Mysteriöse Geheimisse im Kurort Strathpeffer
Der historische, viktorianische Kurort Strathpeffer im Norden Schottlands birgt manch mysteriöses Geheimnis.

Von Udo Haafke
Der 4. Januar 1963 war kalt und ungemütlich. Die Beatles, die bald darauf als "Fab Four" zu Legenden der Musikgeschichte avancierten, waren auf einer ersten kurzen Konzertreise in Schottland unterwegs, damit außerhalb ihrer heimatlichen Merseyside. Lediglich 19 zahlende Zuschauer wollten den Auftritt von John, Paul, George und Ringo in der Town Hall des nordschottischen Ortes Dingwall, der zweiten Station ihrer Tour, sehen, denn zur gleichen Zeit gastierten die regional überaus populären "The Melotones" im benachbarten Örtchen Strathpeffer im dortigen Strathpeffer-Pavilion.
Der ikonische Kursaal des vergleichsweise jungen, in viktorianischer Zeit entstandenen Badeortes erlebte seit seiner Einweihung durch die Countess von Cromartie, der Duchess of Sutherland, am 10. August des Jahres 1881 die unterschiedlichsten, mithin meist überaus illustren, teils auch bedrückenden Veranstaltungen und Ereignisse. So wollten damals gut 1000 Melotones-Fans ihre Band live erleben, während sich das Publikum der Pilzköpfe in Dingwall trotz besten Unterhaltungswertes alsbald reduzierte, sodass sich die vier dann selbst in den Nachbarort begaben und noch einige Takte ihrer lokalen Konkurrenz erleben durften. Was nach Erscheinen von "Please, Please, Me" nur eine Woche später passierte, ist Geschichte.
Die Countess, eine gute Freundin der legendären Königin Victoria und glühende Anhängerin der Spa-Kultur, war nicht nur mitverantwortlich für den Bau des markanten Gebäudes nach kontinentalen Vorbildern, wie dem Casino von Baden-Baden, sondern für die gesamte Anlage des zwischen 1840 und 1870 massiv prosperierenden Ortes.
Strathpeffer bestand bis zur Entdeckung der Schwefelquellen um 1770 nur aus vereinzelten Crofts im Tal des Flusses Pefferey. Danach siedelten sich zunächst Mediziner an. Es entstanden kleine Unterkünfte, später adäquate Hotels für die Kurgäste, eine erste Trinkhalle, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch ein schlossartiges Bauwerk in der Ortsmitte ersetzt wurde. Hier konnten die heilenden Wasser gewöhnungsbedürftigen Geschmacks direkt aus dem Hahn "genossen" werden.
Mit der Anbindung ans Eisenbahnnetz 1885 setzte ein touristischer Boom ein. Es kamen zahlungskräftige Gäste wie britischer Adel und Prominenz, Ernest Shackleton gab sich vor seiner Polarreise ebenso die Ehre wie George Bernard Shaw. Diese sorgten für einen boomenden Kurtourismus, der um 1910 seinen Höhepunkt erreichte, gar aus London nahm man die gut 14-stündige Anreise in Kauf. Die Monarchin selbst, Königin Victoria, deren Ära den weit verbreiteten Baustil Strathpeffers nachhaltig und seinen heutigen Charme prägt – noch immer in großer baulicher Vielfalt zu sehen inmitten lauschiger Gärten – schaffte es jedoch nicht, den zu seiner Zeit nördlichsten Kurort Europas zu besuchen.
Ein schwarz-weißes Bildnis der ernst, fast streng blickenden Herzogin Anne Sutherland-Leveson Gower, der Gönnerin Strathpeffers, hängt im Foyer des heute leider nur zu Veranstaltungen geöffneten Pavilions, dessen Schicksal zeitweise infrage stand. Eigentümerwechsel und unsäglich lange Leerstände brachten gar einen Abriss ins Gespräch. Mittels Stiftungen und Fördergeldern konnte dieser jedoch verhindert und der ikonische Bau letztlich gar renoviert und restauriert werden.
Zwar hat er etwas von seinem historischen Reiz einbüßen müssen, doch weht weiter historischer Glanz durch den großen Saal und den umliegenden Wandelgang. Vielleicht, so munkelt man unter vorgehaltener Hand, trug auch die adelige Dame zur Rettung des Pavilions bei. Denn Geisterforscher aus Inverness wollen ihre Anwesenheit schon mehrfach nachgewiesen haben. Ungewöhnliche, vor allem unerklärliche Spannungsfelder sind dokumentiert. So sorgt Lady Anne weniger für schaurige Spukgeschichten, sondern verdient sich eher Meriten als Retterin und guter Geist "Ihres" Hauses, genießt die Vielfalt der Konzerte auch ohne die Beatles. Während der beiden Weltkriege diente der illustre große Ballsaal als militärisches Lazarett für Soldaten. Einige derer Seelen sollen sich ebenfalls noch unter dem Dach des Pavilions aufhalten, tatsächlich in Erscheinung treten sie aber nur selten, wahrscheinlich lässt Lady Anne dies nicht zu.
Gespukt hatte es nach übereinstimmenden Aussagen auch im einstigen ersten Haus am Platz, dem "Grand Spa Hotel", vis-a-vis des Pavilions. Zum elitären Luxus dieser Unterkunft gehörten unter anderem Tennisplätze und ein Croquet-Feld. Sie war während des Krieges zum Hospital umgewidmet worden und sah leider entsprechend viele Todesfälle. Eine Krankenschwester starb gar unter ungeklärten Umständen eines gewaltsamen Todes. Ihre Seele soll das Gebäude, selbst als es bald darauf durch ein Feuer zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde, den Ort Strathpeffer nie mehr verlassen haben.
Und dann ist da noch "Tissie". Um die mehr als 200 Jahre alte Puppe dreht sich das Museum of Childhood, das sein Domizil, basierend auf der umfangreichen Puppenkollektion der lokalen Sammlerin Angela Kellie, zwischenzeitlich im restaurierten alten, viktorianischen Bahnhof Strathpeffers gefunden hat. Fragil und zerbrechlich wirkt sie, geschützt durch eine allseitig gläserne Vitrine, in ihrem altersgrauen Kleidchen und mit der zierlichen Haube über dem hölzernen Kopf. Der stechende, unheimliche Blick aus ihren dunklen Augen bleibt unweigerlich, ja nachdrücklich im Gedächtnis.
Tissie war ein Geschenk an die Tochter des Herzogs von Cromartie, der mit seiner Familie des Clans Mackenzie im ehrwürdigen Castle Leod am Ostrand Strathpeffers residierte. Die Burg, ein typisches Tower House noch heute im Besitz der Familie, entstand etwa im 15. Jahrhundert auf den Resten eines piktischen Forts. Sie gewährte vertriebenen Croftern der Highland Clearances um 1830 zeitweise Asyl, bis diesen eine neue Bleibe zugewiesen wurde.
Darunter befand sich auch ein kleines, kränkelndes Mädchen, an das die junge Herzogin ihre Puppe großherzig weiterschenkte. Tissie blieb über Generationen in der Familie des Kindes und landete schließlich in Miss Kellies Sammlung. Geisterjäger stellten 2015 im Museum, das sich nicht nur um Spielzeug, sondern auch um das Alltagsleben in der Region dreht, paranormale Aktivitäten fest, die sie allerdings einer anderen Puppe zuordneten. Gleichwohl herrscht, so beteuern die Betreiber des Museums, stets eine positive Stimmung in den Räumlichkeiten, tags wie nachts. Manchmal hat man jedoch den Eindruck, dass die Ausstellungsstücke ihre Positionen über Nacht leicht zu verändern scheinen. Ob da wohl unbemerkt das Tanzbein geschwungen wird zu Beatles-Musik, die live in Strathpeffer nie zu hören war?
> Infos:
> Anreise: Eurowings verbindet viele deutsche Flughäfen mit der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Mit dem Mietwagen erreicht man die Region Wester Ross innerhalb von knapp vier Stunden.
> Unterkunft: Besonders charmant und gastfreundlich etwas oberhalb der Ortsmitte ist das Holly Lodge B&B aus viktorianischer Zeit. Die Gastgeber offerieren ein tolles schottisches Frühstück mit u. a. selbstgemachten Marmeladen. Lediglich bei der Frage nach Spukgeschichten (zwei Geister wohnen wohl mit im Haus) bleiben sie eher wortkarg: www.hollylodgeandcottage.com
> Essen und Trinken: Die Unwined Café & Wine Bar am Square in der Ortsmitte kredenzt kleine, feine Speisen zu angemessenen Preisen bei exzellentem Service: www.highlandguide.co.uk/locations/unwined-cafe-and-wine-bar
Etwas gediegener geht es in den Hotel-Restaurants zu, wie etwa im The Jacobite des altehrwürdigen Ben Wyvis Hotels: www.strathmorehotels-thebenwyvis.com/places-to-eat-in-strathpeffer
> Aktivitäten: Wanderungen führen durch den bezaubernden Ort bis Loch Kinellan oder Castle Leod, dem Stammsitz des Clans Mackenzie, der an einigen Wochenenden zwischen April und September für Besucher geöffnet ist: www.castleleod.org.uk
Leider nur für Veranstaltungen und Konzerte zugänglich ist der traditionsreiche Pavilion (www.highlifehighland.com/strathpefferpavilion ), während der kleine Pump Room gleich nebenan, der authentisch an die beschwingte Ära des Badeortes erinnert, auf seine Wiedereröffnung als regionalhistorisches Museum wartet.
Sonntags und montags geschlossen, ist das Museum of Childhood im alten Bahnhof, am Freitag nicht nur für Kinder Eintritt frei. Es gibt Einblick in die Welt der Puppen, aber auch in das Familienleben während des 19. und 20. Jahrhunderts: www.highlandmuseumofchildhood.org.uk
Kleine Geschäfte und ein nettes Café runden das Angebot im perfekt restaurierten viktorianischen Bahnhofsgebäude ab. Gegründet 1888 und gestaltet von den Golflegenden Willie Park jr. und Tom Morris gehört der Golfplatz Strathpeffers zu den absoluten Geheimtipps für Golfer:
www.strathpefferspagolfclub.co.uk
> Weitere Infos: www.strathpeffer.org



