Genussorte in Bayern

Kulinarisches Churfranken

Der Landstrich zwischen Wertheim und Aschaffenburg überrascht 
mit einem breiten kulinarischen Angebot.

23.10.2025 UPDATE: 25.10.2025 10:39 Uhr 4 Minuten, 4 Sekunden
Miltenberg zwischen den Hängen des Odenwalds und dem Main. Foto: Getty

Von Klaus Pfenning

Die Burgunder

Familienbetriebe im Mittelpunkt

Churfranken ist der westlichste Teil des Weinanbaugebiets Franken. Dieses ist vor allem durch seine Weißweine bekannt, vor allem auf Muschelkalk gewachsene Silvaner. Im Buntsandsteingebirge zwischen Odenwald und Spessart, rund um Miltenberg, Bürgstadt und Klingenberg dominiert jedoch der Rote – und hier der Spätburgunder. Unumstrittene Nummer eins in der Region ist Paul Fürst aus Bürgstadt, der zusammen mit seinem Sohn Sebastian einige der besten Spätburgunder Deutschlands erzeugt. Selbst mit den ganz großen Tropfen aus Burgund können diese ohne Weiteres mithalten. Nahezu ganz dem Spätburgunder verschrieben hat sich Philipp Aufderheide vom VDP-Weingut Steintal in Klingenberg, der ursprünglich aus Bielefeld stammt. Etwa die Hälfte seiner zehn Hektar Rebflächen sind reine Steillagen mit Gefällen bis zu 45 Prozent. Bewirtschaftet werden können sie ausschließlich mit der Hand. Steintal ist überwiegend im Besitz chinesischer Investoren, ein beträchtlicher Teil der roten Burgunder wird in Shanghai oder Shenzen entkorkt. Im Mittelpunkt des Weinbaus in Churfranken stehen jedoch zahlreiche kleine Familienbetriebe, die häufig auch Häckerwirtschaften betreiben und ihren Wein dort direkt vermarkten.


Das Bier

Brauen in Miltenberg

Brauereien gibt es im Fränkischen so viele wie Gerstenhalme auf dem Feld. Die Brauerei Faust in Miltenberg ist jedoch in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Gegründet 1654 und damit kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg produziert sie noch heute am selben Ort, mitten in der Altstadt, eingezwängt zwischen dem Main und den steilen Hängen des Odenwalds. Wo andere Brauereien in die Fläche expandieren, blieb Faust immer nur eine Richtung: nach oben. Vom Eingang bis zur kleinen Aussichtsplattform mit dem schönen Namen Bierhimmel sind es sieben Stockwerke, 115 Stufen oder 21 Höhenmeter. Wie schon in früheren Jahrhunderten vergärt die Maische in offenen Bottichen. "Das bleibt unter uns", lautet der Slogan der Brauerei. Soll heißen: wir Einheimischen trinken es am liebsten allein. Faust punktet vor allem mit seinen Craft-Bieren. Etwa die "Brauerreserve 1237", die ein bisschen schmeckt wie zu Bier gewordener Whisky. Oder auch das Auswandererbier, der Jahrgangsbock oder der holzfassgereifte Eisbock, der mit einem Alkoholgehalt von zwölf Prozent zu den stärksten Bieren auf dem deutschen Markt zählt.


Die Gastronomie

Schmorgerichte wie Rehkeule, Lammhaxe oder Ochsenbacken 

Wer es ein gutes Stück weit feiner mag als in der Häckerwirtschaft, der geht beispielsweise nach Großheubach in die "Krone". Zu den Spezialitäten von Küchenchef Ralf Restel zählen Schmorgerichte wie Rehkeule, Lammhaxe oder Ochsenbacken. Restels Frau Niki ist Sommelière und empfiehlt die dazu passenden Weine. Auf ähnlich hohem Niveau, aber immer noch zu bezahlbaren Preisen, wird auch im Bürgstadter "Stern" gekocht. Der benachbarte "Adler" hat sich "regionales Slow Food" auf die Fahnen geschrieben. Dort möchte man persönlich wissen, was aus Wiese, Weide, Wald und Wasser auf den Teller kommt. Längst kein Geheimtipp mehr ist auch die "Post" im Amorbacher 75-Seelen-Ortsteil Reichartshausen. Rind- und Kalbfleisch kommen aus der eigenen Zucht, Apfelsaft und Apfelwein aus eigenem Anbau, die Eier von eigenen frei laufenden Hühnern, die Kräuter aus dem eigenen Garten. Chefin Petra Zimlich ist in dem Gasthof aufgewachsen und kocht noch heute so, wie sie es von ihrer Mutter und ihrer Großmutter gelernt hat. Nämlich einfach nur köstlich.

