können wir durch die Forschung dazu beitragen, das Leben zu verlängern und gleichzeitig die Lebensqualität zu verbessern. Bei der globalen Gesundheitsforschung geht es aber auch um grenzüberschreitende Krankheitswege. Krankheitserreger wie HIV oder Ebola-Viren überschreiten Grenzen. Menschen überschreiten Grenzen. Sie bringen Erkrankungen aus ihrer Heimat mit und sind bei uns mit ganz neuen Krankheiten konfrontiert. Verhaltensmuster und -modelle überschreiten Grenzen, wie zum Beispiel Schönheitsideale und Essgewohnheiten.
Wie arbeiten Sie in Ihrem Institut genau?
Unser Fokus ist auf die Erforschung der Bevölkerungsmedizin in ärmeren Ländern gerichtet; sie findet zumeist in kleinen Kliniken, in Dörfern und in der Familie statt. Dort kann man oft mehr Leben retten als in Krankenhäusern - durch Vorbeugungsmaßnahmen, Früherkennung von Erkrankungen und Massenbehandlungen, die keine komplizierte Diagnostik benötigen. Wir testen solche Ansätze auf ihre Wirksamkeit - und auch auf ihre Kosten. Wenn die Ressourcen für die Behandlungen so gering sind wie in vielen Ländern Afrikas, ist es noch wichtiger als bei uns, sowohl den Nutzen als auch die Kosten von Gesundheitsmaßnahmen genau zu verstehen.
Was sind denn Ihre Hauptthemen?
Die großen Erkrankungen und neue Eingriffsmöglichkeiten, um die Bevölkerungsgesundheit zu verbessern: etwa die Massenbehandlung mit HIV-Medikamenten und neue Ansätze durch vorbeugende Behandlung, um die HIV-Infektion zu verhindern, wie zum Beispiel in Swasiland. Wir wollen auch Massenbehandlung mit einem Antibiotikum und neue Eingriffe gegen Malaria testen, um die Kindersterblichkeit in armen Ländern zu senken, wie zum Beispiel in Burkina Faso. In Afrika gehen auch die Erkrankungsraten für Bluthochdruck und Diabetes nach oben - und werden nahezu nicht behandelt. Wir untersuchen also neue Methoden, gut geprüfte Medikamente den großen und wachsenden Bevölkerungsteilen Afrikas zukommen zu lassen, die bislang unbehandelt an Bluthochdruck und Diabetes leiden. Da geht es darum, die Lebenserwartung durch neue Massenansätze deutlich zu erhöhen, nicht um die Hochleistungsmedizin am einzelnen Patienten.
Wo stellen sich die Lebensumstände im Augenblick am schlechtesten dar?
Burkina Faso gehört sicher dazu. Das Heidelberger Institut für Public Health, das wir jetzt in ein Institut für Globale Gesundheit umwandeln, arbeitet dort seit 25 Jahren. Aber auch viele der anderen Länder, in denen wir arbeiten, gehören zu den ärmsten der Welt, wie Swasiland, Sambia, aber auch Tansania und Uganda. Und selbst im relativ reichen Südafrika sind die Lebensumstände in großen Bevölkerungsteilen sehr schlecht. Zum Beispiel wird die Hälfte der HIV-Infizierten dort noch nicht behandelt, und trotz der guten Behandlungsmöglichkeiten ist HIV in vielen Landesteilen noch immer die häufigste Todesursache.
Arbeiten Sie nur in Afrika?
Nein, unserer Mitarbeiter sind auch in Bangladesch, Indonesien, Vietnam ...
Betreiben nur Entwicklungsländer Gesundheitsforschung in der Bevölkerung?
Unser "Labor" ist tatsächlich die Bevölkerung. Diese Art der Forschung wäre für uns in Deutschland ebenso sinnvoll, zum Beispiel bei der Frage, wie man Menschen zu Vorsorgeuntersuchungen bewegen kann. Wie man den Bevölkerungsteil erreicht, der Prävention nicht wahrnimmt. Diese Forschung fände ich spannend. Da könnte auch Deutschland noch profitieren.