von Katrin Schreiter
In Polenzko kommt man nicht zufällig vorbei. Der Ortsteil von Zerbst in Sachsen-Anhalt liegt ein wenig abgelegen – in einer stillen, ländlichen Region zwischen Magdeburg und Wittenberg. Auch die romanische Feldsteinkirche steht etwas versteckt, schiebt sich nicht sofort ins Blickfeld. Sie scheint bescheiden in der zweiten Reihe auf Besucher zu warten. Dabei birgt das kleine Gotteshaus Großes in sich: Sie beherbergt die wohl mächtigsten Krippenfiguren Deutschlands.
Die Maria, Joseph, die Krippe mit dem Jesuskind sowie drei Hirten wurden von Horst Sommer aus Zerbst geschaffen. Der pensionierte Lehrer hatte dafür ganze Baumstämme mit Säge und Beil bearbeitet. Zuerst zog 2009 die Heilige Familie unter den Sternenhimmel des Altarraums: Joseph mit Maria, die mit schützendem Blick an der Krippe stehen, in der das Jesuskind liegt und seine Hände in die Welt streckt. Später gesellten sich die drei Hirten hinzu.
Mittlerweile ist aus dem Polenzkoer Gotteshaus die "Weihnachtskirche" geworden, die rund um die Uhr für Besucher geöffnet ist. "Wir sehen an unserem Gästebuch, dass viele Menschen den Weg hierher finden", freut sich Pfarrer Lutz-Michael Sylvester, der in der Region insgesamt 13 Kirchen betreut. "Überwiegend sind es positive Reaktionen: wunderbar, toll, beeindruckend." Das wundert den Geistlichen nicht. "Wer hier herkommt, erlebt die Weihnachtsgeschichte auf eine besondere Art", glaubt er. "Ohne den ganzen Glitzer und Bling-Bling, die oft genug die Botschaft verdecken." Massiv und direkt statt niedlich und verspielt. "Diese Szene setzt sich im Kopf fest."
Ein nachwirkendes Bild, dem ein Kraftakt vorausgegangen war. Ein Bauer hatte einst die Linden- und Pappelstämme mit seinem Traktor zu Horst Sommer geschleppt, der das Holz in seinem Garten mit großem Gerät bearbeitet hat. Später half die Feuerwehr, die tonnenschweren Figuren in die Kirche zu bringen und im Chorraum zu platzieren. Nun bestaunen Touristen ganzjährig das hölzerne Ensemble. Vor allem in der Vorweihnachtszeit laden die beeindruckenden Figuren zum besinnlichen Verweilen ein – und viele Besucher lassen eine Spende zurück.
Das freut auch Sonja Hahn. Die Vorsitzende der Stiftung "Entschlossene Kirchen" im Kirchenkreis Zerbst setzt sich derzeit für 45 Dorfkirchen ein, die dort die ländliche Region prägen. "Der Name ist dabei Programm: Wir wollen mit Entschlossenheit die Kirchengemeinden finanziell unterstützen, damit die Gebäude erhalten bleiben." Doch das Wort entschlossen meint mehr: "Vor allem möchten wir Kirchenräume öffnen, damit die Besucher dort Kraft für den Alltag tanken können", sagt Hahn, und hofft, auch Menschen anzusprechen, die normalerweise nicht in den Gottesdienst gehen. Die Weihnachtskirche ist nicht das einzige Gotteshaus im Kirchenkreis Zerbst, das einem Thema gewidmet ist. In der Region gibt es auch noch die Oster-, die Gesangbuch- und die Bibelkirche, die rund um die Uhr geöffnet sind. "Themen, die die Gebäude aus dem Dornröschenschlaf holen sollen", sagt Sonja Hahn, "und vor allem auch die Menschen".