Seit 25 Jahren ist die österreichische Wachau Unesco-Weltkulturerbe
Wobei die Kultur im Donautal westlich von Wien untrennbar verbunden ist mit der Naturund hier vor allem mit steilen Weinbergen.

Von Klaus Pfenning
Wie eine riesige Festung thront Stift Göttweig auf einem Hügel etwas abseits der Donau über dem östlichen Teil der Wachau. Göttweig und zahlreiche andere Klöster waren es, die im Mittelalter das Tal zwischen Linz und Wien, die Menschen und ihre Kultur prägten. Und die dem Weinbau, den die Römer mehr als 1000 Jahre vorher hierhergebracht hatten, immer mehr Platz einräumten. Für diese hatte die Donau das nördliche Ende ihres riesigen Imperiums markiert, die Donau war eine Art "nasser Limes". Heute sind die steilen, oft in Terrassen angelegten Rebflächen das bekannteste Markenzeichen einer Region, in der die vermeintlich gute, alte Zeit wiederauferstanden zu sein scheint, ohne sich dem Neuen zu verweigern.
Die Wachau stelle "eine Landschaft von hoher visueller Qualität dar", urteilte das Welterbe-Komitee vor einem Vierteljahrhundert. Sie bewahre in intakter und sichtbarer Form viele Spuren ihrer Entwicklung in Bezug auf Architektur, Städtebau und landwirtschaftliche Nutzung, vor allem beim Weinanbau. Die Wachau ist wie eine Märklin-Landschaft des 21. Jahrhundert. Sie ruht in sich selbst und gilt mit all ihrer Schönheit als Psychotop, als Balsam für die von multiplen Krisen unserer Zeit geschundene Seele.
Auf den rund 35 Kilometern zwischen Melk und Krems gibt es keine einzige Brücke. Nur ein paar kleine Fähren kreuzen den munter dahinströmenden Fluss. Zwei von ihnen fahren ohne Motor, ohne Brummen, ohne Vibrieren. Die Fährleute nutzen für die Fortbewegung vom einen zum anderen Ufer einzig die Kraft des Wassers. Es scheint, als seien solche Fähren für die ruhige, stille Landschaft geradezu geschaffen. An den Ufern liegen kleine Dörfer wie Unterloiben, Weißenkirchen, Spitz oder Aggsbach. Sie sind wie von einem Landschaftsmaler der Romantik hineingezaubert in eine fast unwirkliche Postkartenidylle. Den Begriff "Bausünde" kennt man hier nicht.
Auch nicht in Dürnstein, dieser in Wirklichkeit gewordene Traum eines Wachauer Winzerdorfs. Mit kopfsteingepflasterten Gassen, eng aneinander gereihten, geduckten Häusern und Winzerhöfen, mit Stiftskirche, Schloss und einer mächtigen Burg oben auf dem Berg. Berühmt wurde sie vor gut 800 Jahren, als der englische König Richard Löwenherz dort eingekerkert und erst nach Zahlung eines hohen Lösegelds wieder freigelassen wurde. Dürnstein ist eine Art kleines Rothenburg ob der Tauber und in der Hochsaison tagsüber entsprechend überlaufen. Seinen wahren Reiz entfaltet es spätnachmittags und am Abend, wenn die Tagestouristen, darunter viele Flusskreuzfahrer, wieder verschwunden sind.

