Gleiche Rechte? Was sich endlich ändern muss!
Frauen verdienen weniger, steigen seltener auf, Mütter stecken in der Teilzeitfalle - Die Berufswelt ist noch weit von einer Gleichberechtigung entfernt - Das muss sich endlich ändern

Von Barbara Klauß
Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und die gleichen Chancen. Jeder kann seine Talente gleichermaßen nutzen und sein Leben nach seinen Interessen gestalten. In dieser festen Überzeugung bin ich aufgewachsen. Ja gut – es gab Menschen wie diesen älteren Lehrer an unserem Dorf-Gymnasium, der der Meinung war, ein Mathe- und Physikleistungskurs sei nicht einmal dann etwas für ein Mädchen, wenn es in beiden Fächern glatt auf Eins stand. Wir Mädchen hielten das für aus der Zeit gefallen und lachten darüber. Weil wir dachten, wir wären in dem Leben, das vor uns lag, tatsächlich gleichberechtigt. Auch im Berufsleben. Wie naiv.
Natürlich, es hat sich vieles gebessert, auch hier bei uns in Deutschland. Immer mehr Frauen arbeiten, zum Teil auch in verantwortlichen Positionen. Wir haben eine Bundeskanzlerin, eine EZB-Präsidentin und mit Jennifer Morgan bei SAP die erste Dax-Chefin. Es gibt Teilzeit, Homeoffice und Betreuungsangebote für Kinder, von denen unsere Mütter nur träumen konnten. Deswegen ist aber noch lange nicht alles gut.
Die Frauen, die arbeiten, verdienen deutlich weniger. 21 Prozent sind es in Deutschland im Durchschnitt. Zum Teil liegt das daran, dass Berufe, die als klassisch weiblich gelten, schlechter bezahlt sind als "männliche". Die verquere Logik dahinter: Da es einer Frau ohnehin in den Genen liegt, zu pflegen und Kinder zu erziehen, muss man ihr dafür weniger zahlen als dem Ingenieur, der Brücken baut. Der Wert, den sie für die Gesellschaft erbringt, ist nicht eingepreist.
Dass Frauen im Beruf zum Teil nicht die nötige Achtung entgegengebracht wird, zeigt sich auch daran, dass sie öfter Opfer sexueller Übergriffe sind – was selten etwas mit Lust und häufiger etwas mit Macht zu tun hat. Mit jedem sexistischen Spruch, mit jedem Klaps auf den Po wird die Frau auf den Platz verwiesen, der ihr vermeintlich zusteht: irgendwo zwischen Vor- und Kinderzimmer.
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In die entscheidenden Positionen dringen Frauen jedenfalls nur selten vor. Die Führung liegt fest in Männerhand. Zwar sitzen in den Aufsichtsräten der 200 größten deutschen Unternehmen inzwischen fast 30 Prozent Frauen – aber nur, weil der Gesetzgeber die Konzerne mit einer Quote dazu zwingt. In den Vorständen, für die keine Quote gilt, sieht es anders aus.
Das Problem ist nicht, dass Frauen nicht wollten oder nicht könnten. Problematisch sind gesellschaftliche Strukturen und Rollenklischees, die über Jahrhunderte gewachsen sind – und sich äußerst hartnäckig halten.
Unglaubliche 20 Prozent der Deutschen sind noch immer der Meinung, dass Männer für bestimmte Dinge – wie etwa Führungsaufgaben – einfach besser geeignet seien. Fast ebensoviele halten Väter, die zu Hause bleiben und sich um ihre Kinder kümmern, für "weniger männlich". Einer Studie des DIW Berlin zufolge erachten es viele Männer und Frauen als fair, wenn Frauen für dieselbe Arbeit weniger bekommen. Das ZEW in Mannheim hat kürzlich festgestellt: Verdient eine Frau mehr als ihr Partner, passen viele Befragte die Angaben über ihr Einkommen nach unten an – "um damit der männlichen Ernährer-Norm zu entsprechen", wie es die Forscher formulieren. Mann erträgt es nicht, wenn Frau ein höheres Gehalt hat.
Sowohl im Berufsleben als auch in den Köpfen vieler Menschen sind wir also weit von einer tatsächlichen Gleichberechtigung entfernt. Noch schlimmer sieht es aus, wenn Frauen Mütter werden. Es fängt schon bei der Jobsuche an. Mütter haben größere Probleme, überhaupt eine Stelle zu finden, und werden im Bewerbungsverfahren klar benachteiligt. Das geht aus einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hervor. Eine Vaterschaft bringt, was das angeht, übrigens keinerlei Nachteile.
Wie selbstverständlich ist es auch im Jahr 2020 meist die Mutter, die eigene berufliche Ambitionen hinten anstellt – und sich wesentlich mehr um Haushalt und Kinder kümmert. Beobachten kann man das nachmittags auf den Spielplätzen im Land, auf denen sich ein paar vereinzelte Väter unter die vielen Mütter mischen. Zwar stehen inzwischen fast so viele Frauen im Berufsleben wie Männer – doch arbeiten sie nur so viel, dass sie ihren Job neben Hausarbeit und Kinderbetreuung gerade noch hinbekommen.
Zwei Drittel der berufstätigen Mütter sind in Teilzeit – mit all den negativen Folgen, die das mit sich bringt. Sie verdienen weniger und können schlechter vorsorgen. Wer nicht die volle Stundenzahl anwesend ist, bekommt weniger verantwortungsvolle Aufgaben übertragen und wird bei Beförderungen leichter übersehen. In der Phase des Lebens, in der viele Männer beruflich richtig durchstarten, landen Mütter häufig auf dem Abstellgleis. Karrierekiller Kind.
Das ist kein Vorwurf an die Frauen. Gleichberechtigung heißt, dass jede (und übrigens auch jeder) das Recht hat, sich frei zu entscheiden: Will ich zu Hause bleiben? Will ich arbeiten? Zu wie viel Prozent? Nur muss diese Entscheidung tatsächlich für alle frei möglich sein.
Viele Frauen haben heute kaum eine andere Wahl, als ihre beruflichen Ziele herunterzuschrauben, wenn sie Kinder bekommen. Bei allen Veränderungen und Zugeständnissen – unsere Arbeitswelt ist noch immer viel zu sehr am Ein-Ernährer-Modell ausgerichtet. Arbeitsverdichtung, Überstunden, ständige Erreichbarkeit, keine freie Zeiteinteilung, mangelnde Möglichkeiten, auch mal von zu Hause aus zu arbeiten – all das passt nicht wirklich zu einem geregelten Familienalltag. Dass jemand eine wichtige Funktion innehat und trotzdem nachmittags das Kind vom Kindergarten abholt – für viele noch immer undenkbar. Ebenso wie Führung im Team.
Wer in dieser Arbeitswelt dennoch versucht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, reibt sich zwischen zwei Systemen auf, die einfach nicht zusammenpassen. Es ist kein Zufall, dass die Zahl derjenigen, die ausgebrannt und überlastet sind, stetig steigt. Hier haben etliche Arbeitgeber noch gewaltigen Nachholbedarf.
Aber nicht nur sie. Auch die Männer und Frauen selbst.
Sie müssen endlich die tradierten Rollenmuster aufbrechen. Ernsthaft ändern wird sich erst dann etwas, wenn es mehr Ingenieurinnen und Kindergärtner gibt, mehr Konzernchefinnen und Sekretäre; wenn sich Männer und Frauen die Hausarbeit und die Kinderbetreuung tatsächlich gleichberechtigt teilen – ebenso wie das Geldverdienen. Wenn beide bereit sind, in bestimmten Phasen des Lebens im Job mal einen Schritt zurück zu treten.
Nur so können sich die verkrusteten Bilder in den Köpfen mancher Menschen auflösen. Nur so kann wirkliche Gleichberechtigung gelingen.
Eine naive Vorstellung? Hoffentlich nicht.