Auch in der täglichen Ernährung außerhalb der Gastronomie setzen die Churfranken lieber auf Klasse als auf Masse. Filialen von Großbäckereien findet man auf dem Land keine, stattdessen kleine, aber feine Backbetriebe wie etwa Hench oder Mayer in Miltenberg. Auch Familienmetzgereien sind hier noch überproportional stark vertreten. Heigel-Eck etwa, ebenfalls in Miltenberg, schlachtet noch selbst und bezieht seine Tiere ausschließlich bei Bauern der Umgebung.


Hochprozentiges

Vom besten Deutschen Brenner

Wer etwas Hochprozentiges zum Verdauen oder einfach nur zum Genießen sucht, der findet in Churfranken ebenfalls manch Überraschendes. Etwa Michael Mayer aus Pflaumheim, der mit seinen Obstbränden "besser sein will als alle anderen, nicht nur in Churfranken". Schon beim verwendeten Obst geht Mayer keinerlei Kompromisse ein, sei es bei der heimischen Birne, bei der sizilianischen Blutorange oder der marokkanischen Bergamotte. Es gibt kaum ein Obst, das der brennverrückte Mayer nicht in hocharomatische Brände oder Geiste verwandeln würde. Vor zwei Jahren gewann er den Bundesehrenpreis als bester deutscher Brenner.

Sehr besonders ist auch die Geschichte des Investmentbankers Andreas "Andy" Thümmler, der in seinem Heimatort Rüdenau bei Miltenberg zehn Millionen Euro in eine Whisky-Destillerie mit original schottischem Equipment investierte. St. Kilians, benannt nach dem fränkischen Regionalheiligen, ist heute der größte deutsche Whiskyproduzent. Und einer, der weltweit einen Preis nach dem anderen abräumt. Und wenn es noch ein wenig verrückter sein darf: Mit ihrer Rum Company in Miltenberg kaufen drei Freunde seit 15 Jahren über Händler Rum von verschiedenen Inseln der Karibik und mischen ihn nach ihrem Geschmack in immer neuen Variationen. 800 von ihnen gibt es bisher, vertrieben werden sie ausschließlich über das Internet.


Häckerwirtschaft

Die fränkische Variante

Die zahlreichen Häckerwirtschaften sind die fränkische Variante von Strauß- oder Besenwirtschaften. Wie ihre Verwandten im Badischen oder im Schwäbischen öffnen sie über das Jahr verteilt mehrmals für nur wenige Wochen. Wer eine Restaurant-Lizenz besitzt, der darf auch länger. Ein kleiner Kalender für die Jackentasche hilft, nicht den Überblick über die Öffnungszeiten zu verlieren. Häckerwirtschaften sind so etwas wie die kulinarisch-soziale Seele Churfrankens. Dort trifft man sich, oft gemeinsam an großen Tischen, gerne auch schon mittags, plaudert, trinkt und isst. Leiterchen zum Beispiel: fetten Bauchspeck (der aber gar nicht so fett schmeckt), meist mit Kartoffelpüree, Sauerkraut und kräftigem Fränkischen Landbrot serviert. Ober Rippchen vom Spessarter Landschwein wie bei der Häckerwirtschaft der Familie Höflich in Großostheim, bei der für die Liebhaber besonders deftiger Kost auch gebackene Blut- und Leberwurst auf der Karte stehen. Ausgeschenkt werden in den Häckerwirtschaften ausschließlich Weine aus dem eigenen Weingut – eine zwar personalintensive, aber durchaus lukrative Form der Direktvermarktung.


INFORMATIONEN

> Anreise: Mit dem Auto über die A5 bis Frankfurt und weiter über die A3. Oder durch das Neckartal bis Eberbach und weiter durch den Odenwald über Mudau und Amorbach. Fahrzeit jeweils anderthalb Stunden.

Mit dem Zug über Darmstadt oder Frankfurt nach Aschaffenburg und weiter nach Miltenberg. Fahrzeit drei Stunden.

> Unterkunft: Bürgstadt: Adler, gepflegter Gasthof mit guter Küche,
www.adlerlandhotel.de  

Miltenberg: Flairhotel Hopfengarten, schönes Hotel Garni in zentraler Lage, www.flairhotel-hopfengarten.de 

> Großheubach: Gästehaus Krone, charmante Unterkunft mit wenigen Schritten zu guter Küche: www.gasthauskrone.de 

Niedernberg: Seehotel Niedernberg, elegantes Tagungs- und Wellnesshotel mit Urlaubsatmosphäre und eigenem Strand,
  

> Sehenswert: Die Altstadt von Miltenberg mit der darüber liegenden Mildenburg.