Die Wachau mit dem Auto zu besuchen bedeutet meist, die Hauptsehenswürdigkeiten wie die Stifte Melk oder Göttweig und natürlich Dürnstein abzuklappern. Mit dem Fahrrad ist man selbst bei gemütlicher Fahrweise vollkommen steigungsfrei in drei Stunden durch. Und erlebt dabei nur den schmalen Landstrich links und rechts des Flusses. Am intensivsten ist das Wachau-Erlebnis beim Wandern. "Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirklich gewesen", philosophierte Goethe schon vor mehr als 200 Jahren. In kaum einer anderen Gegend dürfte er damit mehr ins Schwarze getroffen haben als hier. Auf beiden Seiten der Donau windet sich auf einer Länge von 180 Kilometern der "Welterbesteig" durch Weinberge und Wälder, Wiesen und Weihnachtsbaumkulturen.
Wer es gemütlich angehen möchte, der plant für den durchaus anspruchsvollen Rundweg 14 Etappen ein. Sportliche Wanderer schaffen es in zehn. Übernachtet wird in Hotels, Gasthöfen, Privatquartieren, Radlerherbergen, Winzerhöfen oder auch im Kloster. Auf dem Steig taucht man jeden Tag tief ein in die Landschaft und die Kultur dieser außergewöhnlich schönen Region. Idealer Ausgangs- und auch Zielort ist das lebhafte Städtchen Krems ganz im Osten. Läuft man erst auf der Südseite der Donau, geht es auf den ersten Etappen zwischen dem Stift Göttweig und dem Stift Melk rund 50 Kilometer auf dem österreichischen Jakobsweg. Bis nach Santiago de Compostela sind es von hier noch rund 3000 Kilometer.
Vor allem auf der Nordseite der Donau führt der durchaus anspruchsvolle Welterbesteig oftmals durch die Weinberge – und alle paar Kilometer vorbei an Kühlschränken mit gut temperiertem Grünem Veltliner. Bezahlt wird per Vertrauenskasse. Und zwar meist offen, mit Wechselgeld, auch mit Scheinen. Tu felix Austria – Du glückliches Österreich. Mit gerade einmal 1300 Hektar ist die Rebfläche der Wachau weniger als ein Zehntel so groß wie die in Baden. Dennoch gilt die kleine Region nicht nur als die bekannteste, sondern auch als die beste für den Anbau von Weißweinen in Österreich.
Ausgeschenkt werden Grüner Veltliner und Riesling oft im "Heurigen". Wobei dieser Begriff gleich zwei Bedeutungen hat. Heuriger steht sowohl für eine Strauß- oder Besenwirtschaft als auch für den jungen Wein aus der vergangenen Ernte. In fast jedem Ort gibt es mehrere Heurigen-Wirtschaften, die als Herz und Seele der Wachau gelten dürfen. Selbst Fremde sitzen hier an langen Tischen zusammen, essen, trinken, reden und lachen. Geöffnet ist nur wenige Wochen im Jahr. Wenn es am Eingang heißt "Ausg’steckt is‘" dann wird bewirtet.
Meist findet sich im Heurigen auch etwas von der Marille auf der Karte. Die Wachau ohne Marillen, die in Deutschland als Aprikose bekannt ist? Undenkbar. Rund 100.000 Marillenbäume gibt es in der Region. Wenn sie um den Frühlingsbeginn herum weiß-rosa blühen, bricht in der Wachau so etwas wie die fünfte Jahreszeit aus. Halb Wien scheint dann unterwegs auf dem Land zu sein. Und was machen die Wachauer nicht alles aus ihrer Nationalfrucht. Saft, Marmelade, Chutney, Likör, Brände, Gin, Knödel, Eis, Kuchen, Senf und auch Balsamico. Geerntet werden die hocharomatischen, gelbfleischigen Früchte im Juli.
Die Wachau ist längst kein Geheimtipp mehr. Ganz im Gegensatz zu einem Wander- oder Radausflug in den Spitzer Graben, einem Seitental der Donau bei der Ortschaft Spitz. Durch diesen Graben floss vor vielen Jahrtausenden die Ur-Donau. Heute beeindrucken die teils extrem steilen Weinterrassen, gepaart mit einer Ruhe, für die der "Heilige Entschleunigus" die Patenschaft übernommen zu haben scheint. Anstatt auf Menschen trifft man hier eher auf smaragdfarbene Eidechsen und große Nattern. Und in Mühldorf auf einen schönen Landgasthof, das "Weiße Rössl". Nicht am Wolfgangsee, aber mit seiner rosafarbenen Fassade und Blumenschmuck in den Fenstern mindestens genauso romantisch verträumt.

> Infos:
> Anreise: Mit dem Auto sind es von Heidelberg nach Krems über Nürnberg, Regensburg und Passau 680 Kilometer. Fahrtzeit ca. sieben Stunden.
Die Wachau ist über die ICE-Strecke nach Wien gut angebunden. Mit Umsteigen in St. Pölten dauert die Fahrt ab Heidelberg rund acht Stunden.
> Übernachten: Krems: Hotel Klinglhuber, ab 140 Euro/Nacht: www.klinglhuber.com
Weißenkirchen: Kirchenwirt, ab 100 Euro pro Person und Nacht: www.kirchenwirt-wachau.at
Aggsbach: Privatquertier Goldene Wachau, DZ ab 160 Euro: www.goldenewachau.at
Mühldorf: Weißes Rössl, DZ ab 170 Euro: www.roessl-wachau.at
Aggstein: Radlerpension Kienesberger, DZ ab 90 Euro: www.urlaubambauernhof.at/de/hoefe/kienesberger
> Unbedingt probieren: Alles von der Marille, Grüner Veltliner
> Weitere Infos: www.weltkulturerbewachau